Bei Hertha BSC werden Klatschen offenbar zur Gewohnheit, Union Berlin erinnert derweil ein bisschen an Atalanta Bergamo. Und der BVB muss im Angriff nachjustieren. Die Thesen zum 6. Bundesligaspieltag.
Hertha BSC: Selbstüberschätzung hat Champions-League-Format
Am Ende waren es satte 4,55 xGoals, die sich RB Leipzig gegen Hertha BSC herausschoss. Und im echten Leben reichte das dann sogar für sechs Treffer gegen einen Gegner, der einmal mehr kein Bundesligaformat erreichte. Auf dem Papier mag das den einen oder anderen überrascht haben nach den Ergebnissen der letzten Wochen.
Aber wenn man sich die Leistungen der beiden Mannschaften und vor allen Dingen jene der Hertha auch bei den letzten Siegen gegen Bochum und Fürth vor Augen führt, kam dieser Zusammenbruch alles andere als unerwartet. Wobei damit immer noch nicht geklärt ist, wie um Himmels willen sich die Berliner das eigentlich vorgestellt hatten in Leipzig und wie man so fahrlässig in eine Partie gegen eine der besten Mannschaften der Liga gehen kann?
Die Vermutung: Bei der Hertha haben immer noch nicht alle kapiert, dass es in dieser Saison eher gegen den Abstieg geht als um einen Platz im internationalen Wettbewerb. Die Selbstüberschätzung einiger Spieler hat offenbar schon Champions-League-Format erreicht. Die Leistungen weisen ein in allen Belangen überfordertes Kellerkind aus. So lange sich das falsche Anspruchsdenken nicht der Realität annähert, wird sich daran auch nichts ändern. Und peinliche Auftritte wie in Leipzig auch die Regel werden und nicht eine Ausnahme.
Gladbachs Königstransfer ist erst 18 Jahre alt
Apropos Hertha: Da spielte bis vor ein paar Wochen auch noch Luca Netz. Der Teenager hat in Berlin den Durchbruch zum Bundesligaspieler geschafft, für die Hertha sein erstes Tor erzielt. Netz wäre ein Versprechen für die Zukunft gewesen, aber Hertha ließ den Hoffnungsträger für vier Millionen Euro nach Gladbach ziehen - und Netz dort schnell in die großen Fußstapfen des ewigen Oscar Wendt treten. Der 18-Jährige spielte beim 1:0 gegen Borussia Dortmund groß auf und hatte einen enormen Einfluss auf das Spiel der Gastgeber.
Netz bremste den zuletzt sehr starken Thomas Meunier gegen den Ball ziemlich ein und setzte immer wieder starke Offensivakzente, unter anderem feuerte Netz die meisten Torschüsse aller Spieler auf dem Platz ab - obwohl er nur 70 Minuten mitspielen durfte, ehe er von Hannes Wolf ersetzt wurde. Streng genommen war Netz der einzige Transfer der Borussia in diesem Sommer, mit dem Youngster hat Mönchengladbach aber eine sehr gute Wahl getroffen.
Das Symbol der Stuttgarter Probleme
Der VfB würgt sich gegen Bochum zu einem Punkt, bleibt damit aber auch im fünften Spiel in Folge ohne Sieg. Dem VfB geht diese Leichtigkeit ab, die die Mannschaft in der letzten Saison noch ausgezeichnet hat. Das gilt für alle Spielphasen und ist am besten zu dokumentieren an Wataru Endo. Der Japaner ist eigentlich eine Bank, das Scharnier zwischen Defensive und Offensive. Aber Endo hängt die kaum vorhandene Sommerpause nach, seine Dauerbeanspruchung seit nunmehr fast anderthalb Jahren wird immer mehr zu einem Problem. Endo wurde für Olympia abgestellt und nimmt bisher auch alle Reisen für die japanische Nationalmannschaft im Rahmen der WM-Qualifikation mit. Deshalb wirkt Mister Zuverlässig ein bisschen überspielt und das merkt man in einer Mittelfeld-Konstellation mit dem nach einer halbjährigen Verletzung erst zurückgekehrten Orel Mangala derzeit enorm an. Vielleicht müsste der VfB als Arbeitgeber mit dem Spieler und dem japanischen Verband sprechen wegen der Länderspielabstellungen im Oktober. Mit einem Endo auf Sparflamme ist schließlich keinem geholfen.
BVB benötigt einen Haaland-Backup
Die kurzfristigen Ausfälle von Marco Reus und Erling Haaland veränderten das Spiel von Borussia Dortmund in Gladbach quasi schon vor dem Anpfiff. Trainer Marco Rose stellte die Grundordnung um, verzichtete auf eine klare Zehn und stellte Youssoufa Moukoko neben Donyell Malen in den Angriff.
Haalands Wucht und dessen Fähigkeit, permanent die Tiefe zu bedrohen, gingen dem BVB komplett ab, dafür ist Moukoko körperlich noch nicht in der Lage. Also fehlte ein ganz entscheidender Baustein im Dortmunder Offensivspiel - ganz abgesehen von der Torgefahr am und im gegnerischen Strafraum.
Haaland verpasste erst sein neuntes Bundesligaspiel, seit er für die Borussia spielt und die Bilanz seiner Mannschaft ist dabei eher durchwachsen: Fünf Siegen stehen schon drei Niederlagen und ein Remis gegenüber. Statt 2,06 Punkten mit Haaland holte der BVB in diesen Spielen ohne Haaland nur 1,78 Punkte pro Spiel, auf eine Saison hochgerechnet wäre das eine Differenz von rund zehn Punkten.
Mit dem 16-jährigen Moukoko und Steffen Tigges, der zwischen der zweiten Mannschaft und dem Profikader hin und her pendelt, hat Dortmund nur zwei Alternativen als reine Stoßstürmer im Kader. Die anderen Top-Klubs der Liga haben dagegen mindestens einen "echten" Ersatz für den Fall, dass ihr bester Torjäger einmal (länger) ausfallen sollte. Die Borussia täte gut daran, sich im Winter um eine Alternative umzusehen.
Union Berlin als deutsches Atalanta Bergamo
Atalanta Bergamo unter Gian Piero Gasperini ist nicht nur eine der aufregendsten Mannschaften Europas, die Italiener haben die Grundordnung mit der Dreierkette und zwei sehr aktiven Schienenspielern auf den Seiten davor auch wieder auf die Agenda des internationalen Fußballs gehoben.
In seiner Transformation vom reaktiven Langholz-Team hin zu einer dominant auftretenden Mannschaft bedient sich der 1. FC Union dabei einiger Stilmittel der Italiener und unter anderem kommt den Flügelspielern dabei eine sehr große Rolle zu. Nicht nur, dass Christopher Trimmel und Niko Gießelmann dauerhaft marschieren und Flanken schlagen - die beiden eher nicht als Torjäger bekannten Spieler sind seit dieser Saison auch immer mehr in torgefährliche Abschlussaktionen involviert.
Durch das Einrücken des ballfernen Flügelspielers besonders bei Flanken entstehen immer wieder Torchancen, Trimmel und Gießelmann fungieren in diesen Situationen wie zusätzliche Stürmer, die der Gegner kaum auf dem Schirm hat und die damit als Zielspieler immer öfter in Erscheinung treten. In den letzten Wochen tat sich Gießelmann besonders hervor, gegen die tief stehenden Bielefelder war es nun Trimmel, der die meisten Torschüsse seiner Mannschaft abgab.
Bundesliga: Die Tabelle nach dem 6. Spieltag
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 6 | 23:5 | 18 | 16 |
2. | Bayer Leverkusen | 6 | 16:7 | 9 | 13 |
3. | VfL Wolfsburg | 6 | 8:5 | 3 | 13 |
4. | Borussia Dortmund | 6 | 17:12 | 5 | 12 |
5. | SC Freiburg | 6 | 9:4 | 5 | 12 |
6. | 1. FSV Mainz 05 | 6 | 6:3 | 3 | 10 |
7. | 1. FC Köln | 6 | 10:8 | 2 | 9 |
8. | 1. FC Union Berlin | 6 | 8:8 | 0 | 9 |
9. | TSG Hoffenheim | 6 | 11:8 | 3 | 8 |
10. | RB Leipzig | 6 | 12:7 | 5 | 7 |
11. | Borussia M'gladbach | 6 | 6:9 | -3 | 7 |
12. | Hertha BSC | 6 | 7:18 | -11 | 6 |
13. | VfB Stuttgart | 6 | 9:12 | -3 | 5 |
14. | Eintracht Frankfurt | 6 | 6:9 | -3 | 5 |
15. | FC Augsburg | 6 | 2:11 | -9 | 5 |
16. | Arminia Bielefeld | 6 | 3:6 | -3 | 4 |
17. | VfL Bochum | 6 | 4:13 | -9 | 4 |
18. | SpVgg Greuther Fürth | 6 | 4:16 | -12 | 1 |
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