Porno, Koks und Kung-Fu-Fighting

Raphael Honigstein
03. September 201019:35
Newcastles Lee Bowyer und Kieron Dyer (M.) gerieten in einem Liga-Spiel 2005 heftig aneinanderGetty
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Die Premier League liefert jede Woche Highlights - auf dem Platz, aber auch daneben. Ob Eric Cantona, Robbie Fowler oder der vermeintliche Cousin von George Weah: Raphael Honigstein über die größten Skandale der Premier-League-Geschichte.

SPOX

Die Bundesliga mag im Vergleich zur Premier League die finanziell solidere, fanfreundlichere Veranstaltung sein, doch was die Qualität der Skandale und Eskapaden angeht, spielt man in England weiter auf unerreicht hohem Niveau. Aus aktuellem Anlass - Arsenals Jack Wilshere flog kürzlich aus einer Londoner Disko, weil er jungen Damen mit der Handykamera mal eben unter die Röcke schauen wollte - kommt hier die Top-Elf der größten Premier-League-Skandale.

11. Robbie Fowler hat die Nase voll

Der Stürmer vom FC Liverpool war immer für eine Prise Wahnsinn gut. 1999 packte er nach einem Elfmetertor im Derby gegen Everton eine besondere Jubelgeste aus: Fowler kniete an der Fünfmeterlinie nieder und tat so, also ob er sich eine Line Koks reinziehen würde. Der mit Immobilienkäufen in großem Stil zu einem der reichsten Spieler in der Premier-League-Geschichte gewordene Witzbold erklärte später, die Szene habe Everton-Fans gegolten, die ihn mit Gerüchten über Drogenkonsum verunglimpft hatten.

Liverpools Trainer Gerard Houllier behauptetet sogar ernsthaft, Fowler hätte sich den Jubel von Team-Kollege Rigobert Song abgekuckt, der Treffer mit einer besonderen, kamerunischen "Grasfresser"-Choreographie feiern würde. Obwohl Fußball auf der Insel offiziell als Wintersport firmiert, hatte die Football Association jedenfalls kein Gespür für diese Art von Schnee. Fowler wurde zu einer Sperre für vier Spiele verdonnert.

10. Zwei Gauchos im East End

Der Mann vor den Mikrofonen hatte keine Ahnung, und er gab sich nicht mal die Mühe, etwas anderes vorzutäuschen. "Mysteriös" und "faszinierend" sei der Deal, sagte Alan Pardew 2006 bei der offiziellen Vorstellung von Carlos Tevez und Javier Mascherano im Upton Park. Genaueres wusste er nicht, genaueres wollte er wohl auch nicht wissen. "Lassen Sie uns die beiden ein Jahr lang genießen", lächelte der Trainer von West Ham United vergnügt.

Die von unbekannten Hintermännern finanzierte Agentur MSI hatte die beiden Argentinier als vermeintlich billiges Leihgeschäft an die Themse gebracht. Tevez bewahrte die Hammers mit seinen Toren letztlich vor dem Abstieg, aber nicht vor einem saftigen Rechtsstreit. Da das Vertragswerk für den Stürmer nicht den Regeln entsprach, klagte Absteiger Sheffield United eine Entschädigung von 25 Millionen Pfund ein. West Ham stand danach kurz vor dem Ruin und musste von zwei Pornobaronen (David Gold und David Sullivan) gerettet werden.

9. Aus Ashley wird Cashley

Seitensprünge in Hotels sind im englischen Fußball bekanntlich weit verbreitet. Eher selten verabreden sich aber vier Männer zu einem romantischen get together. Chelsea-Geschäftsführer Peter Kenyon und Jose Mourinho luden im Januar 2005 Arsenals Linksverteidiger Ashley Cole und seinen Berater zu einem Treffen in einer Londoner Luxusherberge ein, um den Spieler zu einem Wechsel zu den Blues zu bewegen. Die Sache flog auf. Chelsea, Mourinho, Ashley und sein Berater zahlten Geldstrafen; der Ruf der Blauen und Ashs war ramponiert. Ein Jahr hielt Cole es noch bei den Gunners aus, um im Sommer 2006 an die Stamford Bridge zu wechseln. Seine Vorliebe für unerlaubte Dates im Hotelzimmer behielt er dort bei.

8. Joey drückt ein Auge zu

Auf englischen Vereins-Weihnachtsfeiern geht es gerne hoch her. Auch wenn keine Stripperinnen mit von der Partie sind, wird es manchmal sehr heiß: bei der Party von Manchester City versuchte im Dezember 2004 Jugendspieler Jamie Tandy das Hemd von Joey Barton anzuzünden. Der Mittelfeldspieler mit dem leichten Hang zur Gewalttätigkeit fand das sehr lustig und revanchierte sich auf ähnlich spaßige Weise. Er versuchte, seine Zigarre auf Tandys Augenlidern auszudrücken. Das haute zum Glück nicht ganz hin. Tandy kam mit ein paar Narben davon, Barton musste 60.000 Pfund zahlen.

7. Da war doch was....

Manche Fußballer sind ein bisschen zerstreut. Sie lassen ihre Schuhe oder Manieren zu Hause, manchmal vergessen sie einfach auch, dass sie fest liiert sind. Eine Dopingprobe zu verpassen hat bisher aber nur Rio Ferdinand geschafft. 2003 erschien der Verteidiger von Manchester United einfach nicht zum Wasserlassen und ging dafür zum Einkaufen in die Stadt. "Ich ziehe gerade um, ich war so beschäftigt", erklärte er später seinen (angeblichen) Blackout. Die FIFA sperrte ihn für acht Monate. Englands Kapitän David Beckham zettelte daraufhin aus falsch verstandener Loyalität einen Streik der Nationalmannschaft an, der jedoch nach wenigen Stunden wieder zusammenbrach.

6. Grahams Schmierenkomödie

George Graham, der Trainer des FC Arsenal, hatte im August 1994 ein Problem: die britische Steuerbehörde wollte wissen, wieso umgerechnet 637.000 Euro auf Konten in Irland und der Insel Guernsey gelandet waren. Graham erklärte, die Gelder seien als "unverlangte Geschenke" von Spielerberatern zu ihm gelangt.

Die Gunners stellten bald fest, dass der Coach bei mindestens zwei Spielerkäufen mitverdient hatte. Arsenal hatte beispielsweise 2,4 Millionen Euro für John Jensen (FC Bröndby) gezahlt; nur 1,3 Millionen davon waren tatsächlich bei den Dänen angekommen. Graham, der einzige englische Trainer, der sich bei der in der Branche üblichen Praxis hat erwischen lassen, wurde im Mai 1995 gefeuert und für ein Jahr gesperrt. 1996 war er als Trainer von Leeds United wieder im Geschäft.

Teil 2: Die fünf größten Skandal - plus Zugabe

5. Im Dunklen lässt sich gut Munkeln

Am 3. November 1997 ging beim Spiel von West Ham gegen Crystal Palace in der 65. Minute (Spielstand 2:2) plötzlich das Licht aus. Einen Monat später fielen die Flutlichtmasten in Wimbledon kurz nach der Halbzeit aus (Spielstand 0:0 gegen Arsenal). Im Februar 1999 werden im Valley-Stadion von Charlton Athletic drei Malaysier verhaftet, die zwei Tage vor dem Spiel gegen Liverpool an der Flutlichtanlage hantieren.

Vor Gericht stellt sich später heraus, dass das Trio auch in die Stromaggregate vom Upton Park und Selhurst Park einen Schalter eingebaut hatte, der per Fernbedienung einen Kurzschluss verursachen konnte. Die Asiaten waren so in der Lage, den "richtigen" Ausgang zu garantieren. Wenn ein Spiel in der zweiten Halbzeit abgebrochen wird, zählt, was Wetten betrifft, nämlich der aktuelle Spielstand als Endergebnis. In englischen Medien wurde spekuliert, dass die drei Hobbyelektriker und ihre Auftraggeber mit den beiden manipulierten Spielen 30 Millionen Pfund verdient haben könnten.

4. Bruce Grobbelaar greift unabsichtlich nicht daneben

Der Liverpooler Torhüter aus Simbabwe war ein Clown zwischen den Pfosten und eine echte Anfield-Legende. Im Herbst seiner Karriere entschloss er sich aber, einen Batzen Geld von einem malaysischen Wettspieler namens Richard Lim anzunehmen. 1994 wurde Grobbelaar nach einer Enthüllungsstory der "Sun" zusammen mit den ebenfalls schwer belasteten Wimbledon-Spielern John Fashanu und Hans Segers wegen versuchten bandenmäßigen Betrugs angeklagt. Die Geschworenen bekamen Videos vorgeführt, aber es fiel ihnen schwer, ein Urteil zu fällen: Glanzparaden und merkwürdige Fehler wechselten sich bei Grobbelaar ohne erkennbares Muster ab.

"Ich bin in die verdammte falsche Ecke gesprungen", hatte der Torhüter nach einem bravourös abgewehrten Ball gegen Manchester United einem Freund geklagt, "gegen den Instinkt kannst du nichts machen. Das hat mich 125.000 Pfund gekostet." Grobbelaar und beide anderen Spieler wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen, der Keeper aber musste nach gescheiterten Verleumdungsklagen gegen die "Sun" seinen Bankrott erklären. Autor David Thomas fasst die Affäre in seinem Buch "Foul Play" so zusammen: "Er wollte Spiele verschieben, es gab eine Verschwörung, Spiele zu verschieben, er nahm Geld, um Spiele zu verschieben. Er war nur nicht sehr gut darin, Spiele zu verschieben." Grobbelaar war also nicht nur korrupt, sondern zu allem Überfluss auch noch inkompetent.

3. Pizzagate

Nach dem 2:0-Sieg von Manchester United gegen Arsenal im Oktober 2004 ging es auch nach dem Schlusspfiff richtig zur Sache. Arsene Wenger nannte Ruud van Nistelrooy im Spielertunnel einen "Betrüger". Der Niederländer petzte bei Alex Ferguson, der sich bald darauf Wenger vor der Arsenal-Kabine zur Brust nahm. Plötzlich öffnete sich die Tür und eine Pizzaschnitte flog in hohem Bogen auf das Hemd des Schotten. Ein bisschen Erbsensuppe kam noch hinterher. Ferguson musste sich umziehen und Arsenal später zum Rapport. Da es jedoch vom "Battle of the Buffet" keine Kamerabilder gab, kamen alle Beteiligten glimpflich davon. Bei dem offiziell nie identifizierten Pizzawerfer soll es sich im Übrigen um einen kleinen Spanier gehandelt haben...

2. King Eric goes Kung-Fu-Fighting

Beim Auswärtsspiel gegen Crystal Palace im Januar 1995 fliegt Eric Cantona (Manchester United) nach einem Revanche-Tritt gegen Palace-Verteidiger Richard Shaw vom Platz. Auf dem Weg in den Tunnel beleidigt ihn Zuschauer Matthew Simmons heftig. Cantona überlegt eine Sekunde und springt dann im Stil von Bruce Lee mit dem Fuß voraus in Simmons, der auch noch ein paar Schläge ins Gesicht bekommt.

Cantona wurde nach dem größten Ausraster in der Geschichte der Premier League zu 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, Simmons saß einen Tag im Gefängnis und bekam neben einer Stadionsperre für ein Jahr auch 500 Pfund Strafe. In einer nach der Tat einberufenen Pressekonferenz, auf der sich Cantona nach Willen des Vereins für sein Verhalten hätte entschuldigen sollen, gab sich der rote Eric von seiner philosophischen Seite. "Wenn die Möwen dem Fischerboot folgen, dann weil sie glauben, dass Sardinen ins Meer geworfen werden", sagte er. Nach einem "vielen Dank" verließ er wieder den Saal. Was Cantona damit sagen wollte, konnte nie überzeugend geklärt werden.

1. Der Transfer des Jahrhunderts

Southampton-Trainer Graeme Souness bekam im Herbst 1996 einen Anruf von einem Mann, der sich als Milans Stürmerstar George Weah ausgab. Ob Souness Interesse an Weahs Cousin hätte? Ali Dia, 30, sei ein senegalesischer Nationalspieler mit Erfahrung bei Paris St. Germain und Bologna, derzeit aber vereinslos. Souness nahm, neugierig geworden, Dia für einen Monat probeweise unter Vertrag und wechselte ihn im Heimspiel gegen Leeds United am 23. November in der 32. Minute für den verletzten Matt Le Tissier ein.

53 unglaubliche peinliche Minuten ("Der Mann wusste nicht, was er auf dem Platz tun sollte, es war wie Bambi auf Eis", sagte Le Tissier) wurde Dia wieder vom Platz genommen. Der Mann war ganz augenscheinlich kein Fußballer, und der Cousin von Weah war er natürlich auch nicht - Souness war einem Schwindler auf den Leim gegangen. Dias Vertrag wurde aufgelöst. Später spielte er noch ein paar Mal für den Siebtligisten Gateshead. Danach hat man nie wieder etwas von ihm gehört.

Auf der Skandal-Ersatzbank:

Paolo Di Canio: Der 1998 bei Sheffield Wednesday beschäftigte Italiener flog 1998 gegen Arsenal vom Platz, und schubste danach noch Schiedsrichter Paul Alcock um. Der Unparteiische machte eine gekonnte Schwalbe, Di Canio durfte elf Spiele aussetzen.

Alan Shearer: Der Mann war nicht immer ein langweiliger Fernsehexperte mit dem Wortschatz eines Vierjährigen - er konnte auch ganz gut kicken. Manchmal war dabei nicht mal ein Ball im Spiel. Im Match gegen Leicester City (April 1998) trat er Neil Lennon voll gegen den Kopf. Der Disziplinarausschuss des englischen Verbandes sprach den damaligen England-Kapitän jedoch frei. "Ich wollte mich nur befreien", hatte der Stürmer den Offiziellen weisgemacht.

Kieran Dyer & Lee Bowyer: Die beiden Newcastle-United-Profis fingen mitten in der Partie gegen Aston Villa (April 2005) an, sich gegenseitig zu verkloppen. Dafür flogen sie beide vom Platz. Der eine hatte angeblich dem anderen den Ball nicht gegeben....

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Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 16 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim früheren Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungierte Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 36-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig und auch unter twitter.com/honigstein zu finden.