Felix Magath: Der beste Trainer Deutschlands

Haruka Gruber
05. November 200918:51
Magaths Stationen vor Schalke: Hamburg, Bremen, Nürnberg, Frankfurt, Stuttgart, Bayern, Wolfsburg  Imago
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Früher als Diktator Saddam verspottet, ist Felix Magath heute der Vorzeige-Coach der Bundesliga. Dafür musste er sich aber neu erfinden - und sich vom Rambo-Image verabschieden. Der Trainer des FC Schalke 04 vor dem Spitzenspiel bei seinem Ex-Klub FC Bayern München (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) im Porträt.

Geheimnisvoll zu sein, weckt Neugierde. Das hat Felix Magath von seinen früheren Trainern gelernt. "Die Stärke von Ernst Happel und Branco Zebec war ihre kuriose Sprache. Man musste sich stark konzentrieren, um zu verstehen, was sie meinten. Deshalb kam ihre Botschaft so gut rüber", erzählte Magath vor einigen Jahren - und setzte selbst alles daran, diese Eigenheit zu perfektionieren.

Magath ist mittlerweile nicht nur dreimaliger deutscher Meister. Er ist auch ein Meister der teils wundersam anmutenden Rhetorik. Sein Aufstieg zum besten Trainer Deutschlands hängt eng mit der bei seinen letzten Vereinen entwickelten Fähigkeit zusammen, kraft seiner Eloquenz in verschiedenste Rollen zu schlüpfen - und gleichzeitig schwer durchschaubar zu bleiben. Egal ob für die Medien, die Fans oder die Spieler.

Seine Bilanz der letzten fünf Jahre: Beim FC Bayern gelang es Magath als erstem Coach der Bundesliga-Historie, zweimal in Folge das Double zu gewinnen. Innerhalb von 24 Monaten formte er in Wolfsburg eine Titelmannschaft. Doch erst in diesem Sommer übernahm er die bisher "schwierigste Aufgabe meiner Karriere", wie er im SPOX-Interview sagte.

Magath hat Schalke im Griff

Als Trainer, Manager und Vorstandsmitglied soll Magath den FC Schalke 04 finanziell sanieren, eine neue Mannschaft formen, dem Verein eine neue Identität geben und nebenbei kurzfristig Erfolg haben. Eine Gratwanderung, die bisher außerordentlich erfolgreich verläuft - auch weil er es wie kein anderer versteht, inmitten des Chaos-Zustands den richtigen Ton zu treffen.

Medien-Profi Magath geht in die Öffentlichkeit, stellt sich in zahlreichen Interviews und macht sich so weniger angreifbar, ohne jedoch zu sehr mit der Journaille zu klüngeln oder zuviel zu verraten.

Um die nach Fred Rutten und Mirko Slomka skeptische Anhängerschaft im Rücken zu wissen, organisierte er eigens einen Fan-Krisengipfel und formulierte zu Saisonbeginn sorgsam bedachte Ziele wie die Meisterschaft bis spätestens 2013. Nicht zu ehrgeizig, aber ambitioniert genug für eine Aufbruchsstimmung.

"Magath hat ein großes Herz"

Eine Euphorie, die auch die Mannschaft erfasst hat. Magath versteht es, Strömungen innerhalb eines Kaders zu erkennen und jeden Spieler gezielt zu motivieren. Er maßregelt wiederholt den zu Nachlässigkeit neigenden Kevin Kuranyi öffentlich und stachelt diesen so zu besseren Leistungen an.

Gerald Asamoah und Vicente Sanchez wurden von Magath ebenfalls öffentlich in Frage gestellt. Danach traf Asamoah beim 2:0 gegen Frankfurt zur Führung, Sanchez sorgte für den 2:2-Ausgleich zuletzt gegen Leverkusen.

Doch Magath zeigt auch eine weiche Seite, wenn keiner damit rechnet. Rafinha gestattete er wegen privaten Problemen inmitten der Saison einen Heimaturlaub in Brasilien. Der Rechtsverteidiger wirkt seitdem aufgeräumter und fokussierter. "Felix Magath hat ein großes Herz", sagt Rafinha.

Magath berücksichtigt auch die Bedürfnisse von Marcelo Bordon, der als einziger Spieler Trainingseinheiten auslassen darf. Bordon dachte nach dem Frust-Jahr unter Rutten bereits an Rücktritt, diese Saison gehört er zu den überragenden Verteidigern der Liga.

"Wenn Felix nicht wäre, wäre ich nicht mehr hier. Ich bin froh, dass er mir wieder die Motivation gegeben hat, weiter Fußball zu spielen", sagt Bordon, der schon in Stuttgart von Magath trainiert wurde. "Seine Philosophie ist die gleiche geblieben, seine Arbeit hat sich verändert. Er ist besser geworden - Felix Magath ist nicht umsonst so erfolgreich."

Aura eines Welt-Trainers

Es ist eine erstaunliche Wandlung, die Magath in den letzten zehn Jahren vollzogen hat. Einst als harter Hund und reiner Spezialist für Abstiegskandidaten abgestempelt, arbeitete er erfolgreich an sich und seiner Außendarstellung. Als einer der Wenigen in Deutschland umgibt ihn die unergründliche Aura eines Trainers von Weltniveau.

"Ich achte heute mehr auf die Stimmung. Früher habe ich ohne Rücksicht auf Verluste meine Linie durchgezogen", sagt Magath.

In Bremen und Frankfurt wurde ihm gute Arbeit attestiert, dennoch wurde er gegangen. Es nagte derart an seinem Ego, dass er sich reflexartig immer wieder in den Medien für seinen Trainingsstil rechtfertigte und so Bestätigung für seine "Quälix"-Attitüde suchte.

"Vielleicht erinnert sich jetzt der eine oder andere daran, dass es doch nicht so verkehrt war, wie ich gearbeitet habe. Der eine oder andere, der sich fragt, warum wir so viel gelaufen sind, hat jetzt vielleicht begriffen, dass das nicht so falsch war", sagte Magath mit einem Hauch Wehmut, nachdem er 1999 Bremen ins Pokalfinale geführt hatte, das dann sein Nachfolger Thomas Schaaf gewann, weil sich Bremen und Magath kurz zuvor getrennt hatten.

Saddam in Frankfurt

In Frankfurt bekam er den Spitznamen "Saddam", Bachirou Salou bezeichnete ihn als "den letzten Diktator in Europa".

Doch mit der Zeit setzte ein Umdenken ein. Er gab nicht nur den anderen, sondern sich selbst die Schuld für seinen arg ramponierten Ruf. Magath analysierte seine Unzulänglichkeiten, arbeitete gezielt an ihnen und erfand sich so neu.

Genauso autodidaktisch, wie er bei seiner ersten Trainerstation bereits vorexerziert hatte. Um seine Wirtschaftskenntnisse zu erweitern, arbeitete er Anfang der 90er Jahre beim Amateurklub Bremerhaven nebenbei in der Finanzdienstleistungsfirma des Vereinsbosses Bernd Günther.

"Ich habe alles mitgemacht. Ich habe zwei Weltmeisterschaften gespielt, aber ich kenne auch die Niederungen. Jede Niederlage hat mich weitergebracht", sagt Magath.

Nicht mehr eindimensional

Der Durchbruch als Trainer sollte in Stuttgart gelingen. Zwischen 2001 und 2004 formte er aus einem abstiegsbedrohten Traditionsklub einen Hot Spot für die besten deutschen Talente. Er förderte Kuranyi, Timo Hildebrand oder Philipp Lahm und erreichte mit dem VfB die Champions League.

Die Geburt des neuen Felix Magath. Er sagte nicht mehr Sätze wie "In diesem Drecksspiel hätte ich zehn Akteure auswechseln können" oder "Ich hatte schon vorher das Gefühl, dass die Mannschaft noch nicht reif für die Bundesliga ist. Aber dass einige Spieler so weich in der Birne sind, hätte ich nicht gedacht".

Stattdessen wurde aus dem eindimensionalen Disziplinfanatiker von einst Deutschlands Vorzeige-Coach.

Er arbeitet zwar weiterhin mit Härte und achtet penibel darauf, Distanz zu seinen Spielern aufrechtzuerhalten. Doch er kann mittlerweile abstufen. Nicht alles ist schwarz und weiß. Philosophie und Prinzipien seien wichtig, doch über allem steht der Erfolg. Und Erfolg braucht Unberechenbarkeit.

Magaths Überraschungseffekt

Magath legt bei Schalke je nach Bedarf die Trainingszeiten erst am Abend zuvor fest, damit sich die Spieler auf den Fußball konzentrieren. Aus dem gleichen Grund ließ er ohne Vorwarnung im Kabinentrakt die Playstation-Konsolen oder den Billardtisch entfernen. An einem Tag stellt er den Spielern Prämien in Aussicht, am anderen Tag sagt er: "Mehr Geld würde es bei mir nur geben, wenn ich im Gegenzug bei schlechter Leistung auch wieder kürzen dürfte."

Mit Carlos Zambrano, Christoph Moritz, Lukas Schmitz, Levan Kenia und Vassilios Pliatsikas befördert er unbekannte Talente in den erweiterten Stamm, weil diese besser trainieren würden als die Arrivierten. Zuletzt bekam das der ehemalige brasilianische Nationalspieler Mineiro zu spüren. Der zwischenzeitlich aussortierte Mittelfeldspieler hatte Magath wohl nicht gut zugehört.

Der Unterschied zu van Gaal

Parallelen zwischen Magath und dem ähnlich rigiden Bayern-Trainer Louis van Gaal sind offensichtlich - doch es gibt einen großen Unterschied. Magath denkt wesentlich pragmatischer. Er lässt auf Schalke keinen schönen Fußball spielen, weil es der ordentlich, aber nicht überragend besetzte Kader nicht hergibt. Aber er lässt einen auf Defensive ausgelegten Fußball spielen, der sich trotz Verletzungen und des dünnen und jungen Kaders als äußerst effektiv erweist.

Magaths einzige Maxime ist der Erfolg. Ihr ordnet er sich unter, und die gleiche Hingabe fordert er von den Spielern.

Dennoch sagte Magath vor einigen Wochen: "Es ist eine Mär, dass ich alles verbiete. Ich verbiete nur, was der Mannschaft nicht gut bekommt. Aber wenn mir einer sagt, er braucht zehn Bier, um ein Tor zu machen, dann kläre ich ihn über die Risiken des Alkoholgenusses auf und gebe ihm zehn Bier."

Ein kurioses Zitat, das auch von Happel oder Zebec hätte stammen können.

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