Der FC Bayern München hat mit dem Gewinn des Supercups gegen Borussia Dortmund sportlich wieder in die Spur gefunden. Das Thema des Wochenendes war aber eine Personalie in der Führungsetage. Michael Reschke verlässt München und wird Sportvorstand beim VfB Stuttgart.
Warum verlässt Michael Reschke den FC Bayern?
Drei Jahre lang hat Reschke die Transferaktivitäten des FC Bayern geplant und im Transfergremium des Klubs mitverantwortet. Sein Abschied kam nun ebenso überraschend wie sein Wechsel von Leverkusen nach München 2014.
In dieser Zeit hat er seinen exzellenten Ruf, den er sich schon in den 35 Jahren zuvor bei Bayer aufgebaut hatte, weiter ausgebaut. Ex-Sportvorstand Matthias Sammer und vor allem Ex-Trainer Pep Guardiola schätzten die Expertise des Technischen Direktors. Mit Guardiola ist Reschke auch freundschaftlich verbunden.
Dass sein Wechsel zum VfB nun zeitlich mit er der Ernennung von Hasan Salihamidzic als Sportdirektor zusammenfällt, sorgte natürlich für Spekulationen, die alle Seiten aber vorauseilend ersticken wollten.
"Ich finde es schade, dass ich nun nicht mehr die Gelegenheit habe, mit dem neuen Sportdirektor Hasan Salihamidzic zusammenzuarbeiten. Ich habe ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis zu ihm und schätze ihn sehr", ließ sich Reschke in der Pressemitteilung des FC Bayern zitieren. Auch Salihamidzic sagte im Vorfeld des Supercups, dass seine Installation als Reschkes Vorgesetzter nichts mit dessen Abschied zu tun habe.
Der Hauptgrund für Reschkes Entscheidung sei die Möglichkeit, beim VfB Stuttgart ein neues Kapitel aufzuschlagen. "Es gibt im Leben Chancen, die man einfach ergreifen, und Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Die Möglichkeit, Sportvorstand beim VfB Stuttgart zu werden, ist für mich so eine Chance."
Wer wird Michael Reschkes Nachfolger beim FC Bayern?
Reschke kam 2014 auf den ausdrücklichen Wunsch des damaligen Sportvorstands Matthias Sammer nach München. Er füllte die Arbeitsfelder aus, die Sammer nicht als seine Hauptaufgabengebiete definiert hatte: Scouting, Transfers und junior team.
Mit Sammers Abschied vor etwas mehr als einem Jahr wurde auch über eine Beförderung Reschkes in den Vorstand diskutiert, aber auch rasch wieder verworfen. "Michael Reschke brauchen wir in der Rolle, die er perfekt beherrscht, und das ist das Scouting. Wir wären nicht gut beraten, wenn wir da eine Rotation machen und eine andere Baustelle schaffen würden", sagte Karl-Heinz Rummenigge damals.
Mit dieser Baustelle sehen sich die Bayern nun mit etwas Verzögerung dennoch konfrontiert. Es wird einen neuen Mann brauchen, der sich um die geschaffenen Strukturen im Scouting kümmert und die langfristige Transferstrategie des Klubs in allen Spielerkategorien koordiniert. Beziehungsweise müssen die Verantwortlichen die Frage beantworten, ob sie dieser Position überhaupt noch so viel Bedeutung zuweisen wie noch zu Sammers Zeiten.
Der neue Sportdirektor Hasan Salihamidzic wird diese Rolle auf jeden Fall nicht ausfüllen können. Er kommt nicht aus dem Scoutingbereich und verfügt über kein ausgeprägtes Netzwerk. Außerdem ist seine Rolle auch erstmal anders definiert. Er soll als Bindeglied zwischen Trainer, Mannschaft und Vorstand agieren und laut Uli Hoeneß auch für positive Stimmung sorgen. Damit wird Neueinsteiger Salihamidzic ausgefüllt sein.
Da die Transferaktivitäten der Münchner in diesem Transferfenster weitgehend abgeschlossen sind und der Kader steht, ist die Nachfolgeregelung nicht zeitkritisch. Allerdings haben die Münchner auch bei der Such nach einem Nachfolger für Matthias Sammer keine gute Figur gemacht.
Wie fällt Michael Reschkes Bilanz beim FC Bayern aus?
Diese Frage lenkt den Blick auch auf einen weiteren zentralen Aspekt dieses Themas. Wie wollen die Bayern in den kommenden Jahren auf dem Transfermarkt auftreten? Uli Hoeneß hat bei Salihamidzic' Vorstellung von einem "neuen Weg" des FC Bayern gesprochen: zurück zu den Wurzeln, weg von 100-Millionen-Transfers und das Nachwuchsleistungszentrum müsse richtig forciert werden.
Von Ablösesummen um die 100 Millionen Euro waren die Bayern mit Reschke weit entfernt. Der 59-Jährige gilt in der Branche als Meister des Scoutings und hat seine Stärken im frühzeitigen Anbahnen von Transfers. Für Verpflichtungen von Spielern der Kategorie Robert Lewandowski und Mats Hummels braucht es einen Mann wie Reschke nicht. Das sind Transfers, wie sie der FC Bayern schon während der Zeit von Hoeneß als Manager getätigt hat.
Dazu kommen Wunschspieler von Trainern wie Douglas Costa (Guardiola) und James Rodriguez (Ancelotti), die nicht federführend von Reschke eingefädelt wurden. An den Wechseln von Joshua Kimmich, Kingsley Coman, Niklas Süle, Sebastian Rudy, Serge Gnabry oder Renato Sanches hatte Reschke aber großen Anteil.
Reschkes Qualität ist es, Stars von morgen zu entdecken, bevor sie Ablösesummen um die 60 bis 100 Millionen Euro kosten. Außerdem kennt er den Markt sowie Verträge und Ausstiegsklauseln aufgrund seiner Verbindungen so gut, dass er für viele Fälle eine schnelle Lösung präsentieren kann.
Dass ihm vor allem der Transfer von Sanches als Negativbeispiel ausgelegt wird, greift etwas kurz. Nach der starken EM waren sich alle einig, dass den Bayern ein Glücksgriff gelungen sei und die 35 Millionen Euro Ablöse schon fast ein Schnäppchen waren.
Allerdings zeigt sich an Sanches auch ein Problem er Münchner. Wie viel Förderung erfährt ein junger Spieler beim FC Bayern? Und wie viel Einsatzzeit springt heraus? Denn Fakt ist auch: Viele in der Branche heiß umworbene Talente, die auch in München auf der Liste standen, haben die Bayern trotz Reschke nicht bekommen.
Welche Rolle soll Michael Reschke beim VfB Stuttgart einnehmen?
Ohne Frage, dem VfB Stuttgart ist mit Reschkes Verpflichtung ein Coup gelungen. Beim VfB wird Reschke als Sportvorstand eins zu eins den Posten übernehmen, der durch die Trennung von Jan Schindelmeiser freigeworden ist.
In Stuttgart erhoffen sich die die Verantwortlichen um Präsident Wolfgang Dietrich ein verbessertes Scouting, mehr strategische Planungssicherheit und eine bessere interne Kommunikation der Abteilungen.
"Er hat Sport studiert, besitzt die Fußballlehrer-Lizenz des DFB, war bereits Chef eines erfolgreichen Nachwuchsleistungszentrums, hat dabei in der Jugend verschiedene Titel gewonnen, ist aber auch seit vielen Jahren im Profifußball erfolgreich tätig", lobte Dietrich. "Er ist seit seiner Zeit bei Bayer Leverkusen und Bayern München national und international hervorragend vernetzt und sehr geschätzt."
Mit diesen Eigenschaften passt Reschke möglicherweise sogar besser zu einem Klub aus der zweiten, dritten Reihe als zum Branchenführer, wo kreative Transferplanung nicht immer an erster Stelle steht, man sich mehr mit fertigen Spielern beschäftigt und sich in einem Wettbewerb mit den finanzstärksten Klubs der Welt bewegt.
In Stuttgart kann Reschke wie schon zu Leverkusener Zeiten wieder Spielern einen Zwischenschritt in ihrer Entwicklung anbieten. Der VfB kann ein Sammelbecken hoffnungsvoller Talente werden.
Wie sieht Michael Reschkes Team beim VfB Stuttgart aus?
In seiner fast 40-jährigen Karriere im Profifußball hat Reschke fast jede mögliche Position im sportlichen Bereich eines Bundesligisten ausgefüllt, allerdings hat er sich dabei immer weitgehend im Hintergrund aufgehalten. Mit der exponierten Stellung als Sportvorstand tritt er in Stuttgart aus dem Schatten.
Reschke ist ein Mann, der Interviews und öffentliche Termine gerne vermeidet. Um Marketingveranstaltungen des FC Bayern machte er einen Bogen, auch auf den USA- oder Asienreisen fühlte er sich fehl am Platz. Reschke ist eher in den spärlich besuchten Stadien bei U-Turnieren zuhause.
Als Sportvorstand, noch dazu bei einem Klub der Dimension des VfB, wird er sich stärker in der Öffentlichkeit zeigen müssen. Noch scheint es aber schwer vorstellbar, dass sich Reschke im Anschluss an die Partien vor die Kameras stellt und die Spiele des VfB analysiert.
Im Umfeld des VfB wird in diesem Zusammenhang deshalb ein Name immer häufiger gehandelt: Thomas Hitzlsperger. Der 35-Jährige ist aktuell Mitglied des Präsidiums und könnte näher an die Mannschaft heranrücken und das Gesicht des Klubs in der Öffentlichkeit werden.
Ob Reschke dagegen Marco Neppe mit aus München nach Stuttgart nimmt, ist fraglich. Der 31-Jährige war Reschkes rechte Hand und wichtigster Scout. Neppe wird in München allerdings auch als direkter Nachfolger Reschkes gehandelt.
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