"Tradition ist nicht mehr zeitgemäß"

Von Interview: Benedikt Treuer
Auch Harald Strutz stand in Mainz zum Feiern schon auf dem Zaun
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SPOX: Ihr Ex-Keeper Heinz Müller erhob zuletzt schwere Vorwürfe gegen Thomas Tuchel. Warum wurde dieses Problem damals nicht intern gelöst?

Strutz: Wenn Heinz Müller dieses Problem jemals intern angesprochen hätte, hätte Christian Heidel mir das berichtet. Das ist meines Wissens nicht passiert. Heinz Müller war auch nicht bei mir.

SPOX: Ärgert es Sie, dass diese Streitigkeiten im Nachhinein in der Öffentlichkeit ausgetragen werden und mit dem Namen Mainz 05 in Verbindung stehen?

Strutz: Es ist offensichtlich eine persönliche Sache zwischen Müller und Tuchel. Wir als Verein können uns dem aber nicht entziehen, da Thomas Tuchel nach wie vor unser Mitarbeiter ist. Auch wenn das Arbeitsverhältnis ruht, sind wir zumindest mittelbar in diese Äußerungen und den Streit mit einbezogen. Von daher sind auch wir von der Geschichte tangiert, weil die Vorwürfe zum Teil den Verein treffen. 'Mobbing hoch zehn' ist ein massiver Ausdruck. Mainz 05 wird damit unterstellt, das behauptete Mobbing zu dulden. Die Behauptungen von Heinz Müller werden wir vorstandsintern besprechen und dann bewerten. Für persönliche Gespräche sehe ich mich nicht in der Pflicht.

SPOX: Die letzten externen Trainer-Lösungen des FSV - Jörn Andersen und Kasper Hjulmand - funktionierten auf Dauer nicht. Versteht und lebt man den Verein nur, wenn man selbst schon jahrelang involviert war?

Strutz: Es ist schwer zu beurteilen. Wir haben auf jeden Fall ein besonderes und sehr klares Anforderungsprofil an Trainer. Nichts gegen Kasper Hjulmand, aber er hatte einfach eine andere Mentalität und andere Vorstellungen. Eine innere Emotionalität hilft mir wenig, sie muss auch nach außen gekehrt sein. So ticken wir Menschen auch hier im Rhein-Main-Gebiet. Wir sind keine zurückhaltenden Norddeutschen. Martin Schmidt ist seit fünf Jahren bei uns und identifiziert sich mit der Stadt und den Fans. Das ist es, was wir hier brauchen.

SPOX: Hjulmand stand nicht unbedingt für eine große Emotionalität. Wie kam man dann überhaupt auf ihn?

Strutz: Bei ihm haben wir den Versuch unternommen, nach Tuchel einen Trainertypen zu verpflichten, der die bisherigen Vorstellungen der Spielweise auf die nächste Stufe hebt. Mit der Zeit galt es festzustellen, ob sich der Trainer nach der Mannschaft richtet oder ob er der Meinung ist, dass sie sich nach ihm richten muss. Das große Problem war, dass Hjulmand diese Anpassung in einer völlig anderen Art und Weise einforderte, als es bisher bei uns gelebt wurde. Das ändert aber nichts an seiner Qualität. Er hat alles investiert und ist ein intelligenter Trainer.

SPOX: Mainz gehört sicherlich zu den Klubs, die sich in den nächsten Jahren dagegen stemmen müssen, im Geldsumpf Bundesliga nicht unterzugehen. Wie schwer tun Sie sich als Traditionsverein beim Thema Investoren?

Strutz: Das hat mit der Tradition gar nichts zu tun. Der Ruf nach Tradition ist nicht mehr zeitgemäß. Ob man es will oder nicht, die Zeit der Romantik ist vorbei. Natürlich sind die Mitglieder und ihr Mitspracherecht unser höchstes Gut. Wenn man sich aber den Herausforderungen der Zukunft stellen möchte und die Entwicklung dahingeht, dass das Mitwirken von Investoren nicht mehr zu stoppen ist, dann muss man für Gespräche bereit sein.

SPOX: Sind Sie es?

Strutz: Wir haben gar kein Problem damit, das offen anzugehen. Wenn ich heute ein Marketing-Unternehmen mit einer Perspektive, einer Geschichte und einem Entwicklungspotenzial hätte, würde ich einen Verein wie Mainz 05 immer nehmen. Das sage ich aus voller Überzeugung.

SPOX: Wieso?

Strutz: Entweder will man der Erste sein oder nur einer unter vielen. Oft schwimmen Unternehmen einfach im Strom der anderen mit, nur weil sie bei den besten Vereinen sind. Ich glaube aber nicht, dass das die beste Marketingstrategie ist. Als Unternehmen würde ich mir genau das heraussuchen, was noch nicht überladen ist - egal, ob im Aus- oder Inland. Die Frage sollte sich jeder Sponsor, aber auch Investor stellen. Denn irgendwann ist jede Entwicklung vorüber. Bei Vereinen wie Freiburg, Augsburg oder Mainz ist sie aber noch nicht am Ende.

SPOX: Ist also eine Kapitalgesellschaft in Mainz nicht mehr weit entfernt?

Strutz: Ich glaube, jeder Verein muss seine Struktur und Rechtsform finden. Das ist im Wesentlichen davon abhängig, welche Personen einen Verein führen. Wir sind mit dem e.V. schon immer sehr gut gefahren. Die Art von Diskussionen, die in anderen Vereinen geführt werden, kennen wir selbst nach 25 Jahren gemeinsamer Arbeit nicht. Über die Rechtsform muss ich mir erst dann Gedanken machen, wenn die aktuellen Gegebenheiten nicht mehr sind.

SPOX: Die Bayern bezeichnen sich als "Käuferverein". Wie zuversichtlich sind Sie, in naher Zukunft zumindest kein "Verkäuferverein" mehr sein zu müssen? Mit Schürrle, Holtby, Szalai, Müller oder Choupo-Moting verließen den FSV zuletzt immer wieder Leistungsträger.

Strutz: Wir müssen nicht in Utopien verfallen. Wir werden immer ein Verein sein, der darauf angewiesen ist, junge, talentierte Spieler aus- und weiterzubilden und diese ins Schaufenster zu stellen, um dadurch Transfererlöse zu erzielen. Alles andere ist Illusion und wäre eine völlig falsche Einstellung. Wir werden in den nächsten Jahren immer darum kämpfen, weiter in der Bundesliga zu spielen. Viele nehmen das gar nicht mehr richtig wahr, weil sie sich schon daran gewöhnt haben.

Seite 1: Strutz über zerplatzte Träume und Parallelen zwischen Klopp und Tuchel

Seite 2: Strutz über Müllers Vorwürfe und die Investoren-Zukunft der Bundesliga

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