Wer hätte gedacht, dass...?

Von Florian Bogner
Neue Saison, altes Bild: Jubelnde Dortmunder liegen sich nach einem Torerfolg in den Armen
© Getty

Die Saison 2011/12 ist gerade mal 9x90 Minuten alt und hat schon ihre ersten Überraschungen. Die unglaubliche Dominanz des Meisters Borussia Dortmund, zum Beispiel. Oder die offenbar kaum veränderte Spielanlage des FC Bayern. Oder Werder Bremen, das plötzlich verteidigen kann - wenn da nicht die Gerüchte um Per Mertesacker wären. Und was macht Felix Magath eigentlich mit dem VfL Wolfsburg an der Tabellenspitze? Die verblüffensten Themen des Spieltags zusammengefasst.

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Wer hätte gedacht, dass...

...Dortmund erneut Maßstäbe setzt?Die ultimative Huldigung kam am Sonntag von ganz oben, vom Kaiser höchstpersönlich. "Dortmund ist spielerisch stärker", sagte Franz Beckenbauer bei "Sky90" und meinte: stärker als der haushohe Meisterschaftsfavorit FC Bayern München.

Und in der Tat: Dortmunds Demonstration der Stärke zum Saisonauftakt gegen den Hamburger SV war eher ein gefühltes 5:0 und kein "normales" 3:1. "Am Ende ist die Konzentration ein wenig abgefallen, aber das ist menschlich. Schließlich wurde es gefühlt noch mal enger als es hätte sein müssen", befand auch Trainer Jürgen Klopp.

Zuvor hatte der BVB seinen Gegner teilweise vorgeführt, was die Konkurrenz eigentlich erneut in blanke Panik versetzen müsste. Auch ohne Nuri Sahin und die verletzten Neven Subotic, Marcel Schmelzer und Lucas Barrios war da nichts von einem Substanzverlust zu spüren, im Gegenteil. Kevin Großkreutz rannte sich erneut die Füße blutig, Ilkay Gündogan machte das Zentrum dicht, Mario Götze und Shinji Kagawa brillierten als Spielgestalter und Robert Lewandowski mimte den Prototyp eines mitspielenden Mittelstürmers.

Kurzum: Hamburg war chancenlos. "Das Umschalten bei der Borussia ist meisterlich. Es gibt keine Mannschaft, die das besser macht", lobte auch Felix Magath am Sonntag anerkennend. Klopp hält dagegen den Ball flach und verweist auf die Grundtugenden Zweikampfstärke und Laufbereitschaft. "Was wir spielen, ist kein Hexenwerk. Wir verteidigen gut gegen den Ball und gegen den Gegner. Wenn das Spiel statisch wird, bekommt man Probleme. Wir sind zehn Kilometer mehr gelaufen als der HSV, das sagt grundsätzlich noch nicht viel aus. Aber bei uns hat auch die Richtung gestimmt."

Bundestrainer Joachim Löw kam jedenfalls aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Ich habe selten bei einem Auftaktspiel eine so harmonische und eingespielte Mannschaft gesehen. Dortmund war in allen Belangen überragend. Mir scheint, dass Borussia Dortmund in diesem Jahr genauso stark, wenn nicht gar stärker sein kann als im letzten Jahr", sagte Löw - und der muss es wissen.

...der FC Bayern unter Heynckes genauso spielt, wie unter van Gaal?Zugegeben, im ersten Saisonspiel unter Jupp Heynckes eine ganz andere Mannschaft zu erwarten, wäre utopisch gewesen. Dennoch erinnerte das Spiel der ideenlos anrennenden Bayern gefährlich an die Endphase der Ära van Gaal - inklusive eklatanter Patzer in der Abwehr - und stellte damit gewissermaßen einen Rückschritt im Vergleich zu den fünf Partien unter Andries Joker zu Saisonschluss dar.

"Wenn man gegen solch einen defensiven Riegel anspielt, muss man flexibler spielen und das Tempo erhöhen", kritisierte Heynckes nach dem verkorksten Auftakt und skizzierte damit aber gleichsam auch die Hauptpunkte, die er vor der Saison als sein größtes Arbeitsfeld ausgegeben hatte. Letztlich muss sich Heynckes aber auch ankreiden lassen, gegen Gladbach aufs falsche Pferd gesetzt zu haben.

Die erfolgreiche DFB-Pokalelf mit dem starken Duo Rafinha/Thomas Müller auf rechts zu Gunsten eines nur halbwegs fitten Arjen Robben zu sprengen, erwies sich als Fehlschlag. Auch Franck Ribery überzeugte als Joker nicht. Nils Petersen wurde dagegen erst zu spät als zweiter Stürmer in den Gladbacher Strafraum beordert, könnte man Heynckes vorwerfen, der zudem sein Wechselkontingent nicht voll ausschöpfte und so auf den Einsatz der dribbelstarken David Alaba und Takashi Usami verzichtete.

Dass ausgerechnet Nationaltorhüter Manuel Neuer bei seinem Bundesliga-Debüt für die Bayern patzte, muss indes nichts bedeuten. Jean-Marie Pfaff ist bei seinem Debüt 1982 - Stichwort: Einwurf Reinders - ein noch schlimmerer Klops unterlaufen, was ihn aber nicht daran hinderte, sechs weitere Jahre das Tor der Bayern recht erfolgreich zu hüten.

Die Chance zur Wiedergutmachung hat der FCB nächste Woche in Wolfsburg. Felix Magath jedenfalls sieht den Gladbacher Sieg in München mit gemischten Gefühlen. "Recht ist es mir natürlich nicht, dass die Bayern heute verloren haben", sagte er am Sonntagabend. "Klar ist: So ein Start hinterlässt beim FC Bayern Spuren." Wie auch immer sich das auf die nächsten Leistungen auswirken mag.

...Wolfsburg nach der Pokalpleite prompt Tabellenführer wird? Es ist ganz einfach: Wolfsburg ist nicht so schlecht, wie es nach dem Pokal-Aus gegen RB Leipzig (2:3) gemacht wurde. Aber ist es denn so gut, wie es nach dem 3:0-Auftaktsieg in Köln dasteht? Jedenfalls zeigte Felix Magaths Team am 1. Spieltag mal wieder Tugenden wie Aggressivität gegen den Ball, Zweikampfstärke und Zusammenhalt.

Der Lohn: ein klarer Sieg, der allerdings zwischenzeitlich auch gefährdet war. Denn hätte FC-Stürmer Milivoje Novakovic nicht in der 78. Minute beim Stande von 0:1 freistehend vergeben, hätte das Spiel auch anders ausgehen können. So bekam Magath den Beweis, dass seine schroffe Ansprache an die Mannschaft und der Wechsel des Spielführers in der vergangenen Woche gleich gefruchtet haben.

Dass mit Christian Träsch nun ein Neuzugang die Kapitänsbinde trägt, begründete Magath wie folgt: "Ich wollte ein Zeichen setzen, denn ich hatte das Gefühl, dass in Wolfsburg und in der Mannschaft noch zu viel über die alte Meisterschaft gesprochen wird. Deswegen habe ich mich für einen neuen Spieler entschieden, um klarzumachen, dass jetzt eine neue Spielzeit mit neuen Vorzeichen beginnt."

Ob dafür weiter Verstärkung gesucht wird, will Magath indes nicht verraten. Auf der einen Seite sagt der Coach: "Ich vertraue den Spielern, die ich bisher geholt habe." Auf der anderen Seite schließt er ein Interesse an Freiburg-Stürmer Papiss Demba Cisse, wegen dem angeblich schon Verhandlungen laufen sollen, nicht aus: "Ich kann es nicht bestätigen, möchte es aber auch nicht dementieren."

Wie realistisch das Saisonziel "internationales Geschäft" ist, werden die nächsten Aufgaben zeigen. Zunächst kommt der FC Bayern, dann geht es zweimal auswärts gegen Mönchengladbach und Freiburg, ehe Schalke zu den Niedersachsen reist. Kein einfaches Programm. Magath sagt dennoch: "Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dieser Mannschaft unsere Ziele, unter die ersten Plätze in der Bundesliga zu kommen, erreichen können."

Seite 2: Leverkusens T-Frage, Werders Abwehr, Schalkes Probleme

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