Marketing-Monster oder Torjäger?

SPOX
30. Juni 201622:03
Zlatan Ibrahimovic stand zuletzt noch bei Paris Saint-Germain unter Vertraggetty
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Zlatan Ibrahimovic wechselt zu Manchester United und wird damit zum wohl größten Transfer dieses Sommers. SPOX wirft einen Blick aus allen Perspektiven auf den Wechsel und beantwortet die fünf wichtigsten Fragen.

Was erhofft sich ManUnited mit dem Ibrahimovic-Transfer?

Dazu muss man die Ebenen des Transfers wohl unterteilen. Rein sportlich ist Ibrahimovic eine große Verstärkung, befindet er sich doch mit 34 Jahren noch immer in guter Verfassung und legte sein Spiel ohnehin noch nie großartig auf konditionelle Faktoren aus. Der Schwede verstärkt das Team in der Offensive in vielen Belangen und stellt eine gute Ergänzung zur bisherigen Besetzung mit den weniger auf den Torabschluss fixierten Anthony Martial, Memphis Depay oder Marcus Rashford dar.

Mit dem immer mehr ins Mittelfeld tendierendem Wayne Rooney fehlte Jose Mourinho in der Kaderplanung ein Stürmer der Klasse Goalgetter. Diesen bekommt er mit Ibrahimovic definitiv. Doch nicht nur in dieser Hinsicht soll er weiterhelfen, bringt er doch auch etwas mehr Erfahrung in das auf vielen Positionen sehr jung besetzte Team. Louis van Gaal baute in seiner Amtszeit vieles auf, dem noch Feinschliff fehlt.

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Gerade diesen kann Ibrahimovic mitbringen, so zumindest die Hoffnung des Klubs. Der Mann hat alles gesehen, mit der Premier League voraus auch bald alles gespielt. In den letzten zehn Jahren wurde das Team des Schweden neunmal Meister, lediglich mit dem AC Milan verpasste er 2012 die Meisterschaft in der Serie A TIM. 228 Liga-Tore erzielte er in dieser Zeit, lediglich die Champions League war im kein einziges Mal vergönnt.

Das wird sich auch im nächsten Jahr nicht ändern. Die Red Devils landeten in der vergangenen Saison auf Rang fünf, das berechtigt nur für die Europa League. Gerade hier muss die nächste Ebene des Transfers in Betrag gezogen werden: Ibrahimovic ist ein Marketing-Monster. Geschaffen durch seine einzigartige Art auf und neben dem Platz ist er für United nicht nur im sportlichen Bereich unglaublich wertvoll.

Ohne die Einnahmen und das Prestige aus der Champions League hielt sich United in den letzten Jahren doch an der ökonomischen Spitze unter den europäischen Top-Klubs. Doch dieser Umstand begann zuletzt zu bröckeln, besonders mit dem immer höher strebenden Lokalrivalen City. Ibrahimovic bringt Bildrechte (!), Trikot-Verkäufe, Einschaltquoten, Youtube-Videos, Retweets, Gefällt Mirs, Follower und somit auch wieder steigende Zahlen.

Was erhofft sich Ibrahimovic mit dem ManUnited-Transfer?

Eine bei weitem nicht so einfache Frage, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Ibrahimovic ging zu United, weil er noch nicht Meister in England wurde. Weil er wieder mit Jose Mourinho trainieren kann. Weil er Erfolge feiern und bei einem Traditionsklub spielen möchte. Alles möglich, alles sicher nicht gänzlich ohne Effekt in der Auswahl seines neuen Ziels.

Und doch wird die große Frage nicht wirklich beantwortet. Warum United? Ein Team, das sich zuletzt von der Spitze Englands immer mehr distanzierte, das in der Champions League früh ausschied und nun nicht einmal dafür qualifiziert ist. Man mag es angesichts des Ibrahimovic-Hypes gar nicht so recht aussprechen. Aber nicht Ibrahimovic hat ManUnited geholt (so witzelte man kurz nach Bekanntgabe auf Twitter), sondern ManUnited hat Ibrahimovic geholt.

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Der Schwede hatte vielleicht gar nicht die große Auswahl, die medial suggeriert wurde. Er ist 34, bei Saisonstart bald 35 Jahre alt, er ist ein Stürmer, der Anpassungen und Rücksichtnahme des eigenen Trainers braucht. Er ist nicht pflegeleicht, kann mit Team und Medien aneinandergeraten. Er bringt einen Berater mit, der nicht minder einfach unter Kontrolle zu halten ist und vielleicht entscheidend: Er verschlingt enorme Massen an Gehalt.

18 Millionen Euro soll der Schwede in Paris verdient haben, dazu kommen zahlreiche Prämienzahlungen. Er wird sich nicht mit deutlich weniger in Manchester zufrieden gegeben haben. Und somit muss man die Frage stellen: Wer war die Konkurrenz zu United? Ein Angebot aus China soll es gegeben haben, Gerüchte um den FC Bayern dürften vor allem Gerüchte gewesen sein.

Lange zogen sich die Verhandlungen hin, eine wirkliche Alternative zu United schien aber nie zu existieren. Chelsea ohne Europa? Oder Arsenal? Das Arsenal mit Arsene Wenger, zu dem ein 19-jähriger Ibrahimovic vor einer Einladung zum Probetraining meinte: "No way! Zlatan gibt keine Vorstellung."

Welchen Einfluss hatte Jose Mourinho auf die Verpflichtung?

Ein Trainer muss Ibrahimovic wollen, um mit ihm sinnvoll arbeiten zu können. Er passt nicht in jede Mannschaft, ist manchmal eigenwillig und nicht immer taktisch diszipliniert. Aber er ist und bleibt eine Tormaschine, die, richtig eingesetzt, unglaublich schwer zu stoppen ist. Mourinho wird ihn gewollt haben, er ist ein Trainer, der weiß, wie er seine Waffe einbringen muss.

Mourinho und Ibrahimovic kennen sich lange und haben - trotz nur weniger Jahre gemeinsamer Arbeit - eine gute Beziehung zueinander aufgebaut. "Ein Spieler, der mir so viel gegeben hat wie Ibra, wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Ich sehe ihn gerne, begrüße ihn immer, wenn ich die Chance habe und wünsche ihm nur das Beste", erklärte der Portugiese einst.

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Er weiß, wie er mit seinem Stürmer umgehen muss: "Er war sauer, als er auch mich zulief. Er schrie: 'Wir sind Champions. Ich habe viel geholfen, dich zu einem Champion zu machen und nun hilft mir niemand. Ich will ausgewechselt werden. Jetzt.' Aber ich tat so, als würde ich ihn nicht verstehen, fragte ihn: 'Was? Was? Du willst etwas trinken? Wasser?' Ich warf ihm eine Flasche zu und sagte: 'Hier nimm einen Schluck und geh.' Ein paar Minuten später erzielte er ein tolles Tor."

Er sagte einst, es sein "eine Schande", dass Ibrahimovic bis zu seinem Karriereende nie in der Premier League, der "besten Liga der Welt" gespielt haben würde. Nun gibt er ihm die Chance, schließlich ist es mehr als fraglich, ob der Transfer auch mit Louis van Gaal über die Bühne gegangen wäre.

Und so bleibt seinem Schützling nicht viel anderes übrig, als in seiner Biographie zu schreiben: "Dieser Typ sagt, was auch immer er will. Ich mag ihn. Er ist der Anführer seiner Armee und sorgt sich gleichzeitig um seine Spieler. Mourinho wurde zu einem Typ, für den ich bereit war zu sterben."

Welche Einflüsse hat die Verpflichtung auf das Titelrennen der PL?

United bekommt mit Ibrahimovic ein paar Prozentpunkte mehr in seinem Post-Ferguson-Projekt. Was van Gaal zuletzt aufzubauen begann, soll Mourinho nun zu Titeln und Erfolgen führen. Dazu bekommt er mit Zlatan eine Waffe an die Hand, die sein Team direkt von manch anderem Premier-League-Team abhebt. United hat nun einen Spieler, der Partien im Alleingang entscheiden kann.

Das können auch Rooney, Depay oder Martial. Allerdings nicht auf diesem Niveau, nicht auf dem Niveau von Zlatan, der sich in einer Reihe mit Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi einordnen darf, was Tore und Torbeteiligungen angeht. Ibrahimovic ist ein Upgrade, das aus Silberware Gold machen kann und soll. Zusammen mit Mourinho, zusammen mit Rooney und wohl auch zusammen mit Henrikh Mkhitaryan.

Dann hat ManUnited vielleicht in einem Transfersommer zwei der besten Spieler der Welt unter Vertrag genommen und zu einem Team mit ohnehin schon großem Potenzial hinzugefügt. Ein Trainer, der die Teile passend verbindet und schon ist United von den Rängen drei, vier oder fünf hinaufgehievt auf Rang zwei oder eins.

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Die Theorie ist hier einfach, ob es allerdings auch in der Praxis so schnell funktioniert, ist dann doch in weiter Ferne. Mit Pep Guardiola in der gleichen Stadt beim Verein in Blau, den erstarken Tottenham Hotspur und Chelsea mit Antonio Conte ist die Premier League im kommenden Jahr hochklassig besetzt. Dazu kommen potentielle Konkurrenten wie Arsenal, Leicester oder Liverpool.

Ibrahimovic unterschrieb vorerst einen Einjahresvertrag, somit ist auch er nur ein Schritt in der geplanten Entwicklung. Vielleicht hängt er noch ein Jahr dran, das würde aber wohl stark vom Erreichen der Champions League abhängig sein - diese hat er schließlich noch nie gewonnen.

Wie geht es für Paris Saint-Germain ohne Ibrahimovic weiter?

PSG trennte sich in diesem Sommer nicht nur von Ibrahimovic sondern auch von Laurent Blanc. Die Februar-Meisterschaft war den Verantortlichen offenbar nicht genug, so der generelle Kommentar zur Entlassung des Trainers. Doch vielleicht blickten die Investoren auch weiter voraus und sahen Blanc nicht in der Lage, ein Team ohne den herausragenden Ibrahimovic (38 Tore in 31 Spielen) weiterzuentwickeln.

Mit Unai Emery kam ein anderer Ansatz in die französische Hauptstadt, um einen direkten Ersatz für Zlatan scheint man sich bisher nicht zu bemühen. Paris hat andere Pläne, die sich weit von dem entfernen, was man einst mit dem Schweden auf dem Platz spielte, so der Anschein. Man scheint seinen Abgang auch als Chance zu begreifen, sich flexibler und weniger abhängig aufzustellen, um schließlich auch in der Königsklasse bessere Leistungen zu erzielen.

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Dort blieb Ibrahimovic im Viertelfinale gegen Manchester City vergleichsweise blass, sein Team schied trotz Treffer aus. PSG hat es in all den Jahren, trotz starker Anlagen, nie geschafft, den Schritt vom Mit-Favoriten zum Favoriten auf die Champions League zu machen und blieb stehts ein Top-Team im erweiterten Rahmen.

Somit gehen die Franzosen eventuell genau den Schritt zurück, den ManUnited nun macht. Während die Engländer darauf hoffen, von Ibrahimovic auf ein neues Niveau gehoben zu werden, hat er diese Mission in Paris erfüllt. "Manchester ist mein nächstes Ziel", ist damit schon etwas anders interpretierbar. Es geht jetzt darum, auf eigenen Beinen zu stehen, das Potenzial dazu hat der Klub in vielerlei Hinsicht.

Und vielleicht, ganz vielleicht, hofft der Klub auch einfach auf den Fluch, der auf Zlatan Ibrahimovic liegt. Verlässt er einen Klub, gewinnt dieser mit großer Wahrscheinlichkeit im darauffolgenden Jahr die Champions League.