"Jeder macht sich über dich lustig": Wird José Mourinho durch seine Wutausbrüche zur Lachnummer?

Von Mark Doyle
AS Rom, Jose Mourinho, Trainer, Lachnummer
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In seiner allerersten Pressekonferenz als Roma-Trainer hatte José Mourinho darauf bestanden, dass er nun ein anderer Mann sei. "Ich werde nicht der Typ sein, der nach Ärger sucht", versprach er. "Ich habe jetzt mehr Erfahrung und bin emotional ausgeglichener." Schon damals erkannten nicht wenige in den Aussagen von The Special One eine gewisse Komik. Und rückblickend wirken sie geradezu lächerlich.

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Der vergangene Dienstag lieferte mal wieder Futter dafür, als Mourinhos Roma bei Cremonese mit 1:2 verlor und ihren Hoffnungen auf eine Top-4-Platzierung am Saisonende selbst einen herben Dämpfer versetzte. Noch dazu waren die Römer die erste Mannschaft dieser Serie-A-Spielzeit, die Cremonese unterlag.

Natürlich ein ernüchterndes Ergebnis für Mourinho. Aber sein Verhalten war noch etwas peinlicher. Kurz nach der Halbzeitpause begann der Portugiese eine Diskussion mit dem Vierten Offiziellen, Marco Serra: Ein vermeintliches Foul von Cremoneses Frank Tsadjout an seinen Verteidiger Marash Kumbulla hatte Mourinho erbost - und nun forderte er von Serra eine Erklärung für den nicht gegebenen Freistoß.

Berichten zufolge soll Serra Mourinho daraufhin ermahnt haben, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern: "Setz' dich hin, jeder macht sich über dich lustig", sagte er wohl in Richtung des Roma-Coaches. Mourinho machte das nur noch wütender. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass der Vierte Offizielle Recht hatte.

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Mourinho, das Meme

Sein Ausraster gegen Cremonese brachte Mourinho nicht nur einen Platzverweis, sondern auch eine Sperre für die kommenden beiden Spiele ein. Diese wurde allerdings mittlerweile vorläufig ausgesetzt. Das Berufungsgericht des italienischen Fußball-Verbandes will sich mehr Zeit nehmen, um die Hintergründe des Streits zu prüfen. Das teilte der Verband mit.

So oder so wird er, einer der meistdekorierten Trainer der Fußballgeschichte, wegen seiner immer wiederkehrenden Wutausbrüche mittlerweile zur Lachnummer in zahlreichen Memes.

Das GIF, in dem Mourinho zunächst entspannt auf der Bank sitzt, dann nach einer Schiedsrichterentscheidung gegen seine Mannschaft aber wutentbrannt auf den Vierten Offiziellen zustürmt, hat wahrscheinlich jeder gesehen.

Vergangene Saison indes musste Mourinho das Spiel seines Teams gegen Spezia auf einem iPad im Mannschaftsbus schauen, nachdem er zuvor bei einem 2:2 gegen Verona vom Platz geflogen war.

Dennoch: Immer weniger Menschen - insbesondere unter jenen, die direkt mit der Branche zu tun haben - finden Mourinhos Verhalten und das seines Trainerstabs amüsant. Zum Beispiel auch das von Mourinhos Assistent Salvatore Foti, der immer noch eine einmonatige Sperre absitzt, nachdem er im Pokalspiel gegen Cremonese seinerzeit Schiedsrichter Michael Fabbri beleidigt und einen Offiziellen Cremoneses bedroht hatte. Mourinho durfte am Dienstag auf der Tribüne dann also neben Foti Platz nehmen.

Und das Schlimmste: Es ist noch nicht einmal derart überraschend, dass gleich zwei Mitglieder des Trainerstabs der Roma zur gleichen Zeit gesperrt sind.

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Mourinhos "schockierende" Einstellung

Schon zu Beginn seiner ersten Roma-Saison fanden sich Mourinho und seine Assistenten in einem beschämenden Zwist wieder. Romas Torwarttrainer Nuno Santos war dabei in eine körperliche Auseinandersetzung mit Bodö/Glimt-Boss Kjetil Knutsen verwickelt.

Beide beriefen sich auf Notwehr, beide wurden jedoch von der UEFA gesperrt. Und Knutsen ärgerte sich nicht nur über Santos und die Sperre, sondern auch über Mourinho: "Seine Einstellung ist schockierend", sagte er über den 60-Jährigen. "Seine Werte und seine Art, zu coachen, sind so weit von dem entfernt, wofür ich stehe. Es ist unglaublich enttäuschend, ein solches Verhalten von einem Trainer zu sehen, der derart viele Titel gewonnen hat und schon so eine lange Zeit in diesem Sport ist."

Worte, die wohl niemanden überraschten, der Mourinhos Karriere verfolgt hat. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass nur wenige Tage später erneut ein Mitglied aus seinem Stab negativ auffiel, indem er sich über Salernitanas möglichen Abstieg aus der Serie A lustig machte.

Mourinho entschuldigte sich zwar dafür, ließ sich dann aber selbst zu einer Spitze hinreißen - diesmal in Richtung Bodö/Glimt: "Wir sind zivilisierte Menschen. Was auf dem Platz passiert, bleibt dort", sagte er ohne jegliche Spur von Ironie. "Niemand wird nach dem Spiel 45 Minuten lang warten, um jemand anderem ins Gesicht zu schlagen."

Walter Sabatini, seinerzeit noch Sportdirektor von Salernitana, verlor jedenfalls keine Zeit, um Mourinhos Kommentar, er und sein Staff seien zivilisiert, ins Reich der Fabeln zu verweisen. Stattdessen warf er ihnen "ignorantes Verhalten" vor.

"Bei jeder Schiedsrichterentscheidung strömen sie alle von der Bank auf den Platz, das ist nicht zu rechtfertigen", wütete Sabatini in einem Interview mit DAZN. "Wir können gegen Roma verlieren, aber nicht so. Ich weiß schon, was von ihm kommen wird, sobald er das hier hört: Dass ich nie etwas gewonnen habe und deshalb nicht reden dürfe. Ja, ich habe keine 25 Titel gewonnen. Aber ich bin eine ernstzunehmende Person und verdiene Respekt. Bei ihm (Mourinho, d. Red.) sehe ich nur Arroganz."

Damit ist er nicht allein. Im darauffolgenden Ligaspiel gegen Napoli beschuldigte Mourinho die Unparteiischen, sich gegen seine Mannschaft verschworen zu haben. Ein wenig überraschter Luciano Spalletti weigerte sich ganz einfach, auf diese Behauptung einzugehen.

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Ein trauriger Serie-A-Rekord

Mourinho-Befürworter werden sicherlich damit argumentieren, dass das einfach nur clevere Schachzüge des Portugiesen sind. Dass er damit eben von den schlechten Leistungen seiner Spieler ablenken will.

Die Art und Weise, wie Mourinho nun sagte, er wolle nicht auf den Fakt eingehen, dass Serra aus Turin sei und die Roma kommenden Sonntag ja gegen Juventus spiele und er damit, nun ja ... eben genau darauf einging, war ein klassischer José. Auch die verzweifelte Androhung rechtlicher Schritte gegen den Vierten Offiziellen war typisch für Mourinho.

Blickt man auf die Tatsachen, hat Mourinho nun in nicht einmal zwei Jahren in Rom bereits achtmal eine Gelbe oder Rote Karte kassiert. Und mit seinem dritten Platzverweis in der laufenden Saison hält er nun die Bestmarke für 2022/23 in Sachen Hinausstellungen - wohlgemerkt nicht nur unter den Trainern, sondern auch unter den Spielern.

Ist das amüsant? Vielleicht. Aber es ist eben auch ein wenig traurig. Und ganz sicher kontraproduktiv.

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Mourinhos Unfähigkeit, sich zu ändern

Als Mourinho seinen Wutausbruch gegen Cremonese hatte, stand es übrigens noch 1:1. Er mag ein Zauberer sein, wenn es darum geht, seine Spieler zu motivieren. Aber wenn er nicht in der Lage ist, an der Seitenlinie ruhig zu bleiben, haben seine Spieler überhaupt nichts davon.

Rote Karten sind nicht witzig. Vielmehr kosten sie viel. Am Dienstag gegen Cremonese war Mourinho nicht für seine Mannschaft da, als sie ihn gebraucht hätte. Und er wird sie nicht direkt unterstützen können, wenn als nächstes Juventus in einem Spiel wartet, dass hinsichtlich einer möglichen Qualifikation für die Champions League extrem wichtig ist.

Vor allem in Rom gewinnt man daher langsam den Eindruck, dass der Witz mit den Roten Karten allmählich abgenutzt ist.

Natürlich wussten sie genau, was sie bekommen würden, als sie Mourinho holten. Dennoch war man fasziniert von der Leidenschaft und der Persönlichkeit von The Special One. Und er hatte ja versprochen, dass er reifer geworden sei, sich geändert habe.

Die Wahrheit ist jedoch, dass Mourinho unfähig dazu ist, sich zu ändern. Und bei seinem Arbeitgeber wird man sich fragen, ob man noch auf Mourinho setzen sollte, wenn doch die immer gleichen Verfehlungen ihre Hoffnungen auf Champions-League-Fußball reduzieren.

Klar ist: Obwohl Mourinho in seiner ersten Saison in Rom einen tollen Job beim Wiederaufbau des Teams gemacht hat, die Conference League gewinnen konnte - die Anzeichen für eine Spannung zwischen Verein und Trainer vermehren sich und es könnte sein, dass man ab Sommer getrennte Wege geht, sollten sich die Giallorossi nicht für die Königsklasse qualifizieren.

Mourinhos Platzverweise helfen da natürlich nicht. Und wie die Gazzetta dello Sport nach der jüngsten Roten Karte am Dienstag treffend schrieb: "Mourinho vermittelt sicherlich keine Gelassenheit." Nicht dem Team und auch nicht den Bossen.

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Immer noch "ein Feind des Fußballs"

Natürlich muss man festhalten, dass auch der Vierte Offizielle Serra zurechtgewiesen werden muss, wenn bewiesen werden sollte, dass er sich respektlos gegenüber einem Trainer geäußert hat.

Dennoch ist Mourinhos Zwei-Spiele-Sperre gerechtfertigt. Er ist nicht der alleinige Übeltäter, klar - aber er ist der Schlimmste unter jenen, die auf dem höchsten Niveau arbeiten.

Und in einer toxischen Phase des Fußballs, in der die Zahl der Schiedsrichter wegen des steigenden Ausmaßes der Beleidigungen abnimmt, hat ein Verhalten wie jenes von Mourinho weitreichende Auswirkungen. Er selbst weiß zum Beispiel nur zu genau um seine Rolle beim Rücktritt von Anders Frisk.

18 Jahre sind vergangen, seit er von Volker Roth, dem Vorsitzenden der UEFA-Schiedsrichterkommission, als "Feind des Fußballs" bezeichnet wurde. Mourinhos Verhalten gegenüber Unparteiischen hat sich seither jedoch nicht gebessert.

Im Gegenteil, es wurde sogar schlimmer. Und genau darum haben so viele Trainer, Sportdirektoren, Schiedsrichter und Fans entweder genug von Mourinho - oder machen sich nun über ihn lustig. Er ist zu einer Farce geworden.

Der Mann, der über Jahre hinweg so viel Freude daran hatte, andere zu verhöhnen, ist jetzt der Mittelpunkt des Spotts. Selbst diejenigen, die Mourinhos Eigenheiten lange lustig fanden, lachen nicht mehr mit ihm, sondern über ihn.

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