"Uli Hoeneß mag keine Österreicher"

Christoph KöckeisSPOX
12. Juli 201320:49
Hegt eine tiefe Verbundenheit zu Köln: Toni Polsterimago
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Er demütigte den FC Barcelona, verhalf Bayern München zum Titel und stieg beim 1. FC Köln zur Ikone empor: Toni "Doppelpack" Polster. SPOX traf Österreichs Rekord-Bomber im Rahmen von "Sport und Talk aus dem Hangar 7" bei "ServusTV". Ein Interview über Uli Hoeneß' Abneigungen, rheinische Verehrung und Wiener Schmäh. Plus: Der 49-Jährige verrät, warum Ihn seine Landsleute fürchten und Marko Arnautovic in den Zirkus gehört.

SPOX: Herr Polster, warum durften Sie damals der Bayern-Meisterfeier 1997 auf dem Rathaus-Balkon beiwohnen?

Toni Polster: (lacht) Mario Basler präsentierte den tausenden Fans ein großes Plakat von mir. Zuvor erzielte ich drei Tore gegen Leverkusen und machte den FC Bayern damit zum Meister. Wir kannten uns schon länger, telefonieren noch ab und an. Er hat Freunde in Köln, die auch meine sind. Nur: Wo er das Poster besorgte, weiß ich bis heute nicht.

SPOX: Die Münchner schwächen ihre Konkurrenz in der Bundesliga, indem sie Stars abwerben. Wie interessant waren Sie?

Polster: Tatsächlich stand ich einmal knapp davor. Ich habe gegen die Bayern vier Tore in vier Spielen gemacht. Andreas Brehme und Lothar Matthäus sprachen sehr gut über mich, wollten mich zum Klub lotsen. Letztlich hat es aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Udo Lattek, der später in Köln ein Freund wurde, verriet mir: "Uli Hoeneß mag keinen Österreicher." Und Uli erzählte mir ähnliches über Lattek (lacht).

SPOX: Noch heute werden Sie in der Domstadt verehrt, sind eine lebende Legende. Worin liegt dieser Kult um Ihre Person begründet?

Polster: Ich schaffte, Leistungen auf dem Rasen und Spaß zu verbinden. Für mich ist genau das das Fundament jeder Arbeit. Nur lustig zu sein, reicht nicht aus. Ich erzielte Tore, habe stets mit Freude den Sport betrieben und versucht, mein Publikum zu begeistern. Und ich nehme mich nicht wichtiger als die Fans.

SPOX: Ihre musikalischen Auftritte mit den Fabulösen Thekenschlampen trugen bestimmt dazu bei: Nach einer Pokal-Blamage in Ulm traten Sie beim Kölner Ringfest auf. Die Verantwortlichen waren darüber wohl nicht begeistert.

Polster: Der Verein wusste Bescheid, kündigte es in seiner Zeitschrift an. Daher war es für mich eine normale Verpflichtung, die Initiatoren nicht im Regen stehen zu lassen, hatten sie doch Tausende von Mark in Werbung investiert. Dazu muss man, wenn es mal so nicht läuft, stehen.

SPOX: Inwiefern sehnen Sie manchmal diesen Lebensabschnitt zurück?

Polster: Ich hatte wunderschöne Momente, wurde Zweiter der Torschützenliste. Leider erlebte ich auch einen Abstieg mit. Die Verbundenheit zu Köln ist wirklich tief, ich entwickelte eine Liebe zum Effzeh. Mein Herz hängt sehr daran. Gerne würde ich irgendwann zurückkehren.

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SPOX: Sie verkörperten den Profi zum Anfassen. Und einen Profi, welcher stets markige Sprüche parat hatte. Wiener Schmäh und rheinische Fröhlichkeit - verträgt sich das?

Polster: Ich habe in diese Stadt und zu diesen Menschen gepasst. Vor der Unterschrift weiß man das nicht, doch die Leute liebten mich und ich versuchte, etwas zurückzugeben. In Sevilla war es ebenfalls perfekt. Bei Rayo Vallecano und Torino weniger. Obwohl man österreichische Witze auch auf Spanisch oder Italienisch erzählen kann (lacht).

SPOX: Bevor Sie die weite Welt erkundeten, trafen Sie in Österreich nach Belieben: 2007 wurde Ihnen der Goldene Schuh verliehen - nachträglich für die Saison 1986/87, als Sie für Austria Wien 39 Mal netzten. Überwog die Freude oder Ärger über die verspätete Würdigung?

Polster: Natürlich freue ich mich darüber, das ist eine Auszeichnung für die Ewigkeit. Damals fand ich es schade, dass es nicht reichte. Wie sich herausstellen sollte, wegen manipulierter Tore in Rumänien. Die FIFA kompensiert es, hat mich als Torschützenkönig Europas anerkannt.

SPOX: Über Torino Calcio landeten Sie beim FC Sevilla - weitere Stationen bei CD Logrones und Rayo Vallecano. Wie erlebten Sie die fußballverückten Iberer? Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Polster: In Sevilla wurde mir, wie in Köln, am meisten Respekt entgegen gebracht. Dort fühlte ich mich richtig wohl, bekam unheimliche Anerkennung von den Fans zurück. Ich erlebte in Spanien zahlreiche Glücksmomente. Ich durfte gegen Real Madrid jubeln, musste aber auch ein 0:7 einstecken. Beim 2:5 im Bernabeu erzielte ich beide Treffer, beim 3:3 gegen den FC Barcelona mit Rayo deren drei. Das Schönste war bestimmt das 4:2 mit Sevilla in Barcelona. Ich traf zwei Mal, leistet zwei Assists. Die nächsten Tage wurde ich von den Medien belagert. Sobald das Spiel wieder auf dem Programm stand aufs Neue. Bis heute Sevillas letzter Sieg im Camp Nou.

SPOX: Sie lauerten dazumal im Strafraum, waren ein klassischer Torjäger. Würden Sie im Tiki-Taka-Zeitalter der Primera Division funktionieren?

Polster: Als ich noch spielte, wurde die Frage gestellt: Passt der überhaupt in den modernen Fußball. Als ich nicht mehr aktiv war, sagten sie: Hätten wir bloß einen, der vorne steht und eiskalt vollendet. Ich denke, selbst in der Gegenwart, werden Torjäger sehr gerne gesehen.

Teil 2: Polster über Arnautovic und das ÖFB-Team

SPOX: Ihr Freund Andreas Herzog wird nicht müde zu betonen, Sie wären lauffaul gewesen, hätten stets darauf gewartet, bis der Ball bei Ihnen landet. Natürlich ein humorvoller Seitenhieb. Wie würde der Trainer den Spieler Toni Polster charakterisieren?

Polster: Niemand außer ich konnte Andis Flanken erreichen (lacht). Ich selbst würde behaupten, ein flexibler Stürmer gewesen zu sein. Ob mit dem linken und rechten Fuß, per Kopf, aus Freistößen oder Elfmetern - ich habe meine Tore gemacht.

SPOX: Nicht umsonst genießen Sie in Deutschland höchste Wertschätzung. In der Heimat wurden und werden Sie skeptischer beäugt. Sinnbild: die WM-Qualifikation 1990. Begleitet von einem gellenden Pfeifkonzert feuerten Sie das Nationalteam per Hattrick gegen die DDR zur WM.

Polster: Es ist schön, dass ich als Österreicher meine Spuren in der Bundesliga hinterließ. Noch heute bin ich dort gern gesehener Gast, das bereitet mir Freude. Nach dem Sieg machte sich eine gewisse Genugtuung breit. Wir haben damals ein Stück Fußball-Geschichte geschrieben.

SPOX: Seit 1998 läuft das ÖFB-Team einer WM-Teilnahme hinterher: Ihnen wurde diese Ehre gleich zwei Mal zuteil - Ihre Erinnerungen?

Polster: Bei einer Endrunde dabei zu sein, die Atmosphäre aufzusaugen, ist das Größte, was man als Österreicher erreichen kann. Ich hatte das Glück, sowohl 1990 als auch 1998 mein Land als Kapitän auf den Rasen zu führen. Vielleicht sind wir bald wieder dabei.

SPOX: Woran hakt es Ihrer Einschätzung nach?

Polster: Es fehlte in der Vergangenheit an einem starken, qualitativ hochwertigen Gerüst. Wir hatten die exzellenten Einzelkönner wie Gerhard Prohaska, Hans Krankl oder Herzog nicht. Von Torwart über Abwehr, bis hin zum Torjäger vermisste ich die Klasse. Derzeit sind wir auf einem guten Weg.

SPOX: Neben David Alaba wurde Marko Arnautovic zum Hoffnungsträger hochstilisiert. Letzteren bezeichnete Herzog als "größtes Talent aller Zeiten". Nach der Suspendierung wurde er von Werder Bremen begnadigt. Sie gehören zu Arnautovic' schärfsten Kritikern - warum?

Polster: Im Nachhinein war es keine gute Aussage von Andi. Marko ist zweifellos ein fantastischer Spieler, nur sollte der Kopf immer mitmachen. Und da habe ich meine Bedenken. Für mich ist er ein Zirkusspieler, leider hat seine Manege zu selten geöffnet. Er tappt in jedes Fettnäpfchen, und hat sich die Haltung der Medien durch sein Verhalten selbst zuzuschreiben.

SPOX: Sie meinten, eine Akademie hätten Sie wahrscheinlich nicht überstanden. Vielmehr waren Sie ein Typ mit Ecken und Kanten, im Business der Neuzeit eine Rarität. Arnautovic ist auch kein Heiliger, jemand, der polarisiert.

Polster: Ich war immer unangepasst, hatte eigene Ideen. In Akademien wird den Talenten - denke ich - viel zu viel vorgegeben. Wenn die Leistungen bei Marko passen, drückt man da öfter ein Auge zu. Nur ist das Verhältnis zwischen seinen Ausrastern und Darbietungen nicht entsprechend.

SPOX: "Die Leute fürchten sich und sind neidisch", sagten Sie in einem Interview bezugnehmend auf die Hindernisse einer Karriere an der Seitenlinie. Warum war dem so?

Polster: Einigen war der Name Toni Polster zu groß. Sie hatten Angst, nicht mehr die Aufmerksamkeit zu erhalten, wenn sie mich als Trainer verpflichten. Das Privileg erarbeitete ich mir. Mittlerweile habe ich die Chance, zu beweisen, dass ich in dieser Position Qualität habe. Mein Ziel war, in der Bundesliga zu arbeiten. Deshalb nahm ich die ganze Ausbildung auf mich. Jetzt bin ich dort angelangt, wo ich hin gehöre.

SPOX: Admira Wacker bangte in der Vorsaison um die Bundesliga-Existenz. Der Klassenerhalt wurde denkbar knapp realisiert. Kein leichtes Unterfangen für Sie?

Polster: So ein Jahr soll nicht mehr vorkommen. Wir sollten in der Vorbereitung unsere Mannschaft stabilisieren, um gefestigt den Abstiegskampf zu bestreiten. Ob der finanziellen Lage müssen wir uns zum Status des Ausbildungsvereins bekennen.

SPOX: Wann sehen wir Sie in Deutschland? Peter Stöger wagte den Sprung zu Ihrem Herzensklub.

Polster: Peter ist ein intelligenter, akribischer Arbeiter. Er kann eine Mannschaft zusammen schweißen, ist ein moderner Betreuer. Ich hoffe, er wird Erfolg haben und den 1. FC Köln dort hinführen, wo er hingehört: In die Bundesliga. Die ganze Stadt will den Aufstieg. Ich selbst würde mich sehr über eine Rückkehr freuen und versuchen, dem Verein zu altem Glanz zu verhelfen. Irgendwann.

Toni Polster im Steckbrief