Manchester United hat Jose Mourinho verpflichtet und damit einen nicht unumstrittenen Nachfolger ein für Louis van Gaal gefunden. Immerhin: Der Portugiese steht für Erfolg. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zum Trainerwechsel bei den Red Devils. Unter anderem: Was hat Zlatan Ibrahimovic mit all dem zu tun?
Passt Mourinho zu Manchester United?
Diese Frage warfen die Medien schon Monate vor der Verpflichtung von Mourinho auf. Er selbst freut sich ehrlich auf seinen Posten, schon 2013 schien er auf die Nachfolge von Sir Alex Ferguson zu schielen. Und doch fragt sich England: Passt der komplizierte Portugiese hinein in die Gentleman-Welt, die Manchester Uniteds Historie durchzieht?
Die Frage muss differenziert beantwortet werden. Passt Mourinho sportlich, zwischenmenschlich und wirtschaftlich zu Manchester United?
Sportlich mag der Vorwurf eines rein defensiv denkenden Trainers mit geringer Attraktivität im Spiel stehen. Er ist mehr Klischee als Realität. Mourinho ist kein Trainer, der sich lediglich über eine ausgeprägte Defensive definiert, vielmehr setzt er Wert auf eine ausbalancierte Mannschaft.
Sein Real Madrid spielte phasenweise mit Angriffspressing und erzielte in der Saison 2011/2012 satte 121 Tore bei 32 Gegentoren. Mourinho geht es vor allem darum, nie die Kontrolle über ein Spiel zu verlieren, seine Taktik passt er der Mannschaft und den Gegebenheiten an. Ja, rein sportlich ist Mourinho die richtige Wahl.
Zwischenmenschlich mag sich mancher am außergewöhnlichen Portugiesen reiben. Er mimt das Schutzschild für seine Mannschaft, zieht viel Aufmerksamkeit auf sich und kann bisweilen auch die Kontrolle über sich selbst verlieren. Doch ein Großteil seiner Ex-Spieler spricht nur in höchsten Tönen von Mourinhos Führungsstil.
Sorgen machen werden sich die Verantwortlichen und Fans somit wohl nicht aufgrund der Mannschaftsführung sondern vielmehr aufgrund der Auftritte Mourinhos in der Öffentlichkeit. Er sieht die Medien oft als Feind an, nimmt Fragen als Angriffe gegen sich und das Team auf. Das wiederum ist nicht neu in Manchester. Louis van Gaal agierte ähnlich, es kostete den Niederländer viel Kredit. Zwischenmenschlich ist Mourinho für United eine riskante Gratwanderung, aber diese beherrscht der Portugiese wie kein Zweiter.
Wirtschaftlich macht ManUnited kaum ein anderer Verein der Welt etwas vor. Die Red Devils sind eine Marketing-Maschine, in die Mourinho bestens hineinpasst. Der FC Chelsea etwa verkaufte trotz Beurlaubung des Portugiesen weiterhin Merchandising-Artikel mit dessen Konterfei. Das Feld bewegte sich von Handyhüllen bis hin zu Tassen und Wackelköpfen.
Mourinho ist als Person eine Marke, die wunderbar zu der von Manchester United passt: international, erfolgreich, einzigartig, mit großer Historie.
Was wird aus dem Jugendkurs von van Gaal?
Van Gaal startete bei den Red Devils ein Projekt, das die Zukunft des Klubs auf viele Jahre hinweg prägen sollte. Seine Jugendpolitik war kaum zu Kompromissen bereit, der Niederländer begann damit, etwas Neues im Namen von Manchester United aufzubauen.
Patrick McNair, Tyler Blackett, Cameron Borthwick-Jackson, Timothy Fosu-Mensah, Andreas Pereira, Jesse Lingard und Marcus Rashford wurden von van Gaal mehr oder weniger stark in die erste Mannschaft eingebaut. Dazu kamen teure Neuverpflichtungen wie Anthony Martial, Memphis Depay oder Luke Shaw.
Das entstandene Team ist unglaublich jung und sollte von wenigen erfahrenen Spielern weit getragen werden. Letztlich reichte es nicht zur Qualifikation für die Champions League und damit auch nicht für ein weiteres Jahr im Amt für den, der den Grundstein legte.
Mourinho soll das Projekt nun weiterführen. Der Portugiese ist das Gegenteil von Lehrer van Gaal. Der Niederländer bildete aus und fort, Mourinho wird in gewisser Weiße die Früchte ernten. Ob er das mit der gleichen Leidenschaft für die Jugend vorantreibt wie sein Vorgänger ist allerdings mehr als fraglich.
Dennoch wird auch er das Potenzial vieler junger Spieler erkennen und zu fördern wissen. Bei Porto zog er Helder Postiga in die erste Mannschaft, beim FC Chelsea setzte er auf den 20-jährigen Arjen Robben. Karim Benzema entwickelte sich unter ihm zu einem der besten Stürmer der Welt, im Sommer 2010 erfragte und bekam er bei den Königlichen einen Jungspung namens Mesut Özil.
Den Ruf eines Trainers, der gerne auf Routiniers setzt, ist nicht gänzlich falsch. Doch wenn Mourinho Qualität sieht, kommt sie auch zum Zug, völlig unabhängig vom Alter. Die Frage ist somit eher, wo er die Qualität sieht und wer nicht seinen Ansprüchen genügt.
Wie wird Mourinho den Kader verändern?
Mourinho ist ein Trainer, der gerne alte Weggenossen mitbringt. Zu Chelsea holte er Ricardo Carvalho und Paulo Ferreira, auch Tiago trainierte er bereits in Portugal. Zu Inter Mailand folgte ihm Hernan Crespo, zu Real wiederum Carvalho und Michael Essien, der seinen Trainer später "Daddy" nennen sollte.
Der Portugiese baut eine enge Bindung zu vielen Spielern auf, Essien ist bei weitem kein Einzelfall. In Zlatan Ibrahimovic scheint Mourinho jemanden gefunden zu haben, der ihn begleiten wird. Es ist nicht auszuschließen, dass weitere folgen. Nemanja Matic ist ein Name, der gleich von mehreren englischen Medien ins Spiel gebracht wurde.
Viele der anderen Gerüchte stammen allerdings aus einer Zeit, als Mourinho noch nicht als Trainer der Red Devils feststand. Neueste Wasserstandsmeldungen beziehen sich neben Ibrahimovic vor allem auf John Stones (FC Everton) sowie Saul Niguez (Atletico Madrid) - wohl zwei der umworbensten Talente auf dem Markt.
Gerade bei ihnen zieht der Name Mourinho. Manchester scheiterte zuletzt an einigen Verpflichtungen, andere Mannschaften boten nicht nur mehr Geld, sondern auch eine gefestigtere Struktur und erfahrenere Mitspieler. Die Chance, den Kader umzugestalten, punktuell an den wichtigsten Stellen qualitativ aufzuwerten, besteht auch dank des neuen Trainers.
Ein linker Verteidiger, ein Innenverteidiger, ein zentraler Mittelfeldspieler und ein Stürmer könnten dem Kader einen entscheidenden Push geben. Gleichzeitig wird es natürlich Abgänge geben. Allen voran scheint Juan Mata ein Kandidat, nachdem sich der Spanier schon beim FC Chelsea mit Mourinho zerstritt.
Ist ManUnited damit wieder titelreif?
Es wird zumindest so schwierig wie selten zuvor. "Ich möchte die letzten drei Jahre vergessen", kündigte Mourinho bei seiner Präsentation an und bezog sich damit auf die Titellosigkeit unter seinen Vorgängern. Dennoch wäre angesichts der Konkurrenz in der kommenden Premier-League-Saison Rang eins ein großes Wunder.
United geht noch zu viel ab und auch wenn Mourinho direkt einschlägt und seine Ideen erfolgreich vermittelt, bleibt ihm doch nicht viel Zeit, um das Team auf den vielleicht härtesten Titelkampf aller Zeiten in England vorzubereiten.
Der FC Chelsea mit Antonio Conte, Lokalrivale Manchester City mit Pep Guardiola, dazu die X-Faktoren FC Arsenal mit Arsene Wenger, die Tottenham Hotspur mit Mauricio Pochettino, der FC Liverpool mit Jürgen Klopp und last but not least der englische Meister Leicester City mit Claudio Ranieri. Die Premier League strotzt 2016/17 nur so vor Star-Trainern, die auf der Insel für jede Menge Innovation und Bewegung sorgen werden.
Mourinho stehen im Vergleich zur Konkurrenz nicht die besten Mittel zur Verfügung. Doch die fand er bei anderen Stationen keineswegs immer vor, oft brauchte er ein Jahr Anlauf.
Viel wird davon abhängen, wie Mourinhos Auftreten auf die Mannschaft wirkt und ob er die beim Amtsantritt gezeigte Leidenschaft dazu nutzen kann, schnell eine eingeschworene Einheit zu formen. "Die Fans wissen, was sie uns geben können und was ich ihnen geben kann", pochte er auch auf Unterstützung von den Rängen. Diese hatte Louis van Gaal nicht immer.
Eines ist allerdings sicher: Mourinho macht das Rennen um den Titel verdammt eng. Spielt sein Team im ersten Jahr nicht direkt um die Meisterschaft, wird er zum empfindlichen Stolperstein werden, um dann in den nächsten Jahren anzugreifen. Nicht umsonst läuft der Vertrag des Portugiesen bis Sommer 2019.
Wie werden sich Mourinho und Guardiola begegnen?
Das Schöne für die Fußball-Welt vorweg: Sie werden sich definitiv mindestens zweimal gegenüber stehen. Wie? Das Verhältnis ist nach der gemeinsamen Zeit in der Primera Division angeschlagen und wurde zwischenzeitlich von beiden Beteiligten sowie sämtlichen Medien enorm aufgeheizt.
Dennoch sind beide Männer nicht nur in den letzten Jahren eigene Wege gegangen, sie sind bei aller Emotionalität auch Menschen, die eine Rivalität hinter sich lassen können. Es wird immer Differenzen zwischen beiden geben, das liegt in der Natur ihrer Ansichten, wie Fußball zu spielen ist.
Und doch sind sie sich in vielen Dingen einig. Für sie ist Fußball Lebensinhalt, sie planen akribisch jeden Schritt und jedes Wort. Sie lieben die Premier League, wie aus unzähligen Aussagen hervorgeht. Das Duell Guardiola gegen Mourinho wird nicht nur die Stadt teilen, sondern - wie schon in Spanien - die Welt.
Wieder übernehmen sie zwei Rivalen, wieder werden sie sich um jeden verfügbaren Titel streiten. Und doch wird das Verhältnis wohl nicht mehr so hochkochen wie es noch in Spanien der Fall war. Dafür ist der entsprechende Rahmen in der Premier League nur bedingt gegeben.
Mourinho hat in England nicht nur Guardiola als "Feind", auch mit Trainer-Kollege Arsene Wenger befindet er sich seit langem auf Kriegsfuß. Und doch wird sich auf einer sarkastischen, teils gar humorvollen Ebene begegnet, die in dieser Form zwischen Guardiola und Mourinho in Spanien nie existierte.