NBA - Carlos Boozer im Interview: "Den größten Kick bekommt LeBron James, wenn er einen schönen Pass spielt"

Frederik Harder
19. April 202110:00
Carlos Boozer spielte bereits in Cleveland mit LeBron zusammen und gewann später Olympia-Gold mit dem King.getty
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In Aschaffenburg geboren, in Alaska aufgewachsen - und später zweimaliger All-Star. Im Interview mit SPOX und DAZN spricht der ehemalige Bulls-Star Carlos Boozer über seinen ungewöhnlichen Werdegang, das Geheimnis von Coach Tom Thibodeau und erklärt, was LeBron James schon in jungen Jahren als Mitspieler bei den Cleveland Cavaliers ausgezeichnet hat.

Der heute 39-Jährige hängte 2015 seine Sneaker an den Nagel nach insgesamt 13 Jahren in der NBA und Stationen bei den Cleveland Cavaliers, Utah Jazz, Chicago Bulls und Los Angeles Lakers. In Chicago und Utah verbrachte er seine erfolgreichste Zeit, im Trikot der Jazz wurde er zweimal All-Star und erreichte 2007 die Western Conference Finals.

Der ganz große Wurf blieb dem Big Man aber verwehrt. In den West-Finals unterlagen die Jazz damals mit Deron Williams und Topscorer Boozer dem späteren Champion aus San Antonio mit 1-4. Nach seinem Wechsel zu den Bulls waren 2010/11 die Miami Heat zu stark, erneut war in den Conference Finals Schluss (1-4).

Ganz ohne Edelmetall musste Bozzer seine Karriere aber nicht beenden. Mit Team USA gewann der 2,06-Meter-Mann 2008 die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Peking, vier Jahre zuvor war er Teil des Bronze-Teams in Athen.

Im Interview blickt er auf seine Karriere zurück, erklärt, wie man in Alaska zum NBA-Profi heranreift und was ihn an Kobe Bryant so fasziniert hat - auf und neben dem Feld.

Herr Boozer, vor sechs Jahren haben Sie nach insgesamt 13 Spielzeiten in der Association Ihre Karriere beendet. Was machen Sie heute?

Boozer: Ich bin natürlich immer noch ein riesiger Fan der NBA und schaue viele Spiele. Vor allem genieße ich aber die Zeit mit meiner Familie. Durch die Pandemie können wir nicht so viel reisen, wie eigentlich erhofft. Ansonsten versuche ich mich als Entrepreneur, investiere in verschiedene Franchise-Unternehmen wie Tropical Smoothies oder Popeyes und arbeite als Experte für College-Basketball für ESPN und das ACC Network. Ich habe also einiges zu tun.

Was viele wahrscheinlich nicht wissen: Sie sind in Deutschland geboren worden, genauer gesagt in Aschaffenburg. Haben Sie noch irgendwelche Erinnerungen an Deutschland?

Boozer: Mein Vater war beim Militär, er war in Aschaffenburg stationiert. Meine ältere Schwester und ich sind auf der Militärbasis geboren worden, aber schon acht oder neun Monate nach meiner Geburt sind wir zurück nach Washington D.C., wo meine Familie eigentlich herkommt. Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, habe ich es in eine High-School-Auswahl der USA geschafft und wir haben ein Turnier in Köln gespielt. Und einige Jahre später waren wir mit dem 2004er Olympia-Team in Deutschland, um gegen Dirk Nowitzki und Co. zu spielen. Ich war also seit meiner Geburt ein paar Mal in Deutschland, zwar nicht in Aschaffenburg, aber immerhin in anderen Teilen des Landes.

LeBron James? "Um es kurz zu fassen: unglaublich!"

Ihre Familie blieb nicht lange in Washington D.C., aufgewachsen sind Sie in Alaska. Der nördlichste Bundesstaat der USA ist nicht unbedingt für seine Basketball-Talente bekannt. Wie wird man dort zu seinem so guten Spieler wie Sie?

Boozer: Ich liebe einfach den Sport. Basketball ist nicht die Sportart Nummer eins in Alaska, Eishockey hat da wohl die Zügel in der Hand. Aber in meiner Familie war schon immer Basketball die Nummer eins. Mein Vater liebte Basketball, er hat mir den Ball in die Wiege gelegt. Ansonsten liegt das Geheimnis einfach in harter Arbeit. Je mehr du trainierst, je mehr Leidenschaft du reinsteckst, je mehr Zeit du investierst, desto besser wirst du. So war das auch bei mir.

Ihre NBA-Karriere startete 2002 als Zweitrundenpick (Nr. 35) bei den Cleveland Cavaliers. In Ihrem zweiten Jahr bei den Cavs stieß LeBron James zum Team dazu. Wie gut war der King bereits in seinen jungen Jahren?

Boozer: Um es kurz zu fassen: unglaublich! Er war damals schon einfach irre. Er war erst 18 Jahre alt, aber hatte eine gewisse Gelassenheit und einen hervorragenden Basketball-IQ. Er konnte buchstäblich nach Belieben scoren. Er war damals noch nicht der beste Schütze, aber er hat immer Wege gefunden, zu punkten. Und er liebte es, zu passen. Ich glaube, er hat einen größeren Kick dadurch bekommen, einen schönen Pass zu spielen und seine Teamkollegen miteinzubinden, als selber zu scoren. Das ist schon ironisch, wenn man bedenkt, dass er jetzt zu den drei besten Scorern der NBA-Historie zählt. Dazu liegt er bei den Assists ebenfalls in der Top 10, was äußert selten ist. Um genau zu sein, gab es das noch nie. Obwohl er noch spielt, kann man jetzt schon sagen: Was für eine Karriere!

Lange spielten Sie aber nicht mit James zusammen. Nach insgesamt zwei Jahren in Cleveland ging es für Sie 2004 zu den Utah Jazz, wo Sie zum zweimaligen All-Star reiften. 2010 folgte der Wechsel zu den Chicago Bulls, wo Sie gemeinsam mit Derrick Rose und Joakim Noah unter Head Coach Tom Thibodeau für Furore sorgten. Mittlerweile coacht Thibodeau die Knicks, die derzeit auf Playoff-Kurs liegen. Was ist sein Geheimnis? Warum sind die Knicks wieder relevant?

Boozer: Defense, Defense, Defense! Bei Coach Thibs geht es nur um Verteidigung. In Chicago hat er uns jeden einzelnen Tag gepredigt, wie wichtig Defense ist. In den ersten 90 Minuten jeder Trainingseinheit ging es nur um Defensiv-Drills. Deswegen hatten wir damals in den vier Jahren, die ich in Chicago war, die beste Defensive der Liga. Das sieht man jetzt bei den Knicks auch, sie machen jeden Wurf des Gegners schwer.

In Person von Rose und Taj Gibson stehen zwei Mitglieder des ehemaligen Bulls-Teams, das gemeinsam mit Ihnen 2011 in den Conference Finals stand (1-4 gegen LeBron und die Heat), nun bei den Knicks unter Vertrag.

Boozer: Das ist kein Zufall, die beiden haben eine wichtige Rolle in unseren Bulls-Teams gespielt. Thibs weiß, dass er sich auf deren Führungsqualitäten verlassen kann. Dazu hat sich Julius Randle, der seine Rookie-Saison mit mir in L.A. gespielt hat, als All-Star etabliert. Und ihre jungen Talente wie R.J. Barrett sind gut drauf. Thibs hat die damalige Kultur bei den Bulls auch in New York etabliert und jetzt haben sie etwas, worauf sie aufbauen können.

Boozer über Kobe Bryant: "Ein toller Botschafter für das Spiel"

Sie dagegen haben bereits 2014/15 Ihre aktive Karriere ausklingen lassen, damals an der Seite von Kobe Bryant bei den Los Angeles Lakers, der 2020 bei einem Helikopter-Unglück ums Leben kam. Was haben Sie aus dieser gemeinsamen Zeit mitgenommen?

Boozer: Kobe war unglaublich, möge er in Frieden ruhen. Wir vermissen ihn sehr. Ich hatte eine gute Beziehung zu ihm, schon bevor wir in L.A. zusammengespielt haben. All die Geschichten, die man über seine Arbeitseinstellung hört, sind wahr. Dieser Typ war eine "Gym Rat", er ist morgens aufgewacht, in die Halle gegangen und hat darüber nachgedacht, wie er an seinem Spiel arbeiten kann. Er hatte tolle Mentoren wie Michael Jordan, mit denen er ständig in Kontakt stand, um besser zu werden. Und dabei war er doch schon Kobe Bryant (lacht). Er war ein großartiger Teamkollege, der uns immer gepusht hat. Schon in jungen Jahren hat er Titel gewonnen und diesen Standard, den es für eine Championship braucht, hat er sich immer beibehalten.

Und dabei ging Kobes Einfluss weit über das Geschehen auf dem Parkett hinaus.

Boozer: Nach seinem Karriereende fing sein Leben erst so richtig an, er hat die Zeit mit seiner Familie, seinen Kindern sehr genossen. Es ist allseits bekannt, wie sehr er sich für die nachfolgenden Generationen im Basketball und auch für Frauen-Basketball stark gemacht hat. Mit vielen Stars, die heute erfolgreich sind, hat Kobe trainiert, zum Beispiel Jayson Tatum. Er hat sich Zeit genommen, um ihr Spiel zu perfektionieren. Kobe war ein toller Botschafter für das Spiel, ein toller Teamkollege und ein echtes Vorbild.

Carlos Boozer hat seine letzte Saison in der NBA an der Seite von Kobe Bryant bei den Lakers verbracht.getty

Los Angeles Lakers Titelfavorit? "Nein, das glaube ich nicht"

Werfen wir nochmal einen Blick auf die aktuelle Saison. Die Los Angeles Lakers sind der amtierende Champion, aber sind sie auch 2020/21 der Favorit?

Boozer: Nein, das glaube ich nicht. Die einzige Chance, um aus dem Westen herauszukommen, ist, dass LeBron und Anthony Davis gesund sind. Und das sind sie aktuell nicht. In der Western Conference gibt es einige richtig gute Teams, die Utah Jazz haben zum Beispiel bisher einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Die Phoenix Suns sind dank den Führungsqualitäten von Chris Paul auf den zweiten Platz vorgestoßen. Sofern LeBron und AD nicht gesund sind, werden sie den Westen nicht gewinnen. Und ich persönlich glaube, dass die Brooklyn Nets mit ihrem Superstar-Trio Kyrie Irving, James Harden und Kevin Durant in den Playoffs nur sehr schwer zu stoppen sein werden.

Sie haben die Jazz angesprochen, die mit der besten Bilanz an der Spitze der NBA thronen. Sie selbst haben sechs Jahre in Salt Lake City verbracht. Sind die Jazz in dieser Saison ein echter Titelanwärter?

Boozer: Ich hoffe es. Das ist eine großartige Franchise, ich kann mich sehr glücklich schätzen, für die Jazz und Hall-of-Fame-Coach Jerry Sloan gespielt zu haben. In dieser Saison haben sie eine gute Kombination aus dynamischen Offensiv-Spielern wie Donovan Mitchell (der die kommenden Partien verletzt verpassen wird, Anm. d. Red.), einen tollen Supporting Cast mit Jordan Clarkson und zusätzlich einen echten Defensiv-Anker in Rudy Gobert - den Eiffelturm, wie ich ihn gerne nenne. Ich glaube, sie haben eine gute Chance, den Westen zu gewinnen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sie genug Waffen gegen ein gesundes Lakers-Team haben. Nichtsdestotrotz können sie einen tiefen Playoff-Run hinlegen.

Die Karriere-Statistiken von Carlos Boozer in der NBA

TeamsSaisonsG / MINPunkteReboundsAssistsFG%
Cleveland Cavaliers2156 / 29,812,69,41,652,8
Utah Jazz6354 / 34,019,310,52,954,4
Chicago Bulls4280 / 30,415,59,02,049,1
Los Angeles Lakers171 / 23,811,86,81,349,9
Karriere13861 / 31,216,29,52,252,1