NBA - Fünf Fragen zur Verletzung von Kevin Durant: Ein Donnerschlag für die komplette Liga

Philipp Jakob
13. Juni 201906:36
Kevin Durant hat sich in Spiel 5 der NBA Finals offenbar einen Riss der Achillessehne zugezogen.getty
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Kevin Durant hat sich bei seinem Comeback in Spiel 5 der NBA Finals einen Riss der rechten Achillessehne zugezogen und sich bereits einer Operation unterzogen. Hätte die schlimme Verletzung verhindert werden können? Wie geht es nun für die Golden State Warriors in den Finals und für KD in der Offseason weiter? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

1. Was ist passiert?

Über mehrere Wochen hinweg dominierte in den US-amerikanischen Medien eine Frage die Berichterstattung der NBA Playoffs: Brauchen die Warriors überhaupt Kevin Durant?

Nach dessen Wadenzerrung in Spiel 5 der Western Conference Semifinals gegen die Houston Rockets musste der Superstar der Dubs lange pausieren. Währenddessen schickten seine Kollegen erst die Rockets und dann die Portland Trail Blazers, die sogar problemlos per Sweep, nach Hause. Sind die Warriors also ohne KD nicht eigentlich viel besser dran?

Im Laufe der NBA Finals wurde aber von Spiel zu Spiel offensichtlicher: Die Antwort ist ein klares Nein. Die Warriors brauchen Durant, wenn sie Kawhi und die Raptors schlagen und den Threepeat perfekt machen wollen. Erst recht, wenn Toronto nur noch einen Sieg davon entfernt ist, den amtierenden Champion vom Thron zu stoßen.

Vier Wochen lang haben die Warriors-Fans also mal mehr, mal weniger sehnsüchtig auf die Rückkehr von KD gewartet. In Spiel 5 der Finals war es dann endlich soweit.

Und was für ein Comeback das war! Durant legte los wie die Feuerwehr, schweißte seine ersten drei Dreier durch die Reuse und hatte nach zwölf Minuten elf Zähler auf dem Konto. Dann kam der Schock.

Kevin Durant verletzt sich bei seinem Comeback in den Finals

Gut zwei Minuten waren im zweiten Abschnitt absolviert, als Durant auf dem rechten Flügel eine Attacke gegen Serge Ibaka startete. Beim Antritt schien jedoch, gut sichtbar in den verlangsamten Fernsehaufnahmen, seine rechte Wade zu explodieren. Durant humpelte sofort Richtung Seitenlinie und ging zu Boden.

Mit der Unterstützung der Teamkollegen schleppte sich der 30-Jährige schließlich in die Kabine, später verließ er die Arena mit Krücken und in einem dicken Schutzschuh am rechten Fuß. Wie die Franchise später bekanntgab, handelt es sich wohl um eine Verletzung an der Achillesferse. Für eine weitere Untersuchung flog KD am Dienstag nach New York. Am Mittwochabend bestätigte der Superstar in einem emotionalem Post via Instagram, dass er sich die Achillessehne gerissen und sich bereits einer Operation unterzogen habe.

An einem Abend, der einer emotionalen Achterbahnfahrt glich, gewannen die Warriors Spiel 5 der NBA Finals und blieben damit vorerst am Leben. Gleichzeitig verloren sie ihren besten Spieler mit einer schlimmen Verletzung. "Es ist ein unglaublicher Sieg und eine grausame Niederlage zur selben Zeit", brachte der aufgewühlte Steve Kerr die Situation in Golden State gut auf den Punkt.

2. Kam das Comeback von Kevin Durant zu früh?

Nicht nur Head Coach Kerr war nach dem 106:105-Sieg der Dubs und dem erneuten Ausfall von Kevin Durant sichtlich ergriffen. Alle Spieler zeigten sich nach Spielschluss geschockt, wirklich gefeiert wurde der so wichtige Sieg gegen die Raptors entsprechend nicht.

Den emotionalsten Auftritt hatte jedoch Bob Myers. Der Teampräsident der Warriors war bei den ersten Untersuchungen in der Kabine an KDs Seite. Medienberichten zufolge herrschte dort eine bedrückende Stimmung. Auf der Pressekonferenz nach der Partie war es schließlich Myers' Aufgabe, die unerfreulichen Neuigkeiten zu verbreiten.

"Kevin hat eine Achilles-Verletzung. Ich kenne noch nicht das Ausmaß", begann der 44-Jährige bei dem Versuch, seine Tränen zu unterdrücken. "Bevor er zurückkam, hat er vier Wochen lang mit einem medizinischen Team gearbeitet. Es war gründlich, mehrere Experten waren involviert, es gab mehrere Untersuchungen, mehrere Ärzte."

Natürlich wollten die Warriors beim Comeback von Kevin Durant kein Risiko eingehen, dennoch wurde Golden State anschließend in einer teils heuchlerischen Diskussion kritisiert: Kam KDs Rückkehr zu früh? Warum stand er in zwölf der ersten 14 Minuten auf dem Parkett? Warum gab es kein Minutenlimit?

Myers nimmt Durant in Schutz: "Die Leute lagen falsch"

"Er hat heute die Freigabe bekommen, das war eine gemeinsame Entscheidung. Ich weiß nicht, ob man dafür irgendjemandem die Schuld geben kann", erklärte Myers weiter. Dennoch sah er die Kritik offenbar schon kommen: "Wenn Sie jemandem die Schuld geben müssen, geben Sie sie bitte mir. Ich leite unsere operative Basketball-Abteilung."

Schon nach seiner Wadenzerrung gegen die Rockets gab es Spekulationen, dass sich hinter der Verletzung mehr verstecken könnte, als die Warriors zugeben wollten. Dann gab es Gerüchte, dass KD seine Verletzung übertrieben darstelle und nicht spielen wolle, um vor der anstehenden Free Agency eventuell kein Risiko mehr einzugehen.

Diese Spekulationen verwies Myers auf der PK ins Reich der Fabeln, als er den Spieler und auch die Person Kevin Durant in Schutz nahm. "Er liebt es, Basketball zu spielen und die Leute, die in Frage gestellt haben, ob er zu diesem Team zurückkehren wollte, lagen falsch."

Warriors und Durant: Schuldfrage spielt keine Rolle

Es ist nicht auszuschließen, dass Durant das Comeback forciert hat, um seinem Team in einer schwierigen Situation zu helfen. Allerdings hat die Franchise dem selben Versuch von Klay Thompson vor Spiel 3 der Finals einen Riegel vorgeschoben. Wahrscheinlich ist, dass die Warriors dies auch bei KD getan hätten, egal ob er im Sommer das Team möglicherweise verlassen könnte oder nicht.

Vielleicht haben die Warriors gerade dies aber auch nicht getan, weil sie auf ein baldiges Comeback Durants in der Serie angewiesen waren. Es war offensichtlich, dass KD nicht komplett zu einhundert Prozent fit war. Sicherlich ist es auch kein Zufall, dass er am selben Bein verletzte, das durch die Wadenzerrung zuvor angeschlagen war.

Dennoch sollte die Schuldfrage keine allzu große Rolle spielen. Bei allen Verletzungen spielt auch immer eine große Menge Pech eine Rolle. Umso schlimmer ist es nun, dass es einen der, vielleicht sogar den besten Spieler der Welt mit einer potenziell karriereveränderten Verletzung getroffen hat.

3. Was bedeutet die Verletzung für die Warriors und die Finals?

Die Warriors werden in Spiel 6 und in einem potenziellen Spiel 7 erneut ohne Durant auskommen müssen, so viel ist klar. Damit geht der amtierende Champion mit einer ähnlichen Ausgangsituation in die Partie in Oakland (Freitag, ab 3 Uhr live auf DAZN) wie auch in den Spielen zuvor - nur mit dem Unterschied, dass ein mögliches KD-Comeback nicht mehr über der Mannschaft schwebt.

Stattdessen werden in erster Linie die Splash Brothers erneut in die Bresche springen und der Defense der Raptors Feuer unterm Hintern machen müssen. Das gelang in Spiel 5 ziemlich gut. Stephen Curry und Klay Thompson wirkten beide endlich mal wieder zu selben Zeit fit und schenkten Toronto 57 Zähler und 12 Dreier ein. Darunter waren in den finalen Minuten auch drei Triples des Duos in Folge, die Golden State auf die Siegerstraße brachten.

Ähnliche Heldentaten werden auch in den nächsten Spielen von Nöten sein. Doch die vorherigen Partien haben gezeigt: Wenn einer der Splash Brothers nicht bei einhundert Prozent ist, wird es für die Warriors extrem schwer.

Einerseits liegt das an der starken Defense Torontos, andererseits an den eingeschränkten Optionen der Dubs. Draymond Green und Andre Iguodala schafften es bisher nicht, Konstanz in ihre Offensiv-Leistungen zu bekommen.

Die Statistiken von Curry und Thompson in Spiel 5

MinutenPunkteReboundsAssistsTurnoverFG3FG
Stephen Curry41:113187410/235/14
Klay Thompson42:29266419/217/13

Raptors in den Finals: Kein Mitleid für die Warriors

DeMarcus Cousins leidet weiterhin unter den Nachwehen seiner Quadrizeps-Verletzung, Kevon Looney spielt unter großen Schmerzen und auf die restlichen Rollenspieler ist aufgrund mangelnder Tiefe ebenfalls kein wirklicher Verlass - nicht umsonst hatten Spieler wie Fans der Warriors das Comeback von Durant zuletzt mit großer Vorfreude erwartet.

Außerdem ist durchaus fraglich, ob Steph und Klay erneut ein ähnliches Offensiv-Feuerwerk abliefern können. Der Fokus der Raptors-Defense wird erneut fast ausschließlich auf dem Backcourt der Dubs liegen und Toronto wird verhindern wollen, dass die insgesamt 20 Triples der Warriors - für allein 12 waren die Splash Brothers verantwortlich - eine Wiederholung finden.

Gegen die Kein-KD-Version der Warriors konnte Toronto drei von vier Spielen der Finals für sich entscheiden, entsprechend werden die Kanadier auch in den restlichen Finals als Favorit in die Partie(n) gehen. Mitleid werden die Raptors definitiv keines haben.

4. Wie geht es für Kevin Durant in der Offseason weiter?

Die sportlichen Implikationen der Verletzung von Durant werden sich in den kommenden Tagen klären. Die Diskussionen über die weiteren Auswirkungen werden sich dagegen wohl noch ein paar Wochen hinziehen, bis zu Free Agency im Juli.

Die Faktenlage dürfte bekannt sein: Kevin Durant kann im kommenden Sommer vertragslos werden, sofern er seine Spieleroption bei den Warriors nicht zieht. Dieser Schritt galt über Monate hinweg als quasi sicher. Ändert sich Durants Vorgehensweise in der Offseason nun jedoch durch die Verletzung?

Für KD liegt eine Option für ein weiteres Jahr und 31,5 Millionen Dollar bei den Warriors auf dem Tisch, die er aber angeblich "nur im Notfalll" ziehen wolle. Ist dieser Achillessehnenriss und das womögliche Aussetzen der nächsten Saison ein solcher?

Eine solche Verletzung kann gravierende Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines NBA-Spielers haben, das zeigen zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit. Steigt der 30-Jährige also vielleicht doch aus seinem Vertrag aus und geht den Weg des sicheren Geldes mit einem langfristigen Vertrag? Einen weiteren risikobehafteten One-plus-One-Vertrag wird er wohl sicherlich nicht mehr unterschreiben.

Free Agency: Weiterhin viele Interessenten an Kevin Durant

Wie David Aldridge von The Athletic berichtet sind die Interessenten an KD weiterhin gewillt, Durant im Sommer einen dicken Vertrag anzubieten. Darunter sind laut Aldridge die Nets, Clippers, Lakers und auch die Knicks, die lange Zeit als Top-Favorit für Durants nächste Destination gehandelt wurden.

Auch Bobby Marks von ESPN ließ verlauten, dass die Verletzung die Top-Player in der Free Agency wohl nicht davon abhalten wird, Durant einen Maximalvertrag anzubieten. Golden State kann ihm in der Theorie mit einem Fünf-Jahresvertrag über 220 Mio. Dollar immer noch am meisten Geld auf den Tisch legen (alle anderen Teams nur vier Jahre und 164 Mio. Dollar).

Es ist davon auszugehen, dass auch die Dubs nicht zögern würden, Durant ein solches Angebot vor die Nase zu legen. Die Reaktionen nach Spiel 5 haben gezeigt, wie der zweimalige Finals-MVP trotz aller Querelen innerhalb der Organisation wertgeschätzt wird.

Alles deutet also daraufhin, dass Durant auch trotz des schweren Schicksalsschlags die Optionen im Sommer nicht ausgehen werden.

5. Was bedeutet Durants Verletzung für die New York Knicks?

Der Wunsch, Durant im Sommer ins Team zu holen, ist weiterhin ungebrochen, wenn man den jeweiligen Insidern Glauben schenken darf. Das ist in Anbetracht des überragenden Talents des zweimaligen Champs und zehnmaligen All-Stars keine allzu große Überraschung.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass Durant nach dem spekulierten Achillessehnenriss womöglich niemals mehr der Alte sein wird, sollte der im nächsten Sommer 31-Jährige nach seiner Regeneration dennoch weiterhin einiges im Tank haben.

Ob KD tatsächlich ein komplettes Jahr pausieren muss oder eventuell auch schon früher aufs Parkett zurückkehren könnte, hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise ob die Achillessehne komplett oder nur teilweise gerissen ist. Das Risiko, Durant mit einem Maximalvertrag zu locken, sollte es allen potenziellen Interessenten nichtsdestotrotz wert sein.

Für die Fans aller Franchises, die sich berechtige Hoffnungen auf Durantula machen durften, sind die Nachrichten der Verletzung natürlich trotzdem ein herber Schlag. Gerade die Knicks, die von vielen Experten und Insidern als sicherer zukünftiger Arbeitgeber Durants gehandelt wurden, werden ihre angepeilte Timeline zurück zum Erfolg nun wohl etwas anpassen müssen.

Spielen Kyrie Irving und Kevin Durant kommende Saison möglicherweise im gleichen Team?getty

New York Knicks: Warten auf Kevin Durant?

Eigentlich sah der Plan vor, dass Durant die Franchise aus dem Big Apple gemeinsam mit einem weiteren Star-Free-Agent wie beispielsweise Kyrie Irving zurück in einen Titelkandidaten transformieren soll. Je nachdem wie schwer die Verletzung von Durant nun wirklich ist, müssen sich die Knicks-Fans auch nach einer möglichen Verpflichtung KDs noch eine Zeit lang gedulden, bis erfolgreichere Zeiten auf die Knickerbockers zukommen.

Könnte dadurch vielleicht sogar Irving, über den schon lange als künftiger Partner von Durant spekuliert wird, einen anderen Weg als den an die Seite von KD einschlagen? Oder zieht sich vielleicht doch noch ein prominentes Team aus dem Rennen um den Superstar zurück? Diese Antworten wird wohl erst der Sommer liefern.