"Ich bin der gleiche Chaot wie früher"

Von Interview: Alexander Mey
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© Getty

München - Wer ist der Gewinner der Formel-1-Saison 2007: Kimi Räikkönen? Lewis Hamilton? Nick Heidfeld? Nico Rosberg? Sicher alles Kandidaten, die den Titel verdient hätten, aber den neben Hamilton unglaublichsten Aufstieg hat ein anderer hingelegt - Sebastian Vettel. 

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Vom Teilzeit-Testfahrer bei BMW-Sauber wurde der 20-Jährige innerhalb nur weniger Monate zum Hoffnungsträger eine ganzen Motorsportnation. Vettel fährt seit Mitte des Jahres für Toro Rosso, und das verdammt eindrucksvoll.

Schnell hatte Vettel in der Presse den Beinamen "Bubi-Schumi" weg, eine Hommage an Michael Schumacher, nach dessen Nachfolger Deutschland lechzt und dessen Klon man in Vettel gefunden zu haben glaubt. Hohe Erwartungen, die er aber im SPOX.com-Interview gelassen nimmt: "Wenn man einen gesunden Menschenverstand hat, kann man sehen, dass Michael und ich genetisch nichts miteinander zu tun haben. Darüber hinaus macht es wenig Sinn, irgendjemanden mit ihm zu vergleichen."

Einem Vergleich mit Schumi will Vettel jedoch nicht aus dem Weg gehen. Am Sonntag tritt er gemeinsam mit ihm beim Race of Champions an, dem alljährlichen Spektakel, bei dem sich die besten Motorsportler aus allen Klassen der Welt miteinander messen. "Das wird ein großartiger Event und macht mit Sicherheit sehr viel Spaß. Und es geht auch um die Wurst", prophezeit Vettel.

Im Londoner Wembley-Stadion darf Vettel tun, was er liebt: Rennen fahren. Doch nur damit ist es in der Formel 1 nicht getan. Pressetrubel, Jetset-Leben, Parties, Groupies. All das stürzt auf einen jungen Fahrer ein. Natürlich auch auf Vettel. Doch der beschreibt SPOX seine ganz eigene Art, mit dem Tohuwabohu um seine Person umzugehen.

SPOX: Hallo Herr Vettel. Wie sehr nervt Sie eigentlich "Bubi-Schumi"?

Sebastian Vettel: Mich stört es nicht, weil ich es nicht lese. Wenn man einen gesunden Menschenverstand hat, kann man sehen, dass Michael und ich genetisch nichts miteinander zu tun haben. Darüber hinaus macht es wenig Sinn, irgendjemanden mit ihm zu vergleichen. Er ist eine Legende und hat den Sport geprägt wie kein anderer. Aber es ist klar: Michael hat die Formel 1 in Deutschland wieder zum Leben erweckt. Folglich wird jeder, der irgendwie auf vier Rädern unterwegs ist, mit ihm verglichen. In Spanien ist das nicht anders. Jeder Junge, der ein Kartrennen gewinnt, ist sofort der neue Alonso.

SPOX: Sie fahren mit Schumacher zusammen das Race of Champions.

Vettel: Ja. Das wird ein großartiger Event und macht mit Sicherheit sehr viel Spaß. Und es geht auch um die Wurst. Sobald ein Rennfahrer den Helm aufsetzt, ist er am Kämpfen. Das macht es am Ende aus: Man duelliert sich mit den besten Fahrern der Welt.

SPOX: Wie sehr haben Sie Schumachers Bestzeiten bei den Tests in Barcelona überrascht?

Vettel (lächelt verschmitzt): Sagen wir mal so: Bevor er aufgehört hat, war er ja ein ziemlich Guter. Er hat sich nicht irgendwie über Wasser gehalten, sondern er hat bestimmt, wo es langgeht. Man kann da durchaus von sehr viel Erfahrung und Talent sprechen. Das hat er natürlich nicht verloren. Dennoch: Nach einem Jahr sofort da weiterzumachen, wo man aufgehört hat, ist sicher nicht leicht. Das hat er aber getan. Davor muss man den Hut ziehen.

SPOX: Was haben Sie von dem Jahr 2007 erwartet, als es losging?

Vettel: Nichts. Ich war sehr zufrieden damit, als dritter Fahrer bei BMW-Sauber bestätigt worden zu sein. Dazu wollte ich die Renault World Series gewinnen. Plötzlich saß ich dann in Indianapolis im Auto und bin mein erstes Rennen gefahren. Damit hätte ich nie gerechnet. Als Testfahrer kann so was natürlich immer mal passieren. Aber im Prinzip ist man nah dran und trotzdem immer weit weg vom Renneinsatz. Nach dem Rennen in Indy ist dann ziemlich viel in Bewegung gekommen.

SPOX: Toro Rosso hat Ihnen einen Stammplatz angeboten. Haben Sie einen Moment überlegt, nicht zuzugreifen?

Vettel: Nein, ich habe keine Sekunde gezögert.

SPOX: Mit welchen Leuten haben Sie über den Wechsel gesprochen?

Vettel: Mit meiner Familie natürlich. Das habe ich immer so gemacht, wenn es um etwas ging. Letztlich muss man solche Sachen aber vor allem mit sich selbst ausmachen. Dann kann man sich danach auch nichts vorwerfen.

SPOX: Würden Sie jetzt auch im Toro Rosso sitzen, wenn Sie in Indy kein Rennen gefahren wären?

Vettel: Das Rennen war schon sehr wichtig, denn als Testfahrer hatte man es in diesem Jahr extrem schwer zu zeigen, was man kann. Die wenigen Tests sind meistens die Stammfahrer gefahren. Vor dem Wochenende in Indy hatte ich zum letzten Mal im Februar im Auto gesessen. Da von Anfang an auf dem Niveau der Stammfahrer zu sein, ist fast unmöglich. Mir hat das Rennen zum einen persönlich sehr geholfen, weil ich gemerkt habe: Okay, es geht noch! Zum anderen sind die übrigen Teams natürlich auf mich aufmerksam geworden.

SPOX: Wie ist das Verhältnis zu Mitbesitzer Gerhard Berger?

Vettel: Den Gerhard Berger kennt man von früher aus dem Fernsehen. Aber natürlich nicht nur daher. Ich hatte auch zu meiner Zeit als Red-Bull-Junior ein paar Mal die Chance, mit ihm zu sprechen. Ich komme sehr gut mit ihm und auch mit Teamchef Franz Tost aus. Beide sind sehr ehrgeizig und nicht in der Formel 1, um hinterher zu fahren.

SPOX: Berger überschüttet Sie mit Lob. Wird das irgendwann unheimlich?

Vettel: Ich lese das alles eigentlich kaum. Natürlich freut mich das und macht mich stolz, aber es ist eben nur eine Beurteilung der erbrachten und nicht der zukünftigen Leistung. Dafür macht mich das Lob nicht schneller.

SPOX: Berger hat im SPOX-Interview bestätigt, dass Sie auf jeden Fall auch nach 2008 in der Red-Bull-Familie bleiben werden.

Vettel (zuckt mit dem Schultern): Wenn der Chef das sagt. Ich widerspreche meinem Chef nie, aber sagen tue ich zu meiner Vertragssituation nichts.

SPOX: Was gefällt Ihnen an der Formel 1 am meisten?

Vettel: Ganz klar, das Fahren an sich.

SPOX: Und was am wenigsten?

Vettel: Da fällt mir nichts Wesentliches ein. Es gehört irgendwie alles dazu. Überrundet werden mag ich nicht.

SPOX: Was ist mit dem Jetset-Leben, den Partys?

Vettel: Ich bin nicht so der Partylöwe, der bis in die frühen Morgenstunden der Karawane hinterher läuft. Wenn es etwas zu feiern gibt, habe ich kein Problem, das zu tun. Aber ich muss nicht auf jeder Red-Bull-Party vor Ort sein. Mein Leben hat sich durch die Formel 1 nicht verändert, schon gar nicht in Richtung Jetset-Leben. Ich bin im richtigen Elternhaus groß geworden, das mich immer daran erinnert, wo ich herkomme. Es gibt keinen Grund, zum Partylöwen zu mutieren. Ich glaube, ich bin immer noch der gleiche Chaot wie früher (lacht).

SPOX: Was machen Sie in der rennfreien Zeit?

Vettel: Schlafen.

SPOX: Nur schlafen?

Vettel: Klar nutzt man die Zeit zu Hause auch, um Kumpels zu treffen.

SPOX: Können Sie in Heppenheim noch ganz normal ein Bier trinken gehen?

Vettel: Ja klar, mit Groupies habe ich da noch keine Probleme.

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