McLaren droht ein Desaster

Von Alexander Mey
In einer Startaufstellung standen zwei McLaren 2005 zum letzten Mal auf den Plätzen 17 und 18
© Getty

Verkehrte Welt in der Formel 1. Im Training zum ersten Saisonrennen in Melbourne war nichts mehr so, wie man es aus den vergangenen Jahren kannte. Ferrari dominierte nicht, stattdessen meldeten frühere Hinterbänkler wie Williams, Honda-Nachfolger Brawn GP, Toyota und Red Bull Ansprüche auf Top-Startplätze beim Australien-GP an. Und McLaren-Mercedes? Das Team des Weltmeisters steht vor einem beispiellosen Debakel.

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Platz 17 und Platz 18. Beim Blick auf den Zeitenmonitor musste man sich verwundert die Augen reiben, wenn man die Namen Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen suchte. Der Weltmeister und sein Teamkollege schafften es in drei Trainingsstunden gerade mal vor Renaults Nummer zwei Nelson Piquet Jr. und Formel-1-Neuling Sebastien Buemi.

Die Testzeiten ließen ja schon darauf schließen, dass McLaren-Mercedes einen schwierigen Saisonstart haben würde, aber so schwierig? "Ich bin überhaupt nicht zufrieden. Ich sehe uns im letzten Drittel des Feldes, das ist keine Tiefstapelei, das ist die Realität. Wir sind nicht da, wo wir hingehören", stellte ein sichtlich ernüchterter Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug fest.

Zwar ist sich Haug sicher, dass die Silberpfeile noch um einiges schneller gekonnt hätten, wenn sie mit wenig Benzin gefahren wären, aber das wird für die meisten Konkurrenten ebenfalls gelten.

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Düstere Prognose von Haug

Entsprechend düster fällt seine Prognose für das Qualifying (Sa., 6.45 Uhr im LIVE-TICKER) aus: "Wir können sicher nicht in die ersten Startreihen fahren. Wir werden uns zwischen den Startplätzen 13 und 20 bewegen."

Realistisch betrachtet können Hamilton und Kovalainen bei normalem Quali-Verlauf fünf Autos schlagen. Die beiden Force India, die beiden Toro Rosso und Piquet Jr. im Renault. Jeder Platz weiter vorne wäre schon positiv zu bewerten. Heißt im Klartext: Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass ein Silberpfeil in der ersten Quali-Runde scheitert.

Rosberg "sehr positiv überrascht"

Zumindest in Melbourne scheint sogar Williams außer Reichweite zu sein. Das deuten die beeindruckenden Bestzeiten von Nico Rosberg in den Freitagstrainings an.

"Ich bin sehr positiv überrascht. Man darf das Ergebnis zwar nicht überbewerten, aber es war auch nicht so, dass wir mit leerem Tank gefahren sind. Das ist schon toll", war Rosberg selbst überrascht. "Das Auto hat sich super angefühlt. Vor allem in den schnellen Passagen kann ich richtig attackieren."

Dass Rosberg trotz der starken Zeiten plötzlich ein Favorit auf die Pole-Position oder gar den Sieg ist, glaubt Haug nicht. "Der Williams ist gut, aber ich wage zu bezweifeln, dass er am Samstag dort stehen wird, wo er jetzt steht", sagte der Mercedes-Sportchef.

Brawn GP kann noch schneller

Die Top-Favoriten auf die ersten Startreihen sind andere. Brawn GP und Ferrari sind die heißesten Tipps. Während die Scuderia im Training mit den Plätzen zehn und elf noch längst nicht alle Karten auf den Tisch legte, bestätigte Brawn GP mit den Rängen zwei und fünf, dass die beeindruckenden Testzeiten kein Bluff mit leichtem Auto waren.

"Unser Speed ist ganz ordentlich, vor allem bei den Long-Runs", resümierte Jenson Button. Eine Beobachtung, die vor allem dadurch unterstrichen wird, dass sein Teamkollege Rubens Barrichello seine schnellste Rundenzeit während eines Long-Runs auf weichen Reifen fuhr. Es geht also ohne Benzin und mit frischen Reifen noch deutlich schneller.

Neue Gegner für Ferrari

Gleiches gilt für Ferrari. "Wir konnten im Training sehen, dass unsere Leistung auf Long-Runs konstant ist, aber für das Qualifying müssen wir uns auf eine schnelle Runde noch steigern", sagte Chefstratege Luca Baldiserri.

Teamchef Stefano Domenicali fasste zusammen: "Nach drei Stunden Training sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber die ersten Anzeichen sprechen für das, was wir schon bei den Wintertests gesehen haben. Die Hackordnung der vergangenen Jahre wurde etwas umgekrempelt, nun haben wir mehr und andere Gegner."

Glock und Vettel nicht unzufrieden

Zu diesen Gegnern gehören auch Toyota und Red Bull mit den deutschen Piloten Timo Glock und Sebastian Vettel. Während Glock mit Platz sechs ein sehr gutes Training absolvierte, hatte Vettel trotz Position acht viele Probleme. In der ersten Session stoppte ihn ein Hydraulikdefekt früh, in der zweiten Session flog er 30 Minuten vor Schluss ab.

"Im Prinzip bin ich mit unserem Tag zufrieden, aber ich muss sagen, dass die erste Einheit für mich besser lief als die zweite", sagte Glock. Vettel zog das Positive aus dem verkorksten Tag: "Es sieht ganz gut aus, wenn man bedenkt, wie viel Zeit wir auf der Strecke zur Verfügung hatten. Lasst uns einmal abwarten, wie es am Samstag laufen wird."

Auch Nick Heidfeld war trotz des mäßigen 14. Platzes grundsätzlich zufrieden mit seinem BMW-Sauber. Allerdings passt das Set-Up des Autos noch nicht. Vor allem Robert Kubica beschwerte sich bitterlich über zu wenig Grip.

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