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07.10.2011 um 00:42 Uhr
Das Wesen des Passspiels II
Passrichtungen
Damit diese "Alibipässe" aber ihre Wirkung entfalten, ist es nötig, sich die einzelnen Passrichtungen und ihre Folgen anzusehen. Es gibt vertikale, horizontale und diagonale Pässe. Vertikale und diagonale Pässe können zudem nach hinten oder nach vorne erfolgen. Der vertikale Pass nach vorne hat einen direkten Raumgewinn Richtung gegnerisches Tor zur Folge, weshalb er großen Druck für den Gegner bedeuten kann. Allerdings weist diese Passrichtung ein gewisses Risiko für die offensive Mannschaft auf, weil der Ballempfänger den Pass regelmäßig mit Rücken zum besagten Tor bekommt, weshalb zunächst sein Blickfeld eingeschränkt ist. Außerdem wird sich der Passempfänger kaum aufdrehen können, da zumeist ein Gegenspieler in seinem Rücken steht.

Auch der horizontale Pass weist Vor- und Nachteile auf. So hat man als Passempfänger immer das Spielfeld im Blick. Das Spiel kann durch den horizontalen Pass verlagert werden, was im Hinblick auf das Inbewegunghalten des Gegners durchaus vorteilhaft ist. Darüber hinaus wird Druck vom Ball genommen, wenn der Gegner presst. Jedoch ist diese Passrichtung für schnellen Raumgewinn ungeeignet. Da der Pass eben nur zur Seite nicht aber nach vorne geht, erhält der Gegner Zeit, um neu zu verschieben und den ballnahen Raum zu verengen.

Somit haben der horizontale und der vertikale Pass durchaus ihre Vorteile, dennoch erlauben sie es dem Gegner, effektiv zu verteidigen. Eine Mischung aus diesen beiden Passrichtungen stellt der diagonale Pass dar, sodass er die Vorteile von senkrechten und waagerechten Pässen in sich vereint (Spielverlagerung, gutes Blickfeld, offene Stellung zum Spielfeld, Raumgewinn), die Nachteile aber neutralisiert. Diese Passrichtung ist die effektivste und wird gerade von Passsicheren Teams häufig genutzt.

Eine weitere wichtige Passrichtung erfolgt nach hinten. Zwar kann durch einen Rückpass kein Druck aufgebaut werden - das Gegenteil ist der Fall - trotzdem erweist sich diese Variante stets als Mittel, einen neuen Spielaufbau zu wagen, wobei der Ballbesitz weiterhin gesichert wird. Häufig ist bei den meisten Teams zu beobachten, dass sie den Ball auch dann nach vorne spielen, wenn der Gegner dort alle Räume besetzt hat, wodurch ein erfolgversprechender Angriff unwahrscheinlich wird (siehe: percentage play). Ein Ballverlust ist das nicht seltene Ergebnis. Stellt der Gegner die Räume zu, sollte die offensive Mannschaft geduldig sein und weiterhin - den eigenen Ballbesitz sichernd - mittels Kurzpässen in sämtliche Richtungen (zur Seite, vertikal, diagonal, nach vorne, hinten) den Gegner in Bewegung setzen, um die notwendigen Räume zu öffnen.

Raumaufteilung und Spiellinien
Um sich für ein derart effektives Kurzpassspiel anzubieten, gibt es neben den bereits genannten Referenzpunkten die sogenannten Spiellinien, nach denen man sich richten kann. Ausgehend von einem flachen 4-4-2 gibt es die grundlegenden Linien von Abwehr, Mittelfeld und Sturm.


Im heutigen Fußball hört man aber immer öfter vom Spiel zwischen den Linien. Eine Mannschaft muss immer mehrere Linien bilden, um entweder den Gegner nacheinander zu doppeln wenn er den Ball hat oder um möglichst schwer zu verteidigende Passoptionen zu bilden, wenn man selbst den Ball besitzt. Bei eigenem Ballbesitz führt diese vermehrte Linienbildung automatisch zu einem Spiel zwischen den Linien. Je intensiver das betrieben wird, desto schwerer kann die gegnerische Abwehr darauf reagieren, weil ständig Verteidiger aus dem Abwehrverbund gerissen werden, wenn sie auf den oder die Spieler zwischen den Linien reagieren. Das führt zu offenen Räumen. Wird von der verteidigenden Mannschaft hingegen nicht auf diese Akteure zwischen den Linien reagiert, sind sie frei im offenen Raum. So oder so: viele Linien führen zu nutzbaren Räumen!

Aus diesem Grund sollte die offensive Mannschaft stets eine ausreichende Linienbildung anstreben, welche im Bezug auf die Passrichtungen notwendig ist. Stehen zu viele Spieler auf einer waagerechten Linie (Bsp.: vier Spieler auf der Mittelfeldlinie), können fast nur horizontale Pässe gespielt werden. Die Folge davon ist, dass das ballbesitzende Team kaum Raumgewinn erzielen kann, was zu einem nutzlosen Quergeschiebe ausartet. Darum sollten niemals mehr als drei Spieler gleichzeitig auf einer waagerechten Linie agieren.

Zu viele Spieler auf einer senkrechten Linie (LIV, LZM und LST in einer Reihe) haben zur Folge, dass kaum Spielverlagerungen zu den Seiten möglich sind, was dazu führt, dass häufige Vertikalpässe das Blickfeld einschränken. Darum sollten niemals mehr als zwei Spieler gleichzeitig auf einer senkrechten Linie agieren.

Gemäß dieser Anordnung kommt es zwangsläufig zu einer solchen Raumaufteilung:


Wie zu sehen ist, entstehen durch diese Anordnung zahreiche Passdreiecke, die sämtliche Passrichtungen gewährleisten. Insbesondere diagonale Pässe, welche bereits als die sichersten und zugleich effektivsten erachtet wurden. Dabei entstehen 5-6 Linien in der Länge und 5 in der Breite des Feldes. Bei einem flachen 4-4-2 wären es hingegen nur 3 Linien in der Länge und 4 in der Breite. Zudem fehlen beim flachen 4-4-2 Dreiecke.

Diese Art der Raumaufteilung bringt eine weitere wichtige Komponente des Passspiels mit sich: durch die Dreiecksbildung sind stets genügend Spieler in Ballnähe, sodass bei einem eventuellen Ballverlust sofort ins Gegenpressing gegangen werden kann, um den Ball schnell zurück zu erobern und somit Konter des Gegners zu verhindern. Dass diese Maßnahmen durchaus zusammen-hängen, zeigen die Statistiken. In der CL-Saison 2005/06 lag die Quote von aus dem Spiel heraus erzielten Toren bei 40% an Kontertoren. Dieser Wert sank kontinuierlich bis zur Saison 2010/11 auf 21%. Über den gleichen Zeitraum stieg die Intensität und Wichtigkeit des Passspiels, weil in diese Zeit die Dominanz Barcelonas, ManUtd., Real Madrids und Bayerns fiel, die allesamt eine hohe Passquote aufweisen.

In den gezeigten Abbildungen ist eine schematische Unterteilung des Feldes in 3x6 Zonen zu erkennen. Dieses Schema wird u.a. von Louis van Gaal und Joachim Löw genutzt, um den Spielern eine gewisse Raumvorstellung samt Positionsspiel zu vermitteln. Jede (ballnahe) Zone muss von mindestens zwei Spielern besetzt und von mindestens einem weiteren unmittelbar erreichbar sein. Auf diese Weise sind die Abstände der Spieler untereinander nie zu groß, was zu einem engen Netz führt. Dieses Feldschema ist zusammen mit der Idee der Linienbildung essenziell für eine optimale Raumaufteilung, damit effektive (Kurz-)Passoptionen gebildet werden, die außerdem ein schnelles Gegenpressing nach Ballverlust erlauben.
Aufrufe: 15965 | Kommentare: 27 | Bewertungen: 36 | Erstellt:07.10.2011
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KOMMENTARE
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Charlie80
14.10.2011 | 13:56 Uhr
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Charlie80 : @vanGaalsNase
14.10.2011 | 13:56 Uhr
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Charlie80 : @vanGaalsNase
Bin ich soweit mit einverstanden und würde ich im Falle eines 442 auch so sehen., fand nur das die Wege nicht ganz klar waren. Weicht ja auch nicht grundlegend von meiner Variante ab, ich bin der Meinung das man lieber zwei Leute als Stürmer vorne drin lassen sollte, aber Geschmäcker sind verschieden. Ich behaupte aber trotzdem mal das sich deine offensive Formation eher aus einem 4231 oder wie bei Barcelona aus einem 433 bzw mittlerweile wohl (hab sie diese Saison noch nicht gesehen) 352 ergibt.
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Charlie80
14.10.2011 | 14:14 Uhr
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Charlie80 : Ergänzung
14.10.2011 | 14:14 Uhr
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Charlie80 : Ergänzung
Mir ist gerade aufgefallen das wir ziemlich weit von deinem ursprünglichen Thema abschweifen. Entschuldige bitte
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Bogy83
14.10.2011 | 15:11 Uhr
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Bogy83 : SuperBlog
14.10.2011 | 15:11 Uhr
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Bogy83 : SuperBlog
10P. - hoch interessant auch wenn einiges bekannt oder banal erscheint.
Es sind eben die einfachen, oft angewendeten Dinge, welche den Grad der Zielerreichung am stärksten beeinflussen.

Eigentlich erstaunlich, dass in einem so großem Geschäft wie dem Fussball solange essentielle Dinge vernachlässigt wurden.

Gras wächst nicht schneller nur weil man dran zieht....
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King_of_Q
14.10.2011 | 22:26 Uhr
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King_of_Q : 
14.10.2011 | 22:26 Uhr
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King_of_Q : 
ok, mir gings nur teilweise so beim lesen.

interessant hätte ich übrigens die frage gefunden, wie sich das spiel bei dieser taktik bei rückstand und zeitmangel verändert. ist zwar bei barca nicht so oft vorgekommen, aber grundsätzlich wäre es ja dumm bei nur noch 5 minuten spielzeit und rückstand geduldig auf die lücke zu warten.
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Antimadrista92
14.10.2011 | 22:40 Uhr
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14.10.2011 | 22:40 Uhr
-1
grundlegend läuft es bei rückstand ähnlich, nur in einem höheren tempo weil man dann einfach etwas riskieren muss. im endeffekt ist es ja egal ob man 0-1 verliert, oder wegen dem offensiveren und risikoreicheren spiel in der nachspielzeit noch ein gegentor bekommt.

bei barca geht dann pique immer mit nach vorne, damit auch ein kopfballstakrer spieler vorne drin ist, die ein oder andere flanke sieht man deshalb auch mal. aber an sich bleibt die struktur gleich, nur wird sie schneller und mit mehr risiko verbunden gespielt.

apropos pique vorne drin: gegen inter erzielte er so ein tor und gegen estudiantes legte er per kopf pedros ausgleich vor, wodurch man in der verlängerung die klub-wm gewann.
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Philse
16.10.2011 | 03:05 Uhr
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Philse : 
16.10.2011 | 03:05 Uhr
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Philse : 
Toller Blog! Habe 10 Punkte gegeben.
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TuB1904
30.12.2011 | 20:43 Uhr
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TuB1904 : 
30.12.2011 | 20:43 Uhr
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TuB1904 : 
Großartig! 10 Punkte. Habe dazu noch nirgendwo was so detailliertes gefunden!
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