Ein Triumph für die Psyche

Nico Rosberg ließ in Interlagos zum fünften Mal in der Saison 2014 alle anderen Fahrer hinter sich
© getty

Immer wieder betonte Lewis Hamilton vor dem Großen Preis von Brasilien, er sei in Sao Paulo, um zu gewinnen. Die Trainings und das Qualifying interessierten nicht, nur der Sonntag sollte zählen. Am Ende musste er sich Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg geschlagen geben, der die bessere Herangehensweise gefunden hatte.

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Gewissermaßen war das letztwöchige Rennen in Texas das Gesprächsthema des Tages in Sao Paulo. Ein Deja-Vu bahnte sich an: Das Silberpfeil-Duell glich dem letzten Lauf in Austin wie ein Ei dem anderen. Nach einem schnellen Start-Stint geriet Rosberg immer mehr unter den Druck seines Teamkollegen, der die Pace stetig erhöhte.

"Ein unglaubliches Rennen von Nico - unglaublich", lobte Aufsichtsratschef Niki Lauda nach der Zieldruchfahrt euphorisiert: "Eines der härtesten Rennen der Beiden. Unglaublich, wie er Lewis in Schach gehalten hat."​ Im Unterschied zum Rennen in den Staaten hatte sich Rosberg in Brasilien nämlich im Griff und hielt dem Druck stand.

Rosberg: "Zuletzt keinen guten Job gemacht"

"Ich habe zuletzt keinen guten Job gemacht", erklärte der Deutsche seinen Bedienfehler in den USA offen: "Ich habe daraus gelernt und es heute besser gemacht. Das war ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ein Rennen zu spät, aber es ist noch alles möglich."

Alles ist allerdings falsch. 17 Punkte trennen die beiden Kontrahenten vor dem letzten Lauf - auch ohne die Regel der doppelten Punkte wäre die WM also nicht beim vorletzten Rennen entschieden gewesen. Doch die Regelung wird die Gespräche der nächsten Wochen bestimmen. Rosberg mag sie selbst nicht, weil er sie künstlich findet, gibt aber zu, dass "es für mich jetzt großartig ist".

Gäbe es die Regel nicht, könnte er den Titel nur holen, wenn Hamilton maximal Siebter wird. So aber gestaltet sich der Traum wahrscheinlicher: Wenn der Engländer schlechter als Platz 2 ist, hat Rosberg nun eine Chance auf die Weltmeisterschaft - auch wenn der Titel ohne technische Probleme beim anderen Mercedes trotzdem schon vergeben scheint.

Mit Felipe-Massa-Hilfe zum Titel?

"Ich brauche ein bisschen Felipe-Massa-Hilfe", scherzte Rosberg deshalb auf der Pressekonferenz nach seinem fünften Saisonsieg. "Ich hoffe, dass ich gewinne", erklärte der Brasilianer. Das wiederum begeisterte Rosberg weniger. "Das wäre keine wirkliche Hilfe. Nicht so schnell! Dazwischen", erklärte er seine Hoffnung.

Hamilton beobachtete die Diskussion vollkommen entspannt. Dass Rosberg am ganzen Wochenende seine bisher stärkste Leistung der Saison ablieferte, dass er sich selbst im Rennen einen haarsträubenden Fehler leistete und sich in Turn 4 drehte - es störte ihn kaum.

"Ich bin heute kein Rennen gefahren, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Ich habe versucht, Punkte zu bekommen. Das nächste Rennen wird von der Herangehensweise ein anderes", kündigte er an und nahm den Ausrutscher auf sich.

Hamilton: "Die Hinterreifen waren tot"

"Als sie mich zum Pushen aufgefordert haben, dachte ich, dass ich nur eine Runde fahren sollte. Ich habe alles aus den Reifen rausgeholt, was ich gespart hatte. Als sie mir dann gesagt haben, ich soll weiterfahren, habe ich weiter gepusht. Ich hatte wohl Graining. Die Hinterreifen waren tot und ich habe den Grip verloren", so Hamilton.

ANALYSE Hamilton: "Ich war deutlich schneller"

Dass er anschließend wieder an seinen Teamkollegen herankam, wertete er als Zeichen für seine Überlegenheit: Er habe die bessere Pace gehabt. Das wollte Rosberg allerdings so nicht auf sich sitzen lassen.

"Schon im ersten Stint konnte ich die Lücke kontrollieren. Ich habe nur sichergestellt, dass er nicht in den Bereich kommt, in dem er eine Attacke starten kann", so der gebürtige Wiesbadener: "Als er sich gedreht hat, habe ich mehr Reifen gespart als gewöhnlich."

Beste Werbung für die Formel 1

Wer Recht hatte, ist letztlich unbedeutend. Der Zweikampf der beiden an der langen Leine gehaltenen Mercedes-Piloten war beste Werbung für die Formel 1.

11 Doppelsiege und 30 Podiumsplatzierungen von einem Team in einer Saison bedeuten neue Rekorde. Dennoch ist die WM glücklicherweise bis zum Ende offen, weil die Teamverantwortlichen schlechte Presse durch Karambolagen ihrer Fahrer nicht von vornherein verboten.

"Uns steht beim Finale in Abu Dhabi ein echter Thriller bevor. Egal, wie es dort ausgehen wird: Beide Fahrer wären am Ende einer fantastischen Saison ein absolut würdiger Weltmeister", schob Motorsportchef Toto Wolff möglichen Diskussionen einen Riegel vor und machte dem derzeitigen Zweiten noch mal Mut: "Psychologisch war das hier für Nico ein sehr wichtiger Sieg."

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

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