Einseitiges Risiko?

Benedikt Treuer
07. März 201612:00
Martin Schmidt (l.) und Rouven Schröder arbeiten ab der kommenden Saison zusammenimago
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Rouven Schröder steht offiziell als Nachfolger von Christian Heidel als Manager beim 1. FSV Mainz 05 fest. Das gaben die Nullfünfer vergangenen Mittwoch bekannt. Doch ist er der geeignete Mann für den Posten? Was bedeutet der Wechsel für Werder? Und wie hoch ist die Fallhöhe bei sportlichem Misserfolg? SPOX beantwortet die fünf wichtigsten Fragen.

Ist Schröder der geeignete Heidel-Nachfolger?

In Mainz ist man überzeugt: Ja, das ist er. Wäre sich der Verein nicht so sicher gewesen, hätte man in den vergangenen Wochen nicht so offensichtlich in der Öffentlichkeit um Schröder gebuhlt. Die Rheinhessen arbeiteten mit Nachdruck daran, Werders Direktor Sport aus Bremen loszueisen.

Aus diversen Quellen war seit Beginn der Gerüchte um einen Heidel-Wechsel zu Schalke zu hören gewesen, dass der FSV seinem Manager die Freigabe für Gelsenkirchen nur erteilen würde, wenn er selbst einen passenden Nachfolger finden würde. Präsident Harald Strutz betonte zwar immer wieder, dass der gesamte Vorstand an der Entscheidungsfindung mitgewirkt habe, einen nicht unwesentlichen Part in der Personalie Schröder wird letztlich aber trotzdem Heidel gespielt haben.

Man kann also vermuten, dass der scheidende Manager darauf geachtet hat, einen Nachfolger zu finden, der ihm in Sachen Denkweise und Verständnis für Strukturen zumindest ähnelt. Der Verein Mainz 05 liegt Heidel nach 24 Jahren viel zu sehr am Herzen, als dass er für den Umbruch im Verein einen voreiligen Schnellschuss wagen würde - auch nicht, obwohl sein Weggang bereits feststeht.

Für die Öffentlichkeit dagegen ist Rouven Schröder schwer einzuschätzen. Der Ex-Profi arbeitete nach seiner aktiven Karriere zunächst als Assistenztrainer, ehe er 2010 beim 1. FC Nürnberg im Bereich Analyse und Scouting einstieg. 2012 wechselte er zu Greuther Fürth und wurde ein Jahr später bei den Mittelfranken zum sportlichen Leiter befördert. 2014 folgte der Wechsel nach Bremen, wo er für die Kaderplanung zuständig war.

Während seiner Zeit an der Weser flog er jedoch komplett unter dem Radar. Er stand öffentlich stets im Schatten von Geschäftsführer Thomas Eichin, was eine Einschätzung seiner Arbeit schwierig macht. Sein souveränes, seriöses und dennoch sympathisch-lockeres Auftreten lassen jedoch vermuten, dass er vom Charakter her auf jeden Fall nach Mainz passt.

Zudem kann man ihm für seine Arbeit in Fürth ebenfalls ein positives Zeugnis ausstellen: Nach dem Abstieg aus der Bundesliga mit zahlreichen Abgängen stellte er trotzdem wieder eine schlagkräftige Truppe zusammen, die beinahe den Wiederaufstieg schaffte. Er hat also bereits gezeigt, dass er sich auf alle Eventualitäten einstellen kann. Heidel bewies in 24 Jahren Mainz fast immer ein gutes Näschen - gut möglich, dass dieses letzte Mal mit am wichtigsten war.

Was bedeutet Schröders Weggang für Werder?

Spätestens mit der Bekanntgabe des Schröder-Wechsels kamen im Bremer Umfeld vermehrt Stimmen auf, Werder bröckele regelrecht auseinander. Nicht nur die Vereinsverantwortlichen selbst, sondern auch viele Fans und Klub-Partner attestierten dem gebürtigen Sauerländer gute Arbeit - dass der Abgang bitter ist, steht außer Frage.

Bei Werder fungierte Schröder seit der Saison 2014/15 als Direktor Profifußball und Scouting. Im internen sowie öffentlichen Standing war er hinter Eichin als Entscheidungsträger jedoch nur die Nummer zwei. Dennoch galten die beiden gemeinsam als Erneuerer und Mitbegründer des neuen "Bremer Wegs", der noch immer eher einen einstelligen Tabellenplatz vorsieht als das Erreichen eines internationalen Wettbewerbs, was früher Standard und Mindestanforderung an der Weser war.

Wie groß die Stücke tatsächlich sind, die man in Bremen auf Schröder hält, wird an Klaus Filbrys Worten deutlich: "Die Situation ist natürlich nicht ganz günstig für uns, wir sind im Abstiegskampf. Er ist eine wichtige Person bei uns. Man müsste sich in Ruhe hinter den Kulissen unterhalten und eine Lösung finden, die für beide Seiten akzeptabel ist", sagte Werders Geschäftsführer, bevor der Deal offiziell wurde.

Diese Lösung wurde gefunden. Ob sie aus Werder-Sicht aber wirklich so "zufriedenstellend" ist, wie Eichin offiziell bekannte, bleibt fraglich. "Wir möchten uns bei Rouven Schröder für seine engagierte Arbeit in den vergangenen beiden Jahren bedanken und wünschen ihm viel Glück für die neue Aufgabe", so Eichin. In dieser Aussage steckte auch (viel) Wehmut.

Werder muss nun - genauso wie Mainz das tun musste - einen Nachfolger finden, der den Abgang eines wichtigen Denkers kompensiert. Eichin wird eine entscheidende Stütze genommen. Auf dem schrittweisen Weg zur alten Stabilität bedeutet das für den SVW einen deutlichen Dämpfer.

Welche Rolle spielt der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wechsels?

Für den vorausschauend planenden Klub Mainz 05 eine ganz wesentliche. "Wir wollten Rouven Schröder direkt haben und im Sommer einen fließenden Übergang", sagte Strutz. Es ist klar: Die neue Saison beziehungsweise die - so hofft man - nächsten Jahre haben in Mainz bereits begonnen.

Denn: Man will beim FSV keinen klassischen Umbruch. Mit dem Weg, den Heidel über eine so lange Zeit entwickelt und akribisch verfolgt hat, ist man vollends zufrieden. Das ist die Identität von Mainz 05, es ist die Art und Weise, wie dieser Klub funktioniert.

Damit diese Route auch in den nächsten Jahren verfolgt wird, brauchte es Vorlaufzeit, um Schröder für diese Aufgabe zu wappnen. Dabei geht es aber nicht darum, ihm etwas Neues beizubringen, wie Heidel am Sonntag bei Sky betonte: "Es ist kein Lernen, sondern Kennenlernen", so der Noch-Manager: "Es ist doch super, dass ich jetzt genug Zeit habe, ihm unsere Strukturen zu erklären."

Das erklärt zudem die frühe Bekanntgabe des Heidel-Wechsels zu Schalke. Der hatte zuletzt betont, dass ehe er den FSV verlassen würde, erst sein Nachfolger parat stehen müsse. Alle Beteiligten wollten Klarheit und Planungssicherheit.

"Wir sind froh, dass wir diese von Rouven Schröder und uns gewünschte sofortige Freigabe für einen Wechsel nun auch formal über die Bühne gebracht haben", sagte Strutz. Der zuletzt öffentlich in die Kritik geratene Präsident - wegen des eigenen Salärs und der vermeintlichen Planlosigkeit in Sachen Heidel-Nachfolge - verschafft sich durch die schnelle Schröder-Entscheidung vor allem auch Ruhe.

Somit ist die - für Mainz ohnehin sehr untypische - Aufregung schnell wieder verflogen. Man kann sich im Kollektiv wieder auf das Wesentliche konzentrieren.

Was erwartet Schröder in Mainz?

Ihn erwartet vor allem Erwartungshaltung - und zwar eine hohe. "Es ist eine schwere Aufgabe für ihn, das weiß er", sagte Strutz klipp und klar.

Hinter Mainz 05 werden im Sommer über 24 Jahre Christian Heidel liegen - Schröder muss das unfassbar schwere Erbe antreten. Diese Fußstapfen sind riesig. Das wären sie aber für jeden Manager, ganz egal, wie dieser hieße.

"Rouven Schröder wird ein bestelltes Feld vorfinden", versichert Strutz, dem es wichtig ist, keinen Bruch im System Mainz 05 zu erleiden: "Wir werden im Sinne des Vereins einen absolut reibungslosen Übergang schaffen."

Inwiefern Schröder Heidels Aufgaben eins zu eins übernehmen muss, ist noch nicht geklärt: "Wir werden auch die neuen Verantwortungen für die bisher von Christian Heidel abgedeckten Arbeitsbereiche definieren", erklärte Strutz. Es kann aber damit gerechnet werden, dass Schröder ziemlich genau die gleichen Zuständigkeiten zugeteilt werden.

Das Mainzer Credo war schon immer gelebtes Vertrauen. Das soll sich auch für den Neuen nicht ändern. "Er ist genau der richtige Mann, um diesen Wechsel vorzunehmen", lautet Strutz' vorläufiges Fazit. Ein wirkliches Urteil wird man aber frühestens im Sommer 2017 fällen können - wenn Schröders erste Transfers und vor allem etwaige Vertragsverlängerungen mit Leistungsträgern bewertet werden können. Anhand derer wird man ihn beurteilen. Heidel wird immer der Maßstab sein.

Wie hoch ist die Fallhöhe bei sportlichem Misserfolg?

Für den Klub deutlich höher als für Schröder selbst. Denn jeder weiß, wie schwer die Aufgabe für den neuen Manager ist. Schröder hat bislang keine herausragenden Referenzen, die es zu bestätigen gilt. Für ihn ist die Aufgabe in Mainz eine große Chance. Eichin hatte den 40-Jährigen im Sommer 2014 vom Zweitligisten Fürth an die Weser gelotst. In Mainz soll nun der nächste Schritt in vorderster Reihe erfolgen.

Gelingt es Schröder nicht, den roten Faden des Vereins beizubehalten, verspielt er zwar vorerst die Möglichkeit, sich als oberster Entscheider bei einem gestandenen Bundesligisten zu etablieren. Den Klub nach dem Weggang des dienstältesten Managers der Liga nicht identisch weiterführen zu können, wäre aber auf keinen Fall zwingend ein Zeichen von Unfähigkeit beziehungsweise mangelnder Qualität.

Für die Nullfünfer dagegen hängt an dieser Personalie eine ganze Menge mehr. Bei der Nachfolger-Suche für Heidel ging es um nicht weniger als um die mittelfristige Zukunft des Vereins - im Bestfall auch um die langfristige. Dass sich ein Klub wie Mainz 05 überhaupt über Jahre in Deutschlands höchster Spielklasse halten konnte, hatte natürlich vor allem mit Heidel zu tun, der intelligent wirtschaftete und immer wieder die richtigen Talente und (meist auch) Trainer holte, die man zu neuen Leistungsträgern formte.

Selbst aus den Abgängen vermeintlich unverzichtbarer Spieler wie Andre Schürrle, Adam Szalai, Lewis Holtby, Neven Subotic, Christian Fuchs, Jan Kirchhoff, Nicolai Müller, Eric-Maxim Choupo Moting, Johannes Geis oder Shinji Okazaki machte Heidel fast immer lukrative Transfers - und immer schafften es die Rheinhessen, den Kader wieder wettbewerbsfähig aufzubauen.

Der Klub war von Heidels Fähigkeit, Trends frühzeitig zu erkennen und auf Rückschläge angemessen zu reagieren, in den letzten Jahren abhängig. "Wir werden in den nächsten Jahren immer darum kämpfen, weiter in der Bundesliga zu spielen. Viele nehmen das gar nicht mehr richtig wahr, weil sie sich schon daran gewöhnt haben", sagte Strutz im SPOX-Interview im vergangenen Mai: "Wir werden immer ein Verein sein, der darauf angewiesen ist, junge, talentierte Spieler aus- und weiterzubilden und diese ins Schaufenster zu stellen, um dadurch Transfererlöse zu erzielen."

Das muss nun auch unter Schröder funktionieren. Sonst ist der romantische Traditionsverein womöglich darauf angewiesen, eine neue Struktur und Rechtsform zu finden, die dem Klub zumindest finanziell ganz andere Möglichkeiten verschafft: "Das ist im Wesentlichen davon abhängig, welche Personen einen Verein führen. Wir sind mit dem e.V. schon immer sehr gut gefahren. Über die Rechtsform muss ich mir erst dann Gedanken machen, wenn die aktuellen Gegebenheiten nicht mehr sind", sagte Strutz vor knapp zehn Monaten. Geht die Personalie Schröder schief, ist dieser Punkt vielleicht erreicht.

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