Julia Simic zum drohenden TV-Blackout der Fußball-WM der Frauen: "Es ist alternativlos, dass man diese WM überträgt"

Patricia SeiwertTim Ursinus
24. Mai 202316:54
Die frühere Nationalspielerin Julia Simic ist inzwischen als TV-Expertin aktiv.getty
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Die frühere Nationalspielerin Julia Simic freut sich über die derzeitige Entwicklung des Frauenfußballs. Im Vergleich zu England würde Deutschland aber noch Einiges fehlen. Zudem appellierte sie im Rechte-Poker um die WM 2023 an die Entscheider.

"Sportlich befinden wir uns auf Augenhöhe mit dem englischen Fußball. Wenn man alles andere anschaut, sind sie uns meilenweit voraus", erklärte Simic im Gespräch mit SPOX und GOAL.

Die heutige TV-Expertin und Moderatorin schnupperte während ihrer aktiven Profizeit selbst englische Fußballluft: "Ich bin 2018 zu West Ham United gewechselt und habe dort die Professionalisierung der WSL erlebt. Dabei lag der Fokus darauf, wie man den Frauenfußball sichtbar machen kann. Dann kam der Brexit und man dachte, das ganze Gerüst gerät ins Wanken, aber es setzt sich weiter durch, dass die Spielerinnen nach England wollen, weil es unglaublich gute Rahmenbedingungen gibt."

Simic weiter: "Wir haben unser Trainingsgelände damals als neue Frauenabteilung direkt mit den Männern geteilt. Wir hatten die gleichen Plätze, die gleichen Köche und teilweise die gleichen Ärzte sowie Physios. Das reizt viel mehr als das Geld. Das bezeichnen wir mittlerweile als Equal Play. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass 95 Prozent der Spielerinnen das Equal Play bevorzugen, weil sie Fußball auf einem Niveau spielen wollen, das ihnen ermöglicht, das Beste aus sich herauszuholen."

Zuvor hatte Simic jahrelang in der Bundesliga gespielt, einmal die Deutsche Meisterschaft und viermal den Pokal gewonnen. Den Schritt nach England habe sie eigentlich gar nicht gehen wollen, "weil ich mich im sehr physisch geprägten englischen Fußball zunächst gar nicht gesehen habe. Ich habe mich dann auf der Insel aber so wohl gefühlt, weil ich mich bestmöglich entwickeln konnte und das erste Mal eine professionelle Struktur erlebt habe."

Julia Simic: "Man muss Geschichten erzählen und Spielerinnen kennenlernen"

Das war zu ihrer Zeit beim FC Bayern München (2005 bis 2013) noch ganz anders. "Ich erinnere mich, als ich in einem Münchner Vorort trainieren durfte, aber beim großen FC Bayern und in der Champions League gespielt habe und keinerlei Verbindung zum Hauptverein hatte. Weder logistisch noch von der Aufmerksamkeit. Wir hatten Bayern-Trikots an, das war alles, was einen mit dem Verein verbunden hat."

In den vergangenen Jahren hätten sich die Bedingungen in Deutschland aber deutlich verbessert, so Simic: "Es ist der richtige Weg, dass man den Ball durch die aktuelle Strahlkraft im Frauenfußball weiter ins Rollen kriegt und immer wieder antreibt. Das ist genau der Weg, den man einschlagen muss und gerade einschlägt. Man darf aber nicht vergessen, was passiert ist. (...) Man muss ein Umfeld schaffen, das die Qualität weiter anhebt, dass man sportlich besser wird. Nur dann ist es von Akzeptanz und Respekt geprägt, dass sich dieser Sport festsetzen kann."

Dennoch sei noch ein weiter Weg für den deutschen Frauenfußball zu gehen. Es sei wichtig, "dass man mehr als nur diese 90 Minuten auf dem Platz überträgt, dass man Geschichten erzählt, Spielerinnen kennenlernt und sich mehr als nur mit dem Fußball für einen Markt bereitstellt, der neue Ressourcen und Potenzial eröffnet."

Für die Vermarktung wären beispielsweise die Sozialen Medien von großer Bedeutung. "Das hat man in Deutschland lange stark unterschätzt", sagte Simic. So könne auch der Frauenfußball die junge Generation erreichen, das habe man in England durch die zahlreichen Internet-Formate ebenfalls schon verstanden.

Die frühere Nationalspielerin Julia Simic ist inzwischen als TV-Expertin aktiv.getty

TV-Rechte-Poker macht Julia Simic "traurig"

Der Einzug von Journalistinnen und Expertinnen in den Fußball helfe ebenfalls bei der Vermarktung, erklärte die Sky-Expertin: "Es ist wichtig, dass diese Chance ernst genommen wird, dass man nicht nur die in Anführungsstrichen Quotenfrau ist, sondern einen Mehrwert liefert. Mir fällt es nicht schwerer, Borussia Dortmund gegen Eintracht Frankfurt bei den Männern oder das Pokalfinale der Frauen mit meiner fußballerischen Expertise zu untermauern. Das kommt dem Frauenfußball dann auch zugute, weil man nicht mehr das Gefühl hat, dass es zwei komplett unterschiedliche Sportarten sind."

Umso erschreckender findet Simic den derzeitigen Poker um die TV-Rechte für die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland in diesem Jahr. "Es macht mich traurig, dass man überhaupt darüber sprechen muss und nicht über das tolle Event an sich", sagte sie.

Knapp zwei Monate vor Turnierbeginn hat sich die FIFA mit den Fernsehsendern aus Deutschland, Italien, England, Frankreich und Spanien bei der Rechtevergabe noch nicht einigen können. "Es ist alternativlos, dass man diese WM überträgt. Da muss man an den gesunden Menschenverstand appellieren", erklärte Simic: "Deutschland und die öffentlich-rechtlichen Sender haben ein großes Interesse daran, dieses Event zu zeigen."

Der Weltverband müsse ebenfalls ein großes Interesse zeigen, "dieses Mega-Highlight, das vielleicht nochmal größer als die EM im letzten Jahr wird", der breiten Masse zu präsentieren und "dass wieder der nächste Schritt gegangen wird und es am Ende nicht - sorry für die Banalität - am Geld scheitert. Es darf kein Stolperstein für den Frauenfußball werden. Man muss eine Lösung finden, weil alles andere ein Riesen-Rückschritt wäre."