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Wer hätte gedacht, dass...?

Florian BognerSPOX
07. August 201123:56
Neue Saison, altes Bild: Jubelnde Dortmunder liegen sich nach einem Torerfolg in den ArmenGetty
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Die Saison 2011/12 ist gerade mal 9x90 Minuten alt und hat schon ihre ersten Überraschungen. Die unglaubliche Dominanz des Meisters Borussia Dortmund, zum Beispiel. Oder die offenbar kaum veränderte Spielanlage des FC Bayern. Oder Werder Bremen, das plötzlich verteidigen kann - wenn da nicht die Gerüchte um Per Mertesacker wären. Und was macht Felix Magath eigentlich mit dem VfL Wolfsburg an der Tabellenspitze? Die verblüffensten Themen des Spieltags zusammengefasst.

Wer hätte gedacht, dass...

...Dortmund erneut Maßstäbe setzt?Die ultimative Huldigung kam am Sonntag von ganz oben, vom Kaiser höchstpersönlich. "Dortmund ist spielerisch stärker", sagte Franz Beckenbauer bei "Sky90" und meinte: stärker als der haushohe Meisterschaftsfavorit FC Bayern München.

Und in der Tat: Dortmunds Demonstration der Stärke zum Saisonauftakt gegen den Hamburger SV war eher ein gefühltes 5:0 und kein "normales" 3:1. "Am Ende ist die Konzentration ein wenig abgefallen, aber das ist menschlich. Schließlich wurde es gefühlt noch mal enger als es hätte sein müssen", befand auch Trainer Jürgen Klopp.

Zuvor hatte der BVB seinen Gegner teilweise vorgeführt, was die Konkurrenz eigentlich erneut in blanke Panik versetzen müsste. Auch ohne Nuri Sahin und die verletzten Neven Subotic, Marcel Schmelzer und Lucas Barrios war da nichts von einem Substanzverlust zu spüren, im Gegenteil. Kevin Großkreutz rannte sich erneut die Füße blutig, Ilkay Gündogan machte das Zentrum dicht, Mario Götze und Shinji Kagawa brillierten als Spielgestalter und Robert Lewandowski mimte den Prototyp eines mitspielenden Mittelstürmers.

Kurzum: Hamburg war chancenlos. "Das Umschalten bei der Borussia ist meisterlich. Es gibt keine Mannschaft, die das besser macht", lobte auch Felix Magath am Sonntag anerkennend. Klopp hält dagegen den Ball flach und verweist auf die Grundtugenden Zweikampfstärke und Laufbereitschaft. "Was wir spielen, ist kein Hexenwerk. Wir verteidigen gut gegen den Ball und gegen den Gegner. Wenn das Spiel statisch wird, bekommt man Probleme. Wir sind zehn Kilometer mehr gelaufen als der HSV, das sagt grundsätzlich noch nicht viel aus. Aber bei uns hat auch die Richtung gestimmt."

Bundestrainer Joachim Löw kam jedenfalls aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Ich habe selten bei einem Auftaktspiel eine so harmonische und eingespielte Mannschaft gesehen. Dortmund war in allen Belangen überragend. Mir scheint, dass Borussia Dortmund in diesem Jahr genauso stark, wenn nicht gar stärker sein kann als im letzten Jahr", sagte Löw - und der muss es wissen.

...der FC Bayern unter Heynckes genauso spielt, wie unter van Gaal?Zugegeben, im ersten Saisonspiel unter Jupp Heynckes eine ganz andere Mannschaft zu erwarten, wäre utopisch gewesen. Dennoch erinnerte das Spiel der ideenlos anrennenden Bayern gefährlich an die Endphase der Ära van Gaal - inklusive eklatanter Patzer in der Abwehr - und stellte damit gewissermaßen einen Rückschritt im Vergleich zu den fünf Partien unter Andries Joker zu Saisonschluss dar.

"Wenn man gegen solch einen defensiven Riegel anspielt, muss man flexibler spielen und das Tempo erhöhen", kritisierte Heynckes nach dem verkorksten Auftakt und skizzierte damit aber gleichsam auch die Hauptpunkte, die er vor der Saison als sein größtes Arbeitsfeld ausgegeben hatte. Letztlich muss sich Heynckes aber auch ankreiden lassen, gegen Gladbach aufs falsche Pferd gesetzt zu haben.

Die erfolgreiche DFB-Pokalelf mit dem starken Duo Rafinha/Thomas Müller auf rechts zu Gunsten eines nur halbwegs fitten Arjen Robben zu sprengen, erwies sich als Fehlschlag. Auch Franck Ribery überzeugte als Joker nicht. Nils Petersen wurde dagegen erst zu spät als zweiter Stürmer in den Gladbacher Strafraum beordert, könnte man Heynckes vorwerfen, der zudem sein Wechselkontingent nicht voll ausschöpfte und so auf den Einsatz der dribbelstarken David Alaba und Takashi Usami verzichtete.

Dass ausgerechnet Nationaltorhüter Manuel Neuer bei seinem Bundesliga-Debüt für die Bayern patzte, muss indes nichts bedeuten. Jean-Marie Pfaff ist bei seinem Debüt 1982 - Stichwort: Einwurf Reinders - ein noch schlimmerer Klops unterlaufen, was ihn aber nicht daran hinderte, sechs weitere Jahre das Tor der Bayern recht erfolgreich zu hüten.

Die Chance zur Wiedergutmachung hat der FCB nächste Woche in Wolfsburg. Felix Magath jedenfalls sieht den Gladbacher Sieg in München mit gemischten Gefühlen. "Recht ist es mir natürlich nicht, dass die Bayern heute verloren haben", sagte er am Sonntagabend. "Klar ist: So ein Start hinterlässt beim FC Bayern Spuren." Wie auch immer sich das auf die nächsten Leistungen auswirken mag.

...Wolfsburg nach der Pokalpleite prompt Tabellenführer wird? Es ist ganz einfach: Wolfsburg ist nicht so schlecht, wie es nach dem Pokal-Aus gegen RB Leipzig (2:3) gemacht wurde. Aber ist es denn so gut, wie es nach dem 3:0-Auftaktsieg in Köln dasteht? Jedenfalls zeigte Felix Magaths Team am 1. Spieltag mal wieder Tugenden wie Aggressivität gegen den Ball, Zweikampfstärke und Zusammenhalt.

Der Lohn: ein klarer Sieg, der allerdings zwischenzeitlich auch gefährdet war. Denn hätte FC-Stürmer Milivoje Novakovic nicht in der 78. Minute beim Stande von 0:1 freistehend vergeben, hätte das Spiel auch anders ausgehen können. So bekam Magath den Beweis, dass seine schroffe Ansprache an die Mannschaft und der Wechsel des Spielführers in der vergangenen Woche gleich gefruchtet haben.

Dass mit Christian Träsch nun ein Neuzugang die Kapitänsbinde trägt, begründete Magath wie folgt: "Ich wollte ein Zeichen setzen, denn ich hatte das Gefühl, dass in Wolfsburg und in der Mannschaft noch zu viel über die alte Meisterschaft gesprochen wird. Deswegen habe ich mich für einen neuen Spieler entschieden, um klarzumachen, dass jetzt eine neue Spielzeit mit neuen Vorzeichen beginnt."

Ob dafür weiter Verstärkung gesucht wird, will Magath indes nicht verraten. Auf der einen Seite sagt der Coach: "Ich vertraue den Spielern, die ich bisher geholt habe." Auf der anderen Seite schließt er ein Interesse an Freiburg-Stürmer Papiss Demba Cisse, wegen dem angeblich schon Verhandlungen laufen sollen, nicht aus: "Ich kann es nicht bestätigen, möchte es aber auch nicht dementieren."

Wie realistisch das Saisonziel "internationales Geschäft" ist, werden die nächsten Aufgaben zeigen. Zunächst kommt der FC Bayern, dann geht es zweimal auswärts gegen Mönchengladbach und Freiburg, ehe Schalke zu den Niedersachsen reist. Kein einfaches Programm. Magath sagt dennoch: "Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dieser Mannschaft unsere Ziele, unter die ersten Plätze in der Bundesliga zu kommen, erreichen können."

Seite 2: Leverkusens T-Frage, Werders Abwehr, Schalkes Probleme

Wer hätte gedacht, dass...

...Leverkusen mal ein echtes Torwart-Problem bekommt? Eigentlich sah im Kasten alles gut aus. Einen der besten Keeper Deutschlands als Nummer eins, dahinter ein junger Mann mit Potenzial und ein gestandener Torwart mit der Erfahrung von 85 Zweitliga-Spielen. Stand 7. August braucht Bayer dennoch einen neuen Mann für zwischen die Pfosten.

In Abwesenheit von Rene Adler (Patellasehnen-OP) nahmen sich David Yelldell und Fabian Giefer mit ihren Patzern in Dresden und Mainz nämlich selbst aus der Verantwortung, einen zuverlässigen Backup für den Nationaltorhüter abzugeben. Giefer holte sich bei der Pleite bei den 05ern obendrein noch eine Gehirnerschütterung ab und muss wohl ein bis zwei Tage zur Beobachtung in der Klinik bleiben.

"Jetzt kann ich mein Bild von unseren Torleuten abrunden", hatte Trainer Robin Dutt noch vor dem Spiel gesagt. In gewisser Weise ist das auch richtig, denn Bayer wird wohl noch mal auf dem Transfermarkt aktiv werden. Jens Lehmann oder Timo Hildebrand werden es wohl nicht sein, aber vielleicht der Stuttgarter Nachwuchstorhüter Bernd Leno.

"Bernd Leno ist ein Thema. Er ist hochtalentiert, gilt als eines der größten Talente in ganz Deutschland. Ob wir ihn holen können, hängt auch ein wenig vom VfB Stuttgart ab", sagte Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser am Sonntag. Das Anforderungsprofil steht jedenfalls: "Wenn wir einen neuen Torhüter holen, dann soll er stärker sein als die beiden anderen, aber er sollte keine Konkurrenz zu Rene Adler sein."

Adler selbst fällt wohl noch bis Oktober, also mindestens sieben Spieltage lang, aus und wird auch den Champions-League-Start verpassen. Hektik ist im Leno-Lager allerdings noch nicht ausgebrochen. "Wir sehen die Sache ganz entspannt", wird Berater Uli Ferber im "Express" zitiert. "Es ehrt Bernd, dass sich Bayer mit ihm beschäftigt."

...Werders Abwehr gleich gut steht? Zeitweise hatte Werder Bremen vor der Saison mehr verletzte als fitte Abwehrspieler - und der Trainer schlug Alarm. Sebastian Boenisch (Knorpelschaden), Naldo (Knochenödem) und Mickael Silvestre (Knorpelschaden) fehlten nun zwar auch zum Saisonstart auf dem Spielberichtsbogen, aber dafür konnte Per Mertesacker nach überstandener Fersenverletzung als Kapitän auflaufen und Sebastian Prödl nach seinem Muskelriss überraschend bereits wieder auf der Bank Platz nehmen.

Und obwohl die Viererkette neben Mertesacker ausschließlich aus Neuzugängen (Sokratis Papastathopoulos, Andreas Wolf, Lukas Schmitz) bestand, spielte Werder zum Saisonauftakt endlich mal wieder zu Null. Ein Kunststück, das den Bremern seit 2004 nicht mehr gelungen war. Wolf und Mertesacker hatten darüber hinaus überragende Zweikampfwerte vorzuweisen, Schmitz bereitete ein Tor vor.

Mertesacker hielt nach nur wenigen Trainingseinheiten mit der Mannschaft 90 Minuten lang durch und war mit der beste Bremer auf dem Platz - auch wenn er nach Abpfiff erstmal für ein paar Momente ausgepumpt auf dem Rasen liegenblieb. "Das war nicht bezeichnend für das Spiel, aber für meine körperliche Verfassung. Die war am Ende wirklich grenzwertig", gestand der Nationalspieler hinterher.

Für die kommenden Spiele dürfte sich damit erstmal eine Grundformation gefunden haben, die Hoffnung auf mehr macht - würde Mertesacker selbst nicht unter Beobachtung einiger Interessenten stehen und ein klares Bekenntnis zu Werder vermeiden. "Einen Wechsel auszuschließen, ist schwierig in der Situation, in der sich Werder befindet", meinte der Innenverteidiger. "Es muss überall gespart werden. Was da genau passiert, kann ich jetzt noch nicht sagen."

Mehmet Ekici und die anderen Mitspieler hoffen jedenfalls, dass Mertesacker bleibt: "Er ist ein absoluter Führungsspieler, eine Stütze für uns und gibt uns in der Defensive durch seine Routine sehr viel Sicherheit." Womit schon mal der Grundstein für eine erfolgreichere Saison gelegt wäre.

...die Schalker Probleme in der Liga weitergehen? Eigentlich sollte Platz 14 aus der Vorsaison nur ein Ausrutscher sein. Doch wie im Vorjahr startete Schalke äußerst bescheiden und grüßt nach der ersten Runde vom Tabellenende. "Was gefehlt hat, war die Entschlossenheit im Abschluss und das fehlende Bestreben, ein Tor zu machen", sagte Trainer Ralf Rangnick. Erschreckend war dabei, wie leidenschaftslos sich Königsblau in Stuttgart am Ende in sein Schicksal ergab. "Da war zu wenig Bewegung, da war zu wenig Liebe im Spiel", erkannte auch Ex-Trainer Huub Stevens als TV-Experte.

Rangnick muss schleunigst einige Baustellen schließen. Im Mittelfeld hat der Trainer bislang weder ein zufriedenstellendes System noch das rechte Stammpersonal dafür gefunden. In der Abwehr mangelt es an Abstimmung und vorne gelang Klaas-Jan Huntelaar seit November 2010 nur ein Bundesliga-Tor. "Wir sind noch nicht so weit, wie wir erhofft haben", sagte Kapitän Benedikt Höwedes nach dem 0:3 in Stuttgart selbstkritisch. "Ich hätte gedacht, dass wir ein Stückchen weiter sind."

Dazu leidet Raul an Entfremdung. Von Felix Magath stets auf Spanisch angesprochen und über alle Zweifel erhaben mit einer Stammplatzgarantie ausgestattet, will der Spanier nicht so recht in Rangnicks Planungen passen. Die Rolle als Spielgestalter liegt dem 34-Jährigen jedenfalls nicht: in Stuttgart war er mit nur 22 Ballkontakten und ohne Zugriff aufs Spiel schlechtester Schalker.

Hoffnung machte dagegen Alexander Baumjohann, der unter Rangnick richtiggehend aufblüht und sich erstmal gegen die Konkurrenz auf der rechten Mittelfeldseite durchgesetzt haben dürfte. Er hatte die Niederlage auch schnell abgehakt. "In der vergangenen Saison haben wir die ersten vier Spiele verloren, jetzt eins. Wenn wir gegen Köln gewinnen, stehen wir besser da als im letzten Jahr", sagte Baumjohann. Das wäre dann zumindest schon mal ein Anfang.

Seite 1: BVB-Maßstäbe, Bayerns Ideenlosigkeit, Wolfsburgs Auferstehung

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