Dagmar Freitag: Rücksichtnahme im Profisport "ein Fremdwort"

SID
14. Februar 202109:42
Dagmar Freitag ist die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag.imago images / photothek
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Weil sich die Normalbürger seit Monaten im Dauer-Lockdown befinden, wird das Unverständnis für Sonderregeln für den Profifußball größer. Aus Teilen der Politik gibt es heftige Kritik.

Die Debatte über eine Sonderrolle des Profifußballs in Zeiten der Corona-Pandemie reißt nicht ab. Der Fall Thomas Müller erhitzt weiter die Gemüter, und auch die anstehende Europapokal-Woche mit teils irrwitzigen Reise-Routen deutscher und internationaler Klubs rufen die Kritiker auf dem Plan.

"Es ist völlig unstrittig, dass der Fußball eine Sonderrolle für sich beansprucht", sagte die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag dem Deutschlandfunk: "Der Fußball ist weltweit die beliebteste Sportart. Und da steht eine geballte Macht hinter, die offensichtlich auch weiß, sich entsprechend zu positionieren."

Die Verlegung zahlreicher Europacupspiele in Drittländer, um die Einreisebeschränkungen zu umgehen, ist ein Beispiel dafür. "Den Bürgern raten wir zu Recht von jeder unnötigen Reise ins Ausland ab, und der internationale Fußball setzt sich über diese Regeln einfach hinweg", kritisierte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei Sport1: "Die Bürger wollen nicht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, nur weil es um Millioneneinnahmen durch Fernsehübertragungen geht."

Wenn zum Beispiel Bundesligist RB Leipzig nach Budapest fliegt, um dort am Dienstag (21.00 Uhr/DAZN) in der Champions League gegen den FC Liverpool zu spielen, sei auch die Politik machtlos, so Freitag. "Politik kommt dann ins Spiel, wenn es darum geht, Einreisen möglicherweise zu unterbinden", sagte die SPD-Politikerin: "Aber es ist natürlich nicht möglich, deutschen Staatsbürgern die Reise nach Budapest zu verbieten."

Karl-Heinz Rummenigge ist von Karl Lauterbach kritisiert worden.getty

Freitag vs. Fußball: "Was für den Normalbürger gilt ..."

Die Rückreise des positiv getesteten Bayern-Stars Müller von der Klub-WM in Katar hätten die Behörden aber vorerst untersagen können. "Normalerweise", sagte Lauterbach, "wäre eine Reise mit bekannter Infektion natürlich undenkbar."

Auch Freitag kann verstehen, dass Menschen hier eine Ungleichbehandlung empfinden: "Was für den Normalbürger gilt, muss auch für rückreisende Profimannschaften gelten. Insbesondere, wenn eine Mannschaft zurückkommt, die selbst einen aktiven Corona-Fall im Team gehabt hat."

So aber erhärtet sich der Eindruck, dass die in Pandemie-Zeiten zur Schau gestellte Demut oft nur eine Fassade ist. "Der Profifußball, und auch andere Sportarten, leben offensichtlich in einem anderen Kosmos, in dem Rücksichtnahme ein Fremdwort ist", sagte Freitag. Ihr Parteikollege Lauterbach ist sogar der Meinung, dass das Verhalten der Profiklubs "zur Pandemie-Müdigkeit" beitragen und "die Glaubwürdigkeit unserer Regeln infrage" stellen würden.

Daher sei die Diskussion um den Sonderstatus des Profisports und insbesondere des Profifußballs auch eine "gesellschaftspolitische Debatte", betonte Freitag. Während Ärzte und Pflegekräfte aktuell keinen dringend benötigten Kurzurlaub machen könnten, "finde ich es schwierig zu vermitteln, dass ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung offensichtlich Rechte genießt, die mit dem, was für alle anderen gilt, nichts mehr zu tun haben".