Strafe? "Das ist lächerlich"

Von Alexander Mey
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© xpb

Ferrari hat es wieder einmal getan. Erstmals seit langem bediente sich die Scuderia beim China-GP in Schanghai der Stallorder. Das Team schleuste Felipe Massa an Kimi Räikkönen vorbei, um im Titelkampf gegen Lewis Hamilton die eigenen Träume am Leben zu erhalten. Denn der McLaren-Mercedes-Pilot fuhr bei seinem Sieg in einer eigenen Liga.

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94 zu 87 steht es vor dem Saisonfinale in Brasilien für Hamilton gegen Massa. Bei den Konstrukteuren führt Ferrari gegen McLaren-Mercedes mit 156 zu 145 Punkten. Wieder hat Hamilton vor dem letzten Rennen sieben Punkte Vorsprung, genau wie 2007, als er den Titel noch verlor.

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Trotzdem gab es nach dem Triumph in China erst einmal nur Freude. "Gott war das ganze Wochenende mit uns. Das ist ein weiterer Schritt zum Titel und auf dem Weg zu meinem Traum", sagte Hamilton. Massa konnte nach dem geschenkten zweiten Rang nur festhalten: "Heute war es unmöglich, diesem Kerl zu folgen. Aber es ist noch nicht zu Ende."

"Let Michael pass for the Championship"

Bei Ferrari war es in Schanghai ein bisschen wie damals in Österreich, als der damalige Teamchef Jean Todt Rubens Barrichello ins Cockpit funkte: "Let Michael pass for the Championship." Barrichello tat es und sorgte damit dafür, dass Stallorder seitdem offiziell verboten ist.

Folglich gab es diesmal keinen Funkspruch an Räikkönen, als Massa wenige Runden vor Schluss hinter ihm lag. Aber es gab sicher ein klärendes Gespräch vor dem Rennen. Und es gab den gesunden Menschenverstand des Iceman. Er ging auf der langen Geraden vom Gas - etwas zu offensichtlich vielleicht - und stellte die richtige teaminterne Reihenfolge her.

Ferrari-Verantwortliche flunkern

"Ich weiß, was das Team erwartet und was wir wollen, das ist Rennsport", sagte Räikkönen nach dem Rennen. "Ich habe nichts zu verlieren oder zu gewinnen - ich fahre für das Team."

Erfrischend ehrliche Worte des noch amtierenden Champions, obwohl auch er sich hütete, die Stallorder offen zuzugeben. Mit Recht, schließlich ist sie verboten und ein offenes Bekenntnis könnte die FIA veranlassen, Strafen auszusprechen.

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Ob man deshalb aber gleich so unverblümt flunkern muss wie andere Ferrari-Verantwortliche, ist fraglich. "Das war keine Teamorder. Um Gottes Willen", sagte Massas Renningenieur Rob Smedley im Premiere-Interview. Offensichtlich hatte er Angst davor, durch eine etwas ehrlichere Aussage sein Team zu belasten.

McLaren "würde das gleiche tun"

Dabei nimmt eigentlich niemand der Scuderia den Platztausch so richtig übel. "Es war unvermeidbar, dass Kimi Felipe vorbeilassen würde. Das hat mich auch nicht verwundert und war überhaupt nicht schlimm", sagte Sieger Hamilton. "Wir würden in so einer Situation vermutlich das gleiche tun."

Folgerichtig verzichtete McLaren-Mercedes darauf, bei der FIA gegen die Aktion von Ferrari Protest einzulegen. "Ich glaube nicht, dass da etwas gemacht wird", sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug.

Erstaunliche Einigkeit unter den sonst so stark konkurrierenden Bossen. "Es ist lächerlich, auch nur an eine Strafe zu denken", sagte Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali gegenüber Premiere. "Dann könnte ich auch nach Hockenheim fragen, als Kovalainen damals Hamilton vorbeigelassen hat. Da ist auch nichts passiert. Es war normaler Rennsport."

Haug wettert gegen Geschenke für Massa

Ferraris Stallorder war also keine Bestrafung wert, das sehen alle Betroffenen so. Sportlich einwandfrei war sie deshalb aber noch lange nicht, zumindest nicht für Haug.

Er rechnete nach dem Rennen vor, wie viele Punkte Hamilton während der Saison wegen fragwürdiger Situationen gegenüber Massa schon verloren hat.

Da seien vor allem die sechs Punkte, die Massa in Spa auf Hamilton gutgemacht hat. Hamilton wurde nach dem Kampf gegen Räikkönen von Platz eins auf drei zurückversetzt, Massa rückte dadurch von zwei auf eins auf.

Dazu rechnete Haug noch den einen Punkt, den Massa nach der Strafe gegen Bourdais in Fuji erbte, und die zwei Zähler durch den Platztausch in China.

"Mit diesen Punkten wären wir am Ziel"

"Mit diesen Punkten wären wir hier schon am Ziel gewesen. So kann eine WM entschieden werden. Wenn das nach so einer tollen Saison passieren würde, wäre das sicher nicht okay", sagte Haug.

So ärgerlich das für die Silbernen sein mag, so schön ist es für den neutralen Fan. Denn der darf sich auf einen ebenso packenden Showdown in Brasilien freuen wie im vergangenen Jahr.

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