Der Betzenberg meldet sich nach fast viereinhalb Jahren triumphal in der Bundesliga zurück. Beim 2:0 (2:0) gegen den FC Bayern München zeigte der 1. FC Kaiserslautern, wie die Strategie zum Verbleib in der Bundesliga aussehen kann. Die Bayern machten dabei eine paradoxe Erfahrung.
UpdateVor der überragenden Kulisse von 49.780 Zuschauern im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern sorgte ein Doppelschlag innerhalb von 66 Sekunden für die schmeichelhafte Pausenführung der Gastgeber. Ivo Ilicevic (36.) und Srdjan Lakic (37.) nutzten jeweils einen sehenswerten Konter für den FCK.
Nach dem Seitenwechsel wehrte sich Kaiserslautern mit viel Leidenschaft gegen die wütenden Angriffe der Bayern - und brachte die Führung mit etwas Glück über die Zeit. Der zweite Sieg im zweiten Spiel für die Roten Teufel - ein perfekter Auftakt für den Aufsteiger.
Nachbetrachtung:
Der Betzenberg meldet sich nach vier Jahren zurück in der Bundesliga. Und wie! Zwar zeigte auch der 2. Spieltag, dass der 1. FC Kaiserslautern spielerisch limitiert ist - doch getragen von der einzigartigen Atmosphäre im Fritz-Walter-Stadion und berauscht vom eigenen Enthusiasmus kämpfte die Mannschaft den großen FC Bayern nieder. Genau das muss auch das mittelfristige Rezept im Kampf um den Klassenerhalt bleiben: Die Aufstiegseuphorie solange wie möglich konservieren, den 12. Mann mitnehmen und zuhause mit viel Leidenschaft (und etwas Glück) die Punkte sammeln. Der perfekte Auftakt mit sechs Punkten aus zwei Spielen sollte jedenfalls zusätzliche Sicherheit und Selbstvertrauen geben.
Die Bayern dagegen machen eine paradoxe Erfahrung: Denn genau so verliert normalerweise der Underdog gegen eine Spitzenmannschaft. Das Spiel bestimmen, Chancen kreieren, Chancen vergeben, zwei Mal nicht aufpassen - und zwei Mal gnadenlos für individuelle Fehler bestraft werden.
Abgesehen von den leicht pomadigen ersten 20 Minuten und der etwas kopflosen Schlussphase kann man den Bayern in der Spielanlage nicht viel vorwerfen. In der Tat kritisierte auch Louis van Gaal nur die Chancenverwertung und dabei vor allem die vermeintliche Schlüsselszene aus der 24. Minute, als Müller beim Stand von 0:0 vergab.
Das Fazit des Trainers: Wer bei den Bayern spielt, sollte die Übersicht haben, bei einer Drei-gegen-Eins-Situation den besser postierten Mitspieler zu sehen. Müller aber versuchte es auf eigene Faust. Verzeihlich bei einem hungrigen 20-Jährigen, der abgesehen davon auch wieder eine starke Partie spielte.
Insgesamt waren die Bayern nach dem Spiel auch keineswegs am Boden zerstört. Die Mannschaft wirkte größtenteils auch körperlich fitter als gegen Wolfsburg, die WM-Fahrer kommen immer besser in Form. Ein Kritikpunkt könnte im Fahrwasser der Diskussion um den degradierten Martin Demichelis noch die Innenverteidigung werden: Sowohl van Buyten als auch Badstuber hatten im Zentrum ihre Unsicherheiten. Aber vielleicht muss man nach so einem Spiel auch einfach mit van Gaal resümieren: "So ist manchmal Fußball."
Blog: Ein notwendiger Dämpfer
Reaktionen:
Louis van Gaal (Trainer FC Bayern München)...
...über das Spiel: "Wir haben ein gutes Spiel gemacht, bis zur letzte Phase. Ich nenne es die vierte Phase. Da müssen wir schärfer sein. Kaiserslautern hat zwei Bälle auf unser Tor geschossen. Das erste war ein unglaublich schönes Tor, ein Sonntagsschuss."
...über die vergebene Großchance von Thomas Müller: "Wir standen mit drei gegen einen - das muss ein Tor sein. Da kann man nicht einfach sagen, dass man eine Chance verpasst hat. Das muss ein Tor sein! Es sind zwei Spieler daneben, das muss er sehen. Wir sind bei Bayern München, und da muss man Orientierung haben. Klose beschwert sich zu Recht."
...über die Perspektive: "Wenn wir dieses Spiel anschauen, können wir sagen, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir haben in der zweiten Halbzeit alles getan, um zu gewinnen. Aber es ist uns nicht gelungen."
...über mögliche Transfers bis zur Deadline am 31. August: "Das kann immer sein, aber das entscheide nicht ich, das entscheiden zuerst die Spieler. Die meisten Spieler haben gesagt, dass sie bei uns bleiben. Okay, dann bleiben sie bei uns, sie haben Vertrag."
Mark van Bommel (Bayern München): "Das war ein Ausrutscher. Die Niederlage war unnötig und unverdient. Trotz des Ergebnisses haben wir gut gespielt. Wir haben viele Chancen rausgearbeitet, sie aber nicht gemacht. Wir waren viel besser als Kaiserslautern, aber die schießen die Tore nach Fehlern von uns - das ist ärgerlich. Wir haben uns nicht von der Atmosphäre beeindrucken lassen. Sie war gar nicht so heiß, wie ich sie mir vorgestellt habe."
Marco Kurz (Trainer 1. FC Kaiserslautern) nach dem Spiel: "Das war für uns ein Wahnsinns-Abend. Heute haben das Herz und der Wille gewonnen. Es ist ein Wahnsinns-Geschenk, hier mit unseren Fans den deutschen Meister zu schlagen. Wir haben vor dem Spiel gesagt: An einem Tag ist alles möglich. Es muss vieles passen. Und heute hat vieles gepasst."
Kaiserslautern - Bayern: Spielfilm, Star des Spiels und Analyse
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Spiel: Kaiserslautern mit drei Änderungen: Jessen beginnt hinten links für Bugera, Ilicevic für den verletzten Moravek im Mittelfeld, vorne startet Nemec, Hoffer muss dafür auf die Bank.
Die Bayern mit nur einem Wechsel im Vergleich zur Auftaktpartie gegen Wolfsburg: Der wieder genesene Olic kommt in die Partie, Kroos muss dafür auf die Bank. Müller beginnt damit auf der Zehn, Olic übernimmt den rechten Flügel.
24.: Das muss es eigentlich sein! Müller tanzt sich durch die Lauterer Defensive und gibt ab auf Schweinsteiger. Punktgenaues Zuspiel in die Nahtstelle, Jessen pennt und Müller taucht mutterseelenallein vor Sippel auf. Am Elfmeterpunkt kann er sich die Ecke aussuchen oder auf Klose querlegen, doch er schiebt die Kugel knapp rechts vorbei.
36., 1:0, Ilicevic: Konterchance für die Gastgeber: Tiffert mit dem scharfen Querpass an der Münchner Strafraumkante. Nemec lässt durch und Ilicevic knallt die Kugel direkt mit rechts ins lange Eck! Schönes Ding - und keine Chance für Butt.
37., 2:0, Lakic: Doppelschlag! Ilicevic behauptet die Kugel halblinks. Lahm verteidigt zu passiv und so kommt der Steilpass in den Sechzehner. Badstuber haut über den Ball, Lakic nimmt das Geschenk an und schiebt links unten ein. Sein dritter Saisontreffer!
67.: Müller legt eine Badstuber-Flanke mit dem Kopf zurück. Kroos hält aus elf Metern volley drauf und Sippel pariert mit einem ganz starken Reflex!
75.: Jessen mit der butterweichen Hereingabe auf den Elfmeterpunkt. Rodnei drückt die Kugel mit dem Kopf gegen die Laufrichtung von Butt. Bayerns Keeper schaut dem Leder wie versteinert hinterher. Hauchdünn links vorbei!
Fazit: Bayern war die spielerisch bessere Mannschaft, aber Kaiserslautern erkämpft sich mit viel Herz den Sieg. Ausschlaggebend waren die 66 Sekunden in der ersten Hälfte, als die Bayern zweimal unkonzentriert waren - und der FCK zweimal gnadenlos zuschlug.
Der Star des Spiels: Ivo Ilicevic. Tiffert als Antreiber, Kirch als Kettenhund für Ribery, Dick und Rodnei als engagierte Zweikämpfer, Lakic als geschickter Fighter und Torschütze. Der FCK überzeugte vor allem durch Leidenschaft und Geschlossenheit. Den Sonderapplaus bekommt Ilicevic, weil er die spielerischen Akzente setzte - und an beiden Toren beteiligt war.
Die Gurke des Spiels: Ivica Olic. Nach seiner Verletzung ist der Kroate offenbar noch lange nicht bei 100 Prozent. Gewann keinen einzigen Zweikampf, hatte nur 23 Ballkontakte, über seine Seite fiel auch das 0:1. Wurde nach 63 Minuten gegen Kroos ausgewechselt.
Die Pfeife des Spiels: Florian Meyer. Behielt in der hitzigen Atmosphäre in der Regel den Überblick, ließ angenehm viel laufen, setzte zum richtigen Zeitpunkt aber auch die nötigen Signale. Insgesamt ein unaufgeregter und souveräner Auftritt ohne größere Fehler.
Analyse: Kurzweiliges und offenes Spiel in der Anfangsphase, die allerdings mehr von der Atmosphäre getragen wurde, als vom großen fußballerischen Glanz. Die Bayern mit über 70 Prozent Ballbesitz, mit viel Geduld aber zu wenig Tempo und Präzision im letzten Spielfeld-Drittel. Vor allem Ribery hatte auf links kaum Räume gegen seine giftigen Bewacher Kirch und Dick und musste immer wieder in die Mitte ziehen, während Olic auf dem rechten Flügel überhaupt nicht ins Spiel fand. Gefahr entstand fast nur nach Einzelaktionen oder Standards. Einzig spielerisches Highlight war die klasse Kombination in der 24. Minute, an deren Ende Müller frei vor Torwart Sippel vergab.
Kaiserslautern indes verteidigte ab der Mittellinie diszipliniert, gut gestaffelt und aggressiv. Im Angriff sorgten die physisch starken Lakic und Nemec für Entlastung, indem sie immer wieder geschickt die Bälle in der Spitze festmachten, bis das Mittelfeld nachgerückt war. Gegen die konzentrierte Bayern-Abwehr kam der Gastgeber so zwar kaum zu gefährlichen Szenen, holte sich aber immer mehr Selbstvertrauen. Die Tore allerdings fielen in eine Phase, als die Bayern gerade die Schlagzahl erhöhten: Innerhalb von nur 66 Sekunden nutzte der FCK zwei Fehler der Münchner zu zwei schönen Kontern - und zur eher schmeichelhaften Pausenführung.
Nach dem Seitenwechsel das zu erwartende Bild: Angetrieben von Schweinsteiger lief der FC Bayern immer wieder an, während Kaiserslautern aufopferungsvoll verteidigte. Torschuss-Statistik nach 75 Minuten: 19 zu 4 für die Münchner, die mit zunehmender Spieldauer allerdings auch immer mehr mit der Brechstange agierten. Mit der großartigen Unterstützung der Zuschauer, mit viel Herz und einer Portion Glück rettete der FCK schließlich den Sieg über die Zeit. Der Betzenberg meldet sich nach über vier Jahren mit einem Triumph zurück in der Bundesliga.
Kaiserslautern - Bayern: Daten zum Spiel
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