Contender, kaum gebraucht, sucht

Ole Frerks
18. Juli 201711:57
Das Gehalt von Chris Paul und James Harden wird künftig nicht mehr von Leslie Alexander gezahltgetty
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Völlig überraschend hat sich Leslie Alexander dazu entschieden, die Houston Rockets zu verkaufen. Was ist das Team wert - und wie geht es nun mit James Harden und Co. weiter? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Wie aus dem Nichts berief Rockets-CEO Tad Brown am Montag eine Pressekonferenz ein und gab bekannt, dass Leslie Alexander nach fast 24 Jahren nicht mehr Besitzer der Houston Rockets sein will. Der 73-Jährige habe keine gesundheitlichen Probleme, wurde versichert, er habe sich aber nun eben dazu entschieden, sich anderen Dingen zu widmen.

Insbesondere das Timing ist eine riesige Überraschung, laut ESPN-Quellen sind selbst innerhalb der Organisation und innerhalb seines engsten Kreises Personen eiskalt erwischt worden.

Noch in den letzten Wochen war Alexander demnach sehr involviert in alle Entscheidungen der Franchise und hatte unter anderem den Trade für Chris Paul sowie die lukrativen Vertragsverlängerungen von Superstar James Harden und General Manager Daryl Morey abgesegnet. Am Samstag war er noch vor Ort, als die Rockets Paul im Toyota Center willkommen hießen.

Harden selbst hatte bei seiner Vertragsverlängerung Alexander als einen Grund genannt, warum er langfristig verlängerte: "Mr. Alexander hat gezeigt, dass er sich komplett dem Gewinnen verschrieben hat." Ebenjener Alexander sagte nun, dass es für ihn Zeit sei, zu gehen, zumal er die Rockets in einem "sehr guten Zustand" hinterlasse.

Das Gehalt von Chris Paul und James Harden wird künftig nicht mehr von Leslie Alexander gezahltgetty

Einen genauen Zeitplan gäbe es nicht, sagte Brown am Montag. Man wolle allerdings nichts überstürzen. Trotzdem sei mit einem Verkauf "eher früher als später" zu rechnen.

"Leslie Alexander ist ein wahrer Wettkämpfer, der immer nach dem richtigen Weg gesucht hat, um sein Team zu verstärken", sagte Commissioner Adam Silver in einem Statement. "Er hat eine Kultur der Exzellenz kreiert, die Hall-of-Famer, All-Stars, großartige Coaches, zwei NBA-Titel und vier WNBA-Titel nach Houston gebracht hat."

Silver fuhr fort, dass Alexander "hohen Respekt" in der ganzen Liga genieße. "Er ist ein aktiver und einflussreicher Besitzer gewesen, dessen Vision dabei geholfen hat, das Spiel global weiterzuentwickeln, vor allem in China."

Aus welchem Grund will Les Alexander die Rockets verkaufen?

"Es ist etwas, worüber er schon eine Weile nachgedacht hat", erklärte Brown am Montag. "In einigen Jahrzehnten kann man davon schon sehr mitgenommen werden. Es gibt jetzt Leidenschaften in seinem Leben, um die er sich mehr und mehr kümmern will, seine Familie und seine philanthropischen Aktivitäten. Er hat seine Entscheidung getroffen."

Um es noch etwas simpler auszudrücken: "Er ist in Wirklichkeit einfach müde. Er hat mit seiner Familie und seinen engen Freunden darüber gesprochen und entschieden, dass er in seinem Leben etwas verändern möchte. Er hat sich erst kürzlich dazu entschieden und möchte nun nach vorne blicken."

Alexander gehörte über seine fast 24 Jahre bei den Rockets zu den aktiveren Besitzern im Basketball-Geschäft - im Gegensatz zu einigen anderen Eigentümern nahm er regelmäßig an Meetings mit Free Agents teil und scheute auch nie ein Risiko oder Investment. Gut möglich, dass ihn dies mit der Zeit ermüdete - und die Aussage, dass die Rockets derzeit in einem "guten Zustand" sind, trifft ebenfalls zu.

"Er hat das Gefühl, dass die Zeit reif ist", sagte Brown. "Das Management steht langfristig unter Vertrag. Das Team, die Spieler, Coach D'Antoni, Chris, James, man sieht den Kern - all das haben wir, weil Mr. Alexander es aufgebaut hat." Um die mittelfristige Zukunft der Rockets muss sich tatsächlich kein potenzieller Käufer Sorgen machen. Man würde einen Contender übernehmen.

Natürlich ist der Faktor Müdigkeit aber auch nur ein Teil der Wahrheit. Selbstverständlich spielt auch das Geld eine große Rolle: Alexander, zuvor Investment-Banker, kaufte die Rockets einst für 85 Millionen Dollar, nun wird er die Franchise für ein Vielfaches verkaufen können. Die Zeiten haben sich geändert - Evan Fournier, Goran Dragic und Victor Oladipo verfügen über 85-Millionen-Dollar-Verträge.

Warum er das Team ausgerechnet jetzt verkaufen will, ist ungewiss, es wird aber bereits spekuliert, dass Alexander seine Investments liquidieren will, um einen größeren Kauf zu ermöglichen. Informationen des Houston Chronicle zufolge versucht Alexander bereits seit längerem, Häuser in Kalifornien und New York im Wert von mehr als 90 Millionen Dollar zu verkaufen. Vielleicht braucht der Milliardär ein neues Spielzeug.

Welcher Preis wird für die Rockets aufgerufen?

Eine präzise Aussage kann man hier nicht treffen, es geht mehr um Richtwerte. Forbes beziffert den heutigen Wert der Franchise auf mindestens 1,65 Milliarden Dollar, auch dies ist aber eine mehr oder wenige fiktive Zahl. Nehmen wir als Beispiel die Clippers: Zehn Monate vor ihrem Verkauf im Jahr 2014 wurde ihr Wert auf 575 Millionen Dollar geschätzt, verkauft wurden sie für 2 Milliarden.

Aufgrund des Zeitdrucks und der einzigartigen Situation um den vorherigen Besitzer/Slumlord Donald Sterling griff Steve Ballmer damals wohl etwas tiefer in die Tasche, als es unter normalen Umständen nötig gewesen wäre, seither ist der durchschnittliche Wert einer NBA-Franchise aber wohl eher noch weiter gestiegen.

Zumal sich das Investment auch für Ballmer gelohnt hat: "Es gibt kaum Risiko", sagte dieser vor kurzem zu ESPN. "Man kann in diesem Geschäft richtig Geld verdienen. Es gibt echte Möglichkeiten." Mal ganz abgesehen davon, dass man als "Großverdiener" a la Ballmer (Vermögen laut Forbes: 33 Milliarden) noch signifikante Steuervergünstigungen dazubekommt.

NBA-Teams, schon gar nicht gute, stehen extrem selten zum Verkauf, denn sie sind einfach zu lukrativ und gleichzeitig exklusiv für ihre Besitzer. Es gibt eben nur 30 davon und solange die TV-Verträge weiter ins Unermessliche steigen, wird auch der Wert der Franchises mitwachsen.

Und die Rockets sind "überdurchschnittlich": Houston ist laut Nielsen der achtgrößte TV-Markt der USA und zudem auch noch das beliebteste NBA-Team auf dem asiatischen Markt, seitdem sie Yao Ming drafteten und ihre Marke asiatisch ausrichteten.

Es ist nicht garantiert, dass sie so teuer werden wie die Clippers (oder noch teurer), aber ein Kaufpreis unter 1,5 Milliarden Dollar ist wohl beinahe ausgeschlossen. Alexanders Investment wird sich also so oder so lohnen.

Was bedeutet der Deal für die Rockets und Carmelo Anthony?

Bisher hat es keine Andeutungen gegeben, dass die Rockets ihre Strategie in irgendeiner Form ändern werden. Wie Brown und Alexander betonten, ist das Management der Rockets langfristig im Amt und auch Harden hat seinen Rekordvertrag ja bereits unterschrieben.

Ein paar Unklarheiten gibt es aber doch. Alexander war kein Übertreiber a la Mikhail Prokhorov in seinen Anfangsjahren bei den Nets, er hat aber gleichzeitig selten finanzielle Investments gescheut, wenn diese seinem Team weiterhelfen konnten, und war einigermaßen regelmäßig im Luxussteuer-Bereich anzutreffen. Zuletzt zahlte er etwa 2015/16 über 5 Millionen Dollar Luxussteuer.

Stand jetzt kann es keine Garantien geben, dass auch der nächste Besitzer der Rockets die Bereitschaft dazu zeigen wird. Für die Rockets wird dies aber spätestens nächste Saison wieder ein Thema, wenn der Vertrag von Paul ausläuft und der Point Guard einen neuen Deal fordert.

Natürlich könnte es auch jetzt direkte Auswirkungen geben. Dass die Rockets Carmelo Anthony haben wollen, ist ja schon lange kein Geheimnis mehr, selbst Knicks-Präsident Steve Mills bestätigte dies am Montag indirekt.

Selbst wenn Morey es schaffen würde, in einem Trade für Melo den teuren Vertrag von Ryan Anderson loszuwerden, würde die Payroll des Teams dadurch noch weiter ansteigen. Anthony verdient kommende Saison 26,2 Millionen Dollar, im Jahr darauf wären es, sollte er seine Option ziehen, fast 28 Millionen.

Kann Morey einen solchen Deal aktuell überhaupt machen, bevor er weiß, wer künftig die Gehaltsschecks ausstellt? Immerhin: Alexander hat gesagt, dass er dabei helfen will, einen finanzstarken Käufer zu finden, der das Team in Houston halten wird.

Aufgrund der Attraktivität des Houstoner Marktes und des Deals mit dem Toyota Center (bis 2033) ist ohnehin nicht davon auszugehen, dass ein potenzieller Käufer einen Umzug anstreben würde. Einem solchen Vorhaben müssten Commissioner Silver und die restlichen Besitzer ohnehin erst zustimmen.

Wer könnte die Rockets kaufen?

Der erste Milliardär, der sein Interesse bereits hinterlegt hat, scheiterte 1993 an Alexander: Tilman Fertitta will auch diesmal wieder für die Rockets bieten und hofft dabei diesmal auf größeren Erfolg.

Das Vermögen des Geschäftsmannes aus Houston wird von Forbes auf 3,1 Milliarden Dollar geschätzt. Fertitta war bei den Titeln 1994 und 1995 bereits als "beratender Direktor" der Rockets tätig.

Der 60-Jährige dürfte aber lange nicht der einzige Bieter bleiben. ESPN-Experte Adrian Wojnarowski geht von einem wahren Bieterkrieg aus, zumal die Rockets eben auch in Asien eine sehr große Fan-Basis haben und daher für Investoren aus China oder Japan sehr reizvoll sein dürften. Sogar der Name Yao Ming (als Teil eines größeren Konglomerats) wurde bereits genannt.

Auch in den USA gibt es freilich noch den einen oder anderen Milliardär, der in Frage käme. Sport-Teams gehören zu den prestigeträchtigsten Spielzeugen und sind noch beliebter, seitdem man mit ihnen auch finanziell keine echten Risiken mehr eingeht.

Für die letzten verfügbaren Teams wie Atlanta, Milwaukee und Sacramento gab es reihenweise Bieter, die Rockets wiederum haben einen höheren Stellenwert als all diese Teams.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich Alexander aus diversen Angeboten das beste heraussuchen können und Silver wird sicherstellen, dass der neue Besitzer den "Qualitätsstandards" der NBA entspricht (=kein Donald Sterling ist).