"Oh wie ist das schön"

Von Florian Regelmann
3 Spiele, 3 Siege: Das DEB-Team gewann ungeschlagen den Deutschland Cup
© spox

Pat Cortina hat mit dem Sieg beim Deutschland Cup ein furioses Debüt als neuer DEB-Coach gefeiert. SPOX nimmt die einzelnen Mannschaftsteile unter die Lupe und mahnt trotz viel Grund für Optimismus zur Vorsicht.

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Torhüter:

44 Dennis Endras

72 Rob Zepp

1 Dimitrij Kotschnew

Es bleibt dabei: Wenn sich Deutschland auf etwas verlassen kann, dann auf exzellente Goalie-Leistungen. Bei allen drei Siegen wurde der DEB-Keeper zum besten Spieler des Spiels gewählt. Rob Zepp gegen Kanada, Dennis Endras gegen die Schweiz und zum Abschluss Dimitrij Kotschnew gegen die Slowakei. Endras und Kotschnew feierten sogar Shutouts.

Auch wenn planmäßig alle drei Keeper zum Einsatz kamen, gibt es keinen Zweifel, wer die Nummer eins ist. Endras bleibt der Go-to-Guy. Der WM-MVP von 2010 stand im wichtigsten Spiel, dem Prestigeduell gegen die Schweiz, zwischen den Pfosten und lieferte einmal mehr eine bärenstarke Performance im DEB-Dress ab.

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Sein Save 23 Sekunden vor Schluss gegen den frei vor dem Tor stehenden Ryan Gardner hielt den deutschen Sieg gegen die Eidgenossen fest und war im Endeffekt die Parade des Turniers. Endras knüpfte damit auch an seine Top-Leistungen für Mannheim in der DEL an (2.21 GAA, 93% SV).

Wie stark Deutschland im Tor besetzt ist, zeigt ein Blick auf die Goalies, die nicht mal dabei waren. Haie-Keeper Danny Aus den Birken hat aktuell die besten Stats aller DEL-Keeper vorzuweisen (1.78 GAA, 94% SV), auch Münchens Star-Keeper Jochen Reimer könnte man im DEB-Team jederzeit bedenkenlos bringen.

Verteidigung:

15 Jens Baxmann - 48 Frank Hördler

77 Nikolai Goc - 91 Moritz Müller

6 Florian Ondruschka - 34 Benedikt Kohl

43 Felix Petermann - 82 Sinan Akdag

Alle NHL-Verteidiger (Christian Ehrhoff, Dennis Seidenberg, Alexander Sulzer) fehlten, auch Korbinian Holzer (AHL) und Ex-NHL-Crack Christoph Schubert waren nicht dabei, aber die deutsche Verteidigung machte trotz der prominenten Ausfälle einen famosen Job. Pat Cortina setzte in allen drei Spielen auf vier feste Pärchen, von denen jedes überzeugte. Als klares Top-Duo stach die Eisbären-Connection mit Frank Hördler und Jens Baxmann heraus.

In Abwesenheit der NHL-Stars ist Hördler der klare Nummer-eins-Verteidiger. Der Berliner gehört in der DEL aktuell zu den Top 5 der besten Offensiv-Verteidiger (10 Scorerpunkte, 5+5), ist aber defensiv ebenfalls absolut zuverlässig.

Nur 2 Gegentore in 3 Spielen

Insgesamt ist das Defensivverhalten von Spiel zu Spiel besser geworden und erinnerte an die Spielweise unter Uwe Krupp. Unglaublich diszipliniert, hart, leidenschaftlich, bissig - das sind die Adjektive, die eine deutsche Eishockey-Nationalmannschaft auszeichnen müssen. Und die sie beim Debüt unter Cortina jetzt auch wieder lebte.

Die Mannschaft verkörperte die Philosophie und Mentalität ihres neuen Coaches nahezu perfekt. Die Handschrift Cortinas war klar zu erkennen. Jeder schmiss sich mit letztem Einsatz in die Schüsse des Gegners, jeder gab von Minute 1 bis 60 Vollgas.

Das Ergebnis: Es wurden nur wenige Chancen zugelassen, auch das Penalty Killing war top. In 180 Minuten kassierte das DEB-Team so nur 2 Gegentore, und eines davon war sogar ein etwas chaotischer kanadischer Special-Teams-Treffer kurz vor Schluss. Bei numerischer Gleichzahl blieb Deutschland die letzten 137 Minuten ohne Gegentor.

3:2, 2:0, 2:0 - es sind genau die Low-Scoring-Ergebnisse, die Deutschland braucht, um Spiele zu gewinnen.

Sturm:

25 Marcel Müller - 18 Kai Hospelt - 39 Thomas Greilinger

87 Philip Gogulla - 47 Christoph Ullmann - 16 Michael Wolf

89 David Wolf - 54 Garrett Festerling - 9 Jerome Flaake

17 Marcus Kink - 86 Daniel Pietta - 28 Frank Mauer

55 Felix Schütz - 29 Alexander Barta - 26 Martin Buchwieser

Nicht nur in der Verteidigung fehlten der DEB-Auswahl einige Hochkaräter, auch im Sturm. So musste Cortina nicht nur auf NHL-Star Marcel Goc verzichten, auch Andre Rankel (gemeinsam mit Michael Wolf und Philip Gogulla der beste deutsche Scorer in der DEL) sagte aus privaten Gründen ab. Mit John Tripp und Patrick Reimer fehlten weitere feste Größen.

Aber auch im Angriff wurde das bestens kompensiert. Es bleibt zwar dabei, dass Deutschland traditionell Probleme mit der Chancenverwertung hat, aber das ändert nichts daran, dass alle Linien läuferisch überzeugten und viel Zug zum Tor hatten.

Ein Blick auf das Schussverhältnis der drei Spiele (94:70) zeigt schon, dass das DEB-Team größtenteils dominierte und völlig verdient zum fünften Mal den Deutschland Cup gewann. Die deutschen Topscorer des Turniers waren wenig überraschend Michael Wolf (5 Scorerpunkte, 0+5) und Philip Gogulla (3, 1+2).

Freezers-Reihe überzeugt

Wolf bewies einmal mehr, dass er ein perfekter Captain ist. Der Iserlohner ist bekanntermaßen ein absoluter Torjäger (schon wieder 9 DEL-Tore diese Saison), aber er ist aufgrund seiner Arbeitseinstellung auch wichtig fürs Team, wenn er wie jetzt trotz bester Chancen mal nicht das Schussglück auf seiner Seite hat. Das macht ihn aus.

Cortina fand insgesamt eine gute Mischung aus offensivgeprägten Linien und Arbeiter-Reihen. Besonders stark: die Freezers-Linie mit David Wolf, Garrett Festerling und Jerome Flaake. Das Trio musste beim Sieg gegen Kanada noch zuschauen und war dann gegen die Schweiz und die Slowakei ein belebendes Element. Festerling schoss zudem das vorentscheidende 2:0 gegen die Slowaken.

Der 22-jährige Flaake (15 Scorerpunkte in der DEL aktuell), der 2008 von den Toronto Maple Leafs gedraftet wurde, hat genauso NHL-Potenzial wie Marcel Müller (24 Jahre). Müller hat bereits drei NHL-Einsätze für die Maple Leafs auf dem Konto und spielt seit dieser Saison in Schweden für MODO Hockey Örnsköldsvik. Und das gut - er gehört zu den Topscorern seines Teams. Müller ist neben Alex Barta (Rögle) der zweite Schweden-Legionär im Team.

Eine etwas unglückliche Figur machte eigentlich nur Martin Buchwieser. Der Local Hero konnte sich gegen Kanada nicht in Szene setzen, saß gegen die Schweiz auf der Tribüne und musste gegen die Slowakei nach einer frühen - und unglücklichen - Spieldauerstrafe in die Kabine. Buchwieser ist einer der besten Torschützen der Liga, in der Nationalmannschaft hat er aber noch nicht seinen Platz gefunden.

Ausblick:

Bei aller Freude über den furiosen Cortina-Einstand ist Vorsicht angesagt. Man darf nicht vergessen, dass die WM-Vorbereitung unter Jakob Kölliker hervorragend lief. Dann folgte eine katastrophale WM und schon war alles schlecht, was Kölliker jemals gemacht hatte. So einfach ist es natürlich nicht.

Kölliker passte mit seiner Philosophie (u.a. mit seiner umstrittenen Mann-gegen-Mann-Verteidigung) nicht zum Team, aber es bleibt abzuwarten, wie sich die Mannschaft unter Cortina nach einem starken Anfang weiterentwickelt.

Die Konkurrenz beim Deutschland Cup war zweifellos nicht die beste. Die Slowakei hatte nur wenige Spieler dabei, die Mitglied der Vize-Weltmeister-Mannschaft aus diesem Jahr waren. Team Canada trat mit einer völlig belanglosen DEL-Truppe zu einem für sie völlig belanglosen Turnier an. Und das Spiel gegen die nach wie vor talentierteren Schweizer, die eine Art Deutschland-Komplex entwickelt haben, hätte auch anders ausgehen können, wenn man ehrlich ist.

Olympia-Qualifikation als großes Ziel

Dennoch: "Oh wie ist das schön"-Gesänge und eine La-Ola-Welle sind für die deutsche Nationalmannschaft eine sehr wohltuende Momentaufnahme, wenn man noch das 4:12 gegen Norwegen und das 1:8 gegen Tschechien von der letzten WM als letzten Eindruck im Kopf hatte.

Das nächste Ziel ist die Olympia-Quali (7.-10. Februar 2013 in Bietigheim-Bissingen), bei der Deutschland auf Italien, Österreich und die Niederlande trifft. Nur der Sieger qualifiziert sich für Sotschi, angesichts der Gruppe ist das logischerweise Pflicht. Die Niederländer qualifizierten sich überraschend durch ein 7:6 nach Penaltyschießen gegen Ungarn für das Turnier. Deutschland und die Niederlanden standen sich im Eishockey übrigens zuletzt 2000 bei der B-WM in Polen (5:1-Sieg) gegenüber.

Bei der WM 2013 bekommt es das DEB-Team dann in der Gruppe B in Helsinki mit Russland, Finnland, USA, Slowakei, Lettland, Frankreich und Österreich zu tun. Eine Viertelfinale-Qualifikation ist - wie immer - schwierig, aber sicher nicht unmöglich. Nach dem Eindruck des Deutschland Cups darf man auf jeden Fall wieder deutlich mehr Hoffnung haben als nach der letzten WM. Pat Cortina Eishockey und der DEB - das passt.

Der Spielplan der Eishockey-WM 2013

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