Maik Franz ist seit 14 Jahren Profi, zwölf davon spielte er in der 1. Bundesliga. Bei Hertha BSC, seinem letzten Verein, geriet er nach einer dreijährigen Verletzungsmisere aufs Abstellgleis und wurde ins Reserveteam in die 4. Liga abgeschoben. Derzeit ist Iron Maik vereinslos und hofft darauf, in der Winterpause einen neuen Verein zu finden. Im Interview erklärt Franz, weshalb er von Trainer Jos Luhukay enttäuscht ist, spricht über die Zeit in der Isolation, seinen Traum von der MLS in den USA und den ehemaligen "Feind" Mario Gomez.
SPOX: Herr Franz, im Dezember 2011 haben Sie sich das vordere Kreuzband im rechten Knie gerissen. Seitdem konnten Sie nicht mehr über einen längeren Zeitraum Fußball spielen, auch aktuell laborieren Sie noch an den Folgen eines Knorpelschadens im Knie. Wie schreitet Ihre Genesung voran?
Maik Franz: Ich habe einen Knorpelschaden dritten Grades, also das zweitschlimmste Ausmaß. Zunächst haben wir es mit einer Spritzenkur versucht, unter Belastung ist es dann aber nicht bedeutend besser geworden. Deshalb habe ich kürzlich eine Arthroskopie vornehmen lassen und hoffe jetzt, dass dies den Durchbruch bringt.
SPOX: Ihre Leidenszeit rein gesundheitlicher Natur beträgt bald drei Jahre...
Franz: Leider ist es so. Nach dem Kreuzbandriss wurde bereits ein kleiner Knorpelschaden diagnostiziert, der sich mit der Zeit und nach einem Zusammenprall im Training verschlimmert hat. Deshalb nun der Eingriff. Ich hatte einfach Pech in letzter Zeit. Die Chronologie der Ereignisse war schon der Wahnsinn.
SPOX: Wie war die genaue Abfolge?
Franz: Als ich zur Hertha kam, brach ich mir zunächst die Nase. Als ich wieder spielen konnte, folgte der Kreuzbandriss. Ich bin in einen Spieler hineingegrätscht und der ist dann auf mein Knie gefallen. Acht Monate später habe ich mich wieder heran gekämpft und auch gespielt. In Kaiserslautern bin ich dann nach einem Schubser von Mo Idrissou so dämlich hingefallen, dass alles in der Schulter kaputt war. Das hat mich wieder fünf Monate gekostet.
SPOX: Seitdem sind Sie im Grunde völlig raus.
Franz: Mehr oder weniger. Ich habe in der Aufstiegssaison noch ein paar Spiele absolvieren können, bekam aber in der letzten Partie die Rote Karte, weil ich als letzter Mann den Fehler eines Mitspielers ausbügeln wollte. Damit war ich die ersten beiden Bundesligaspiele gesperrt. Das Team funktionierte dann überragend - und ich war weg vom Fenster. Das war für mich aber auch nachvollziehbar. Warum hätte der Trainer etwas ändern sollen, wenn die Mannschaft gut spielt? Die Summe aus Kreuzbandriss, Schulter, Platzverweis und überragender Hinrunde in der Bundesliga war für mich letztlich einfach zu viel.
SPOX: Wenig später wurden Peer Kluge und Sie von Jos Luhukay zur U 23 abgeschoben. Sie haben daraufhin auf Wiedereingliederung in den Trainingsbetrieb der Profimannschaft geklagt. Anfang Mai einigte man sich und löste Ihren Vertrag bei Hertha BSC auf. Wieso hat Sie Luhukay nicht mehr benötigt?
Franz: Es wurde uns beiden mitgeteilt, dass wir keine Rolle mehr spielen würden. Dass wir künftig aber nur noch bei der U 23 trainieren sollten, dagegen haben wir uns gewehrt.
SPOX: Das klingt so, als ob es gar nicht Luhukay selbst war, der Sie diesbezüglich informiert hat?!
Franz: Das war auch nicht so. Ich möchte eines ganz klar betonen: Ich will hier nicht nachtreten, muss aber zugeben, dass ich mir von Luhukay eine ehrliche, offene Ansage gewünscht hätte. Das wäre alles und irgendwo auch das Mindeste gewesen. Zumal es für seine Entscheidung ja durchaus genug Gründe gegeben hat. Ich hätte seine Ansicht ja sicherlich auch kapiert. Mir geht es nur darum, dass er diesem Gespräch einfach aus dem Weg gegangen ist. Er hat Probleme damit, schlechte Nachrichten zu überbringen. Uns wurde gesagt, dass wir gut trainiert hätten und gute Typen seien - und am nächsten Tag mussten wir zu den Amateuren.
SPOX: Wieso sind Sie dann nicht auf ihn zugegangen, um das Problem zu lösen?
Franz: Ich gehe doch nicht zu ihm hin und sage ihm, was er zu mir sagen soll, damit ich zufrieden bin. Er ist ein erwachsener Mann und hat als Bundesligatrainer enorme Verantwortung. Ich bin 32 Jahre alt, habe nie Stunk gemacht und war immer ehrlich. Daher hätte er mir das persönlich begründen müssen. Nur darüber bin ich enttäuscht, meine restliche persönliche Geschichte ist Business. Da bekommen wir Fußballer ein gutes Gehalt und haben viele Vorteile, so dass man in der Lage sein muss, die negativen Dinge schlucken zu können.
SPOX: Wird Hertha BSC bei Ihnen nun in guter oder schlechter Erinnerung bleiben?
Franz: In guter natürlich. Ich will hier ganz und gar nicht den Eindruck erwecken, dass der arme Franz jetzt enttäuscht zu Hause hockt, weil ihm übel mitgespielt wurde. Im Gegenteil: Ich bin der Hertha dankbar dafür, hier gespielt haben zu dürfen und gute Verträge bekommen zu haben. Ich bin mit allen gut auseinandergegangen.
SPOX: Dennoch mussten Sie vor Gericht ziehen, um das Kapitel zu beenden. Wie unangenehm ist es, wenn man sich als Fußballer mit seinem Verein vor Gericht trifft?
Franz: Wir haben nicht gejubelt, das ist klar. Das war aber der Endpunkt einer langen Entwicklung, die für den Schritt an sich viel bedeutender war.
SPOX: Erzählen Sie!
Franz: Mir wurde gesagt, dass man mir keine Steine in den Weg legt, wenn ich einen neuen Verein finden würde. Ich bekam aber keine Angebote, die mich gereizt hätten. Um für 15 Spiele zum Schlusslicht der 2. Liga zu wechseln und abzusteigen, dafür gehe ich nicht aus Berlin weg. Dann kam die Degradierung. Wir dachten ja erst noch, wir sollten der U 23 im Abstiegskampf helfen. Das hätten wir auch problemlos gemacht. Nicht mehr mit den Profis trainieren zu dürfen war aber der Punkt, an dem es zu viel wurde. Bis zu einem gewissen Grad nimmt man ja vieles hin. Aber eine dauerhafte Verbannung von der 1. in die 4. Liga, das wollten wir nicht mehr mitmachen. Wir haben dann vorgeschlagen, einen außergerichtlichen Kompromiss zu finden. Dazu kam es aber nicht, so blieb nur noch der Schritt vors Arbeitsgericht.
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SPOX: Wie wären denn eigentlich Ihre Chancen gewesen, wenn es bis zum bitteren Ende gegangen wäre?
Franz: Es sah sehr danach aus, dass wir den Prozess gewinnen und wieder bei den Profis mittrainieren würden. Das wollte der Verein aber nicht, so dass wir letztlich einer Einigung zugestimmt haben. Das war auch in Ordnung so. Es lief alles fair ab, sowohl von unserer, als auch von Herthas Seite. Man darf auch nicht vergessen, dass während all dieser Zeit nichts Negatives über uns in der Presse stand. Niemand hat uns gefragt, was wir denn da Verrücktes veranstalten würden. Mich hat es daher nach all diesen Umständen unfassbar gefreut, dass ich nach der Saison auf ein Fanfest eingeladen und dort von den Anhängern verabschiedet wurde.
SPOX: Ungeachtet des Endes in Berlin: Sie haben Ihr letztes Profispiel im Mai 2013 absolviert, der letzte Einsatz überhaupt war im April 2014. Hätten Sie jemals gedacht, dass es Ihnen so ergehen könnte?
Franz: Natürlich nicht, das waren für mich drei heftige Jahre. Die liefen so beschissen, so etwas wünsche ich meinem größten Feind nicht. Das hat mich innerlich zerrissen. Ich arbeite seit neun Jahren mit meinem Mentaltrainer Holger Fischer zusammen, habe seit acht Jahren eine Freundin, dazu eine tolle Familie und einen Freundeskreis, der mich total unterstützt hat. Das ist zum Glück ein sehr stabiles Fundament. Wäre das jedoch nicht der Fall gewesen, dann hätte man auch mental wegbrechen können. Ich kann froh sein, dass ich diese Phase erst zum Ende meiner Karriere habe durchmachen müssen.
SPOX: Wie oft haben Sie in die Tischkante gebissen?
Franz: Sehr oft. Es bricht für einen Profi, erst recht mit einer gewissen Verletzungshistorie, eine Welt zusammen, wenn er mitgeteilt bekommt, dass er wieder operiert und fünf Monate pausieren muss. Da habe ich einige knallharte Tage im Krankenhaus durchmachen müssen. Man ist ja dann auch vollkommen isoliert.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Franz: Natürlich hat man seinen Zirkel, von dem ich gerade gesprochen habe, um sich. Aber dein persönliches Schicksal interessiert die Öffentlichkeit oder die Kollegen vielleicht eine Woche. Danach bist du auf dich alleine gestellt und Einzelkämpfer, musst dich täglich alleine stundenlang durch die Reha quälen. Die Rehaklinik wurde meine zweite Heimat. Wenn man das Gefühl kennt, in einem vollen Stadion aufzulaufen und sozusagen im Geschäft zu sein, dann fehlt einem diese Anerkennung natürlich auch ein Stück weit. Diese dunklen Momente machen einem deutlich, welch krasses Business der Fußball ist. Das soll kein Gejammer von mir sein, denn dafür ist man ja auch Profi und bekommt einen Haufen Kohle. Ich war gewohnt, zu spielen und mittendrin zu sein. Plötzlich ist man aber uninteressant, nicht gefragt, nicht an der Mannschaft dran - da kann der Spaß schnell flöten gehen.
SPOX: Wie werden Sie demnächst vorgehen, wenn Sie sich wieder in einen spielfitten Zustand gebracht haben?
Franz: Sobald die Nachwirkungen der OP verflogen sind, werde ich mich in der Reha wieder heran kämpfen. Danach will ich eventuell bei einem meiner Ex-Vereine mit trainieren, so dass ich zur Winterpause wieder in einem sehr guten Zustand bin. In einer idealen Welt kommt dann ein Verein, der sagt: Auf den Franz haben wir Bock.
SPOX: Wäre der Knorpelschaden nicht dazwischen gekommen, würden Sie in der amerikanischen MLS spielen. Im Sommer standen Sie kurz vor einem Wechsel zu Philadelphia Union.
Franz: Ich hatte die Flugtickets schon bei mir zu Hause liegen. Der Sommer ist natürlich meine Hoffnung. Da gab es fünf, sechs Anfragen, die fast durchgängig total interessant waren. Ich möchte unbedingt noch einmal auf den Zug aufspringen, so kann meine Karriere nicht enden.
SPOX: Was wäre Ihr Traum?
Franz: Meine große Wunschvorstellung ist ganz klar Amerika. Dort noch einmal ein, zwei Saisons ein solches Abenteuer mitzuerleben, wäre grandios.
SPOX: Nach der langen Ausfallzeit scheint es gefühlt realistischer, dass Sie irgendwo als Innenverteidiger Nummer drei oder vier unterkommen.
Franz: Ich bin zu allen Schandtaten bereit (lacht). Das würde ich mir natürlich auch anhören, keine Frage. Im Sommer meldete sich der FC Luzern mit Alex Frei und wollte mich als Backup holen. Das wäre absolut eine Option gewesen.
SPOX: Glauben Sie, dass Ihr Ruf als emotionales Raubein im Wege stehen könnte, um noch einmal in Deutschlands höchsten Ligen unterzukommen?
Franz: Für die Bundesliga reicht es wahrscheinlich deshalb nicht, weil ich quasi drei Jahre lang raus war. Mein Image gefällt mir grundsätzlich, weil es mich zu tollen Vereinen gebracht hat und es sich nun auch im Sommer gezeigt hat, dass trotz zweier sportlich bescheidener Jahre fünf, sechs Vereine ankamen, die mich verpflichten wollten. Mein Standing ist da also offenbar gut und kein Hindernis. Deshalb glaube ich, dass meine Hoffnungen, noch einmal Fuß fassen zu können, nicht unberechtigt sind.
SPOX: Stichwort Ruf: Im Februar 2008 bezeichnete Sie Mario Gomez als "Arschloch", Sie haben sich einen bissigen Konter gespart. Hatten Sie seitdem mit Gomez mal wieder Kontakt?
Franz: Wir sind uns einmal in Berlin über den Weg gelaufen. Da haben wir uns aber nur einen guten Tag gewünscht. Viele Berührungspunkte gab es sonst nicht, er spielt ja in einer völlig anderen Fußball-Welt als ich. Mir wurde von einigen, die mich und ihn gut kennen, gesagt, dass wir uns eigentlich gut verstehen würden (lacht). Ich bin in der Sache auch überhaupt nicht nachtragend. Auf ein Bierchen mit Mario Gomez würde ich jetzt schon gehen, die Geschichte liegt ja schon so lange zurück. Mittlerweile sollte man darüber schmunzeln können.
SPOX: Das haben Sie zuletzt bei Tim Wiese getan, als Sie scherzhaft auf "Twitter" einen Showkampf angeboten haben, sollte Wiese tatsächlich zum Wrestling überlaufen. Sie waren sein Zimmerkollege in der U 21: Wie beurteilen Sie das, was sich rund um ihn abgespielt hat?
Franz: Über seine Situation kann ich natürlich gar nicht lachen, weil sie wohl nochmal ein, zwei Stufen härter ist als das, was ich mitgemacht habe. Es ist wirklich schade, was mit ihm passiert ist, weil er so lange konstant starke Leistungen gebracht hat und darüber hinaus ein korrekter Mensch ist. Ich glaube, aus der Nummer mit dem Wrestling macht er sich einen Spaß und spielt da einfach nur mit. Das Krafttraining scheint für ihn derzeit ein Ventil zu sein.
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