Die Nationalmannschaft Ecuadors steht kurz vor der direkten Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien. Dabei konnte die Auswahl der kleinen Andenrepublik die entscheidenden Punkte vor allem zuhause einfahren - in einem Stadion in fast 3000 Metern Höhe. Für das Freundschaftsspiel gegen Spanien (Mi., 22 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE bei SPOX) macht die "Tricolor" allerdings eine Ausnahme.
Hicham El Guerrouj bereite so seine großen Erfolge vor, auch viele andere Spitzenläufer praktizieren es seit Jahrzehnten, um im entscheidenden Moment den längeren Atem zu haben. Seit den seltsamen Ergebnissen der Olympischen Sommerspiele 1968 in den luftigen Höhen von Mexico-Stadt haben professionelle Athleten es zunehmend für sich entdeckt.
Beim Höhentraining setzen Sportler auf die allmähliche Anpassung des Körpers an einen relativen Sauerstoffmangel, durch die vermehrte Bildung von roten Blutkörperchen sollen Sauerstoffaufnahme und -transport optimiert werden. Der gewünschte Effekt dieser (nicht unumstrittenen) Trainingsmethode ist im Idealfall der eines natürlichen Blut-Dopings.
Wann immer sich Ecuador für ein großes Turnier qualifiziert hat, war dies vor allem auf die große Heimstärke der "Tricolor", also der Dreifarbigen, zurückzuführen. Ihre Gegner empfangen sie im Estadio Olympico Atahualpa in der Hauptstadt Quito, die Arena liegt exakt 2783 Meter über dem Meeresspiegel. Und in der Tat geht den Gästen am Ende regelmäßig die Luft aus.
Die Ehrwürdigen des Gipfels
In der Qualifikation für das Weltmeisterschaftsturnier in Deutschland blieb Ecuador zuhause ungeschlagen und auch in der laufen Qualifikation für die WM 2014 befindet man sich in einer äußerst komfortablen Situation. Die Mannschaft rangiert vier Spieltage vor Schluss auf dem dritten Tabellenplatz und hat beste Voraussetzungen, die direkte Qualifikation zu schaffen.
Zuletzt konnte Argentinien den Gelb-Blau-Roten immerhin einen Punkt abtrotzen, am Ende hieß es 1:1 unentschieden. Es waren die ersten Punkte, die überhaupt aus dem Atahualpa entführt werden konnten, alle fünf Heimspiele zuvor endeten mit Siegen für die Heimmannschaft.
Lediglich Uruguay, zurzeit auf dem Relegationsplatz fünf und bereits mit fünf Punkten im Hintertreffen, könnte Ecuador auf der Zielgeraden noch gefährlich werden. Doch ausgerechnet ihnen steht als letztes Team der beschwerliche Aufstieg in die Berge noch bevor.
Die Ärmsten der Armen
Die meisten Kicker der Auswahl Ecuadors haben afrikanische Wurzeln, seit vielen Jahren ist das so. Sie sind die Nachfahren eingeschleppter Sklaven und stammen meist aus der Provinz Esmeraldas oder dem Chota-Tal in rund 1600 Metern Höhe, einer wüstenähnliche Region mitten in den Anden.
Das entlegene Tal gehört zu den ärmsten Landstrichen Ecuadors, besteht aus lediglich acht kleinen Dörfern, denen es selbst am Nötigsten fehlt. Meist ist nicht einmal fließend Wasser vorhanden, von sozialen Einrichtungen oder Arbeitsplätzen ganz zu schweigen. Fußball ist für viele die einzige Möglichkeit, vielleicht eines Tages der Armut entfliehen und ihre Familien unterstützen zu können.
Vorbild Europa
Fußballerisch allerdings ist Ecuador, zumindest in der Spitze, längst kein Entwicklungsland mehr. Es wird dem Achtelfinalisten der WM 2006 auch nicht gerecht, seine Stärke einzig auf die besonderen äußeren Bedingungen im Land zu reduzieren. Bereits seit den späten Achtziger Jahren setzt man in der Federacion Ecuatoriana de Futbol, also dem ecuadorianischen Fußballverband, auf europäische Trainer beziehungsweise solche mit internationaler Erfahrung.
Auch auf den aktuellen Trainer der Tricolor, Reinaldo Rueda, trifft das zu. Der gebürtige Kolumbianer absolvierte in den frühen Neunziger Jahren ein Sportstudium an der Sporthochschule Köln, spricht fließend Deutsch. Nach mehreren Engagements in seinem Heimatland qualifizierte er sich mit Honduras sensationell für die WM 2010 in Südafrika.
Freiheit und Ordnung
Die "deutsche Komponente" scheint dem kleinen Land, dass auf rund 80 Prozent der Fläche, aber weniger als ein Fünftel der Einwohnerzahlen Deutschlands (rund 15 Millionen) kommt, wie auf den Leib geschneidert. Schon im Landeswappen liest man den Schriftzug "Liberdad y Orden", Freiheit und Ordnung.
"Ecuador ist süchtig nach Zweikämpfen", entfuhr es dem deutschen Bundestrainer Jogi Löw kürzlich auf der USA-Reise der deutschen Nationalmannschaft, welcher er seit einigen Jahren so ganz andere Tugenden eintrichtert. Und in puncto Organisation, Raumaufteilung und Disziplin könne sich noch so manche südamerikanische Mannschaft bei Ecuador eine Scheibe abschneiden. Tugenden, die zu Beginn der Neunziger Jahre, als Rueda in Deutschland gelernt hat, noch absolute Konstanten deutscher Fußballdiskurse waren.
Doch auch in Ecuador drehen sich die Räder des Fortschritts weiter. Und so kann der geneigte Zuschauer über die enorme körperliche Robustheit hinaus bisweilen ein durchaus gefälliges Kurzpassspiel der Tricolor bewundern. Dem Zehntplatzierten der FIFA-Weltrangliste, gelistet vor Fußballgroßmächten wie Frankreich oder WM-Gastgeber Brasilien.
Prunkstück Mittelfeld
Gerüst der Mannschaft von Trainer Rueda sind die Legionäre, insgesamt acht Spieler verdienen ihr Geld außerhalb von Ecuador. Bis vor kurzem waren es noch neun, doch Ende Juli verstarb der erst 27-jährige Christian Benitez völlig überraschend an einer Blinddarm- und Bauchfellentzündung. Benitez war bis dahin 58 Mal als Stürmer für Ecuador aufgelaufen.
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Der wohl bekannteste Spieler Ecuadors ist Luis Antonio Valencia Mosquera von Manchester United. Im Mittelfeld läuft der 28-jährige, der in der Premier League rechter Flügelspieler ist, als Spielmacher meist zusammen mit Christian Noboa (Dynamo Moskau) und Renato Ibarra (Vitesse Arnheim) auf. Zusammen mit Edison Mendez, in Ecuador schon jetzt eine lebende Legende, bilden sie das Prunkstück der Mannschaft.
Verpflichtung für das Land
Insgesamt besticht Ecuador aber vor allem durch eine große mannschaftliche Geschlossenheit und große Verbundenheit zu ihrem Land. Valencia etwa widmete seine kürzlich gewonnene Premier-League-Medaille seinem Land und preist auch sonst des Öfteren die Schönheit seiner Heimat an.
Wenn die Dreifarbigen am kommenden Montag den amtierenden Welt- und Europameister Spanien empfangen, dann wird allerdings nicht hochgelegene Quito, sondern die Hafenstadt Guayaquil Austragungsort sein. Man wird dann sicherlich Trauerflor für den verstorbenen Christian Benitez tragen. Auch auf Höhe des Meeresspiegels aber wird man versuchen, dem berüchtigten Tiki-Taka der Spanier eine gute Organisation, körperliche Robustheit und hundertprozentigen Einsatz entgegenzuhalten. Um vielleicht sogar ab und an eine gepflegte Ballstafette einzuflechten.
Die WM-Qualifikation: Südamerika
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