Jürgen Seeberger übernahm Anfang 2008 das Traineramt beim Zweitligisten Alemannia Aachen und gilt als akribischer Arbeiter und Taktiker. Den FC Schaffhausen führte er aus der Drittklassigkeit in die Schweizer Super League. Bei Aachen ist es ungleich schwerer, denn das Umfeld am Tivoli gilt als heißes Pflaster.
Jürgen Seeberger ist seit dem 1. Januar Trainer von Alemannia Aachen. Bei SPOX spricht der 43-Jährige über unnötige Nostalgie, seine Begegnung mit Ottmar Hitzfeld und seine Lehrjahre in der Schweiz.
SPOX:Auf welchem Weg sehen Sie Alemannia Aachen?
Seeberger: Wir sind ordentlich aufgestellt. Im ganzen Verein wird mit Hochdruck an der Zukunft gearbeitet, und auch sportlich haben wir den Anschluss an die Spitze wieder hergestellt. Aber leider stehen diese positiven Meldungen nicht immer im Vordergrund.
SPOX: Immer wieder gibt es in Aachen Grabenkämpfe. Warum kehrt keine Ruhe ein?
Seeberger: Grundsätzlich befindet sich der Verein in einem Veränderungsprozess, das sieht man allein schon am Stadionneubau. Diesen Wandel muss man geistig begleiten und ihn als Chance sehen, nur so können wir Aufbruchstimmung und Euphorie erzeugen.
SPOX: Präsident Horst Heinrichs hat gesagt, dass es für Euphorie noch keinen Grund gebe, und es der Mannschaft an Typen wie Landgraf oder Meijer fehle. Ist das nicht naives Nostalgiedenken?
Seeberger: Natürlich hat der Verein hochgesteckte Ziele. Aber um dort hinzukommen, muss man Inhalte schaffen. Dazu darf man nicht in der Vergangenheit leben, muss Dinge hinter sich lassen und die handelnden Personen stärken. Der Verein hat mit dem Aufstieg und der Europapokalteilnahme märchenhafte Zeiten hinter sich, doch jetzt muss man sich darauf konzentrieren, mit kleinen Schritten wieder nach oben zu kommen und sich unter den besten 15 Vereinen Deutschlands zu etablieren.
SPOX: Für diese Ziele wurden Sie geholt. Inwieweit lässt sich in Aachen schon eine Seeberger-Mannschaft erkennen?
Seeberger: Wir haben im Sommer einen personellen Schnitt gemacht und den Kader auf eine vernünftige Größe reduziert. Hier konnte ich schon mit gestalten und diese Entscheidung hat sich auch ausgezahlt. Aber es war auch hilfreich in ein funktionierendes System mit Co-Trainern, Physios und Scouts zu kommen, die mich gut integriert haben.
SPOX: Sie haben Ihre Trainerkarriere in der Schweiz begonnen und besonders mit Schaffhausen Erfolge gefeiert, als sie von der dritten in die erste Liga aufgestiegen sind. Ist die Entwicklung einer Mannschaft Ihre große Stärke?
Seeberger: Entwicklung ist immer das Ziel, egal auf welchem Niveau man arbeitet. Genauso liegt es in der Natur der Sache, Erster werden zu wollen oder aufzusteigen. Aber dazu muss man auch die Voraussetzungen schaffen.
SPOX: Ottmar Hitzfeld ist einen ähnlichen Weg gegangen. Ist er eine Art Vorbild für Sie?
Seeberger: Vorbild ist zu viel. Man muss seinen eigenen Weg finden. Aber ich habe in München hospitiert und konnte ihn als Trainer und Menschen kennenlernen. Das war kurz nachdem die Bayern das Champions-League-Finale 1999 verloren hatten. Es war beeindruckend, wie er damit umgegangen ist.
SPOX: Ist die Schweiz ein gutes Land für Lehrjahre?
Seeberger: Ich habe meinen B- und A-Schein in Deutschland und den Fußballlehrer in der Schweiz gemacht. So ein kleines Land ohne große Erfolge ist unheimlich offen für Impulse aus Frankreich, Italien oder Deutschland. Das fließt alles in die Ausbildung und die Arbeitsweise ein. Das war für mich als Trainer ein gutes Fundament.
SPOX: Wo liegen die Unterschiede zu Deutschland?
Seeberger: In Deutschland ist das Volumen natürlich ein ganz anderes. Da kommt an erster Stelle Fußball, dann lange nichts und dann wieder Fußball. Außerdem wird man als Trainer in der kleinen Schweiz oft etwas belächelt. Hätte ich in Deutschland mit einem Verein den Aufstieg von der Oberliga in die 2. Liga geschafft, wäre nicht die Leistung, aber die Anerkennung größer gewesen.
SPOX: Wie haben die verschiedenen Einflüsse in der Schweiz Ihre Spielphilosophie beeinflusst?
Seeberger: Mein Grundkonzept ist ein defensives 4-4-2, in dem wir versuchen, in der Zone und absolut ballorientiert zu agieren. Aus dieser Positionierung heraus wollen wir aggressiv gegen den Ball und bei Ballgewinn schnell und vertikal in die Spitze spielen, um möglichst schnell vor das gegnerische Tor zu kommen. Wobei es auch wichtig ist, eine Mischung aus dem schnellen Spiel nach vorne und Ballkontrolle zu entwickeln. Ein zentraler Punkt ist die auf einen frühen Ballgewinn ausgerichtete Abwehrarbeit, um angreifen zu können. Deshalb sollten beim Pressing wenig Fouls gemacht werden, weil ein Foul das Pressing unterbricht. Dazu kommen die Spielintelligenz und die Handlungsschnelligkeit, um dem Gegner sein Spiel aufzudrängen.
SPOX: Inwieweit ist dieses moderne Spiel von der individuellen Klasse abhängig? Oder anders gefragt: Schlägt das System individuelle Klasse?
Seeberger: Natürlich ist es eine Mischung von beidem. Individuelle Klasse ist sicher wichtig, aber ein solider Mannschaftsverbund umso mehr. Eine Mannschaftsstruktur sollte in sich gefestigt sein, dass jeder sich dem Allgemeinziel unterordnet und dabei seine Kreativität einbringt. Ein guter Mannschaftsverbund entwickelt Dynamiken, die eine für eine Mannschaft notwendig sind.
SPOX: Ralf Rangnick hat vor kurzem gesagt, früher habe er 70 Prozent Ballbesitz des Gegners trainiert, heute nur noch 20 Prozent. Wie ist das bei Ihnen?
Seeberger: Als ich im Januar angefangen habe und wir nur fünf Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz hatten, musste ich erstmal die Defensive stabilisieren. Mittlerweile hat sich das allerdings verändert, so dass ich im Training mehr die Offensive anspreche.
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