Formel 1 - Erkenntnisse zum Emilia-Romagna-GP: Schumachers erster Patzer - Vettel droht schwieriges Jahr

Christian Guinin
19. April 202111:02
Mick Schumacher unterlief in Imola sein erster grober Schnitzer.imago images
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Während sich Valtteri Bottas nach dem Großen Preis der Emilia Romagna langsam Sorgen um seinen Job machen muss, hat sein Teamkollege Lewis Hamilton das Glück auf seiner Seite. Sebastian Vettel steht hingegen ein weiteres schwieriges Jahr bevor. Die Erkenntnisse zum Rennen in Imola.

1. Valtteri Bottas darf sich keine Fehler mehr erlauben

Für Valtteri Bottas war der Große Preis der Emilia Romagna ein Wochenende zum Vergessen. Schon am Samstag wurde er von Teamkollege Lewis Hamilton deklassiert, am Sonntag musste der Finne das Rennen nach einem Crash mit Williams-Pilot George Russell sogar aufgeben. Ausgerechnet Russell möchte man meinen, schließlich gilt der äußerst talentierte 23-Jährige schon jetzt als ausgemachter Bottas-Nachfolger bei den Silberpfeilen.

Doch was war passiert? In der 33. Runde setzte Russell auf der Start-und-Zielgeraden zum Überholmanöver auf den vor ihm liegenden Bottas an. Dabei wurde er vom Finnen nach rechts abgedrängt, kam mit zwei Reifen auf den nassen Rasen und verlor die Kontrolle über seinen Williams, worauf er in Bottas crashte und beide Boliden schwer demoliert im Kiesbett strandeten.

In der Schuldfrage wurden sich beide nach dem Rennen nicht einig. "Es war eindeutig sein Fehler", befand Bottas. Russell hatte ihn zuvor am Boxenfunk als "Idioten" bezeichnet und war zum gestrandeten Mercedes gestürmt. Als Russell Bottas auf den Helm klopfte, konterte der per ausgestrecktem Mittelfinger. Der Brite fühlte sich von Bottas abgedrängt, im Zuge einer "taktischen Verteidigung". Das sei tabu, denn: "Es gibt ein Gentlemen's Agreement, so was nicht zu tun. Im Trockenen, okay. Aber nicht im Nassen, bei solchen Bedingungen."

Bottas bringt sich durch schwache Leistung selbst in Bedrängnis

Letztlich sprach die Rennleitung keine Strafe gegen beide Piloten aus, Bottas dürfte das jedoch kaum erfreuen. Schließlich brachte sich der 31-Jährige durch eine erneut wenig berauschende Leistung überhaupt erst in die Position, von Russell "abgeschossen" zu werden. Im Qualifying war er eine gute halbe Sekunde langsamer im Vergleich zu Teamkollege Hamilton und musste daher von Platz acht aus ins Rennen gehen. Auf einer Strecke wie Imola, die als wenig überholfreundlich gilt, nicht die beste Ausgangssituation.

Im Rennen blieb der Finne dann ebenfalls weit hinter seinen Möglichkeiten. Nach einem schwachen Start ging es für ihn noch einmal zwei Plätze weiter nach hinten, in der Folge hatte Bottas dann große Schwierigkeiten, sich durchs Feld zu kämpfen. Dabei handelte es sich jedoch nicht um Spitzenautos wie Mercedes oder Red Bull, gegen die der Finne fuhr, sondern eher um Teams der Größenklasse AlphaTauri, Aston Martin oder Williams. Das kann ohne Frage nicht der Anspruch sein.

Die Diskussionen um die Zukunft von Bottas werden in den kommenden Wochen daher wieder lauter werden. Sollten gute Leistungen ausbleiben, wird Bottas seine letzte Chance wohl endgültig verspielt haben. Auch Teamchef Toto Wolff forderte nach dem Emilia-Romagna-GP ungewohnt offensiv eine Steigerung seines Schützlings. "Wir brauchen ihn da vorne. Das war heute nichts", sagte Wolff bei Sky.

George Russell und Valtteri Bottas als Teamkollegen letztes Jahr in Bahrain.getty

2. Sebastian Vettel steht erneut ein schwieriges Jahr bevor

Zweites Rennen, zweite Enttäuschung - für Sebastian Vettel geriet auch das Formel-1-Rennen in Imola zu einem einzigen Desaster. Bereits vor dem Start lief das Rennen für den viermaligen Weltmeister in die völlig falsche Richtung, am Ende stand ein erneuter Ausfall.

Die Probleme begannen bereits bei der ersten Ausfahrt aus der Boxengasse. Auf dem Weg zur Startaufstellung überhitzten Vettels hintere Bremsen völlig und fingen sogar Feuer. "Da ist uns ein grober Fehler unterlaufen", erklärte Vettel bei Sky. Die Aston-Martin-Mechaniker machten sich in der Startaufstellung direkt daran, die Schäden zu beheben, das gelang ihnen aber nicht mehr rechtzeitig. Vettel wurde so zu einem Start aus der Boxengasse gezwungen, später bekam er für das zu späte Aufziehen der Reifen sogar noch eine Stop-and-Go-Strafe aufgebrummt.

Auch im Rennen lief es nicht viel besser. "Am Anfang des Rennens war es extrem schwierig, die Reifen auf Temperatur zu bringen und zu überholen", meinte Vettel. Mit abtrocknender Strecke entschied sich der Heppenheimer dann als erster Fahrer zum Wechsel auf die Slicks. "Ich habe ein bisschen Risiko genommen, um auf die Trockenreifen zu gehen. Mir war klar, dass die ersten Runden entscheidend sind", so Vettel.

Vettel: "Heute sollte es irgendwie nicht sein"

Spätestens mit Verkündung der Strafe, die von den Rennkommissaren verhältnismäßig spät ausgesprochen wurde, wusste Vettel, dass sein Rennen vorbei sein würde. "Leider ist die Strafe der Rennleitung sehr spät eingefallen. Es war ja von vornherein klar, aber vielleicht war der Filter in der Kaffeemaschine voll und es hat deshalb so lange gedauert", sagte er mit einer Mischung aus Witz und Resignation: "Das hat uns natürlich nicht geholfen, weil die Reifen dann noch einmal kälter geworden sind."

Nach der Roten Flagge versuchten Aston Martin und Vettel, noch einmal mit weichen Reifen zu attackieren, der Versuch blieb letztlich aber erfolglos. "Wir dachten, dass es ein stehender Start wird und dass wir dann einen Vorteil haben von der Linie weg. Aber es wurde ein rollender Start", erklärte Vettel. Kurz vor Schluss quittierte dann auch noch das Getriebe seinen Dienst. "Heute sollte es irgendwie nicht sein", war am Ende das Fazit eines mehr als gebrauchten Tages.

Nach zwei Rennen stehen somit weiterhin null Punkte auf dem WM-Konto des Deutschen. Das Problem: (Schnelle) Besserung ist nicht in Sicht. Aston Martin ist nach wie vor der große Verlierer der diesjährigen Regeländerungen. Die Briten scheinen extrem große Probleme zu haben, das Auto aerodynamisch perfekt zu balancieren. Unvorteilhaft ist dabei vor allem, dass große Weiterentwicklungen während des Saisonverlaufs nicht möglich sein werden. Zum einen sind die Teams 2021 zum ersten Mal in der F1-Geschichte in ihrem Budget beschränkt, zum anderen müssen die wenigen Ressourcen eigentlich für 2022 gebündelt werden, wenn eine neue Rennwagengeneration an den Start geht.

Aufgeben will Vettel dennoch nicht. "Das Gefühl ist ein bisschen besser, aber im Moment sind es sehr wenige Runden, die ohne Probleme für uns laufen. Wir können uns noch steigern. Uns passieren da noch zu viele kleine Fehler, auch mir. Da muss ein bisschen mehr Fluss rein", zeigt sich Vettel immerhin kämpferisch.

3. Lewis Hamilton hat das Glück auf seiner Seite

Lewis Hamilton macht sehr selten Fehler. Meist gelingt es dem amtierenden Weltmeister ohne Fehl und Tadel seine PS auf den Asphalt zu bringen und mit dem zur Verfügung stehenden Material das absolute Maximum herauszuholen.

Beim Rennen in Imola war es dann aber wieder einmal so weit. Nach dem Tausch von Intermediates auf Trockenreifen setzte der Brite in der Tosa-Kurve zur Überrundung auf Williams-Fahrer George Russell an, kam dabei auf nassen Asphalt und rutschte unkontrolliert ins Kiesbett. Zunächst blockierten die Hinterräder, beim Versuch, das Heck mit einem kurzen Gasstoß schneller in die richtige Richtung zu bewegen, brach sein W12 jedoch aus - und Hamilton krachte stattdessen geradeaus in die Mauer. Nur mit viel Mühe gelang es dem Briten sich wieder zu befreien und weiterzufahren, das Rennen schien zu diesem Zeitpunkt jedoch gelaufen.

Doch das Glück sollte wieder einmal auf der Seite des 36-Jährigen sein. Während Hamilton seinen beschädigten Silberpfeil im Schneckentempo an die Box schleppte, kam es weiter hinten zur Kollision zwischen Russell und Teamkollege Valtteri Bottas. Während der anschließenden Rennunterbrechung hatten die Mercedes-Mechaniker genügend Zeit, Hamiltons W12 zu reparieren. Der Brite durfte sich sogar zurückrunden. Nach dem Re-Start startete er schließlich noch eine sehenswerte Aufholjagd und verbesserte sich vom neunten auf den zweiten Platz.

"Das war nicht mein bester Tag. So ein Fehler ist mir schon lange nicht mehr passiert", gab Hamilton im Anschluss zu. "Da war der Sieg eigentlich weg", sagte Teamchef Wolff. Trotzdem habe Hamilton insgesamt eine "überdimensionale" Leistung geboten - und war trotz des Fehlers wieder einmal mehr im Glück.

4. Mick Schumacher unterläuft erster grober Schnitzer

Noch vor dem Rennstart in Imola hatte sich Mick Schumacher ein Regenrennen gewünscht. Als der Regen dann tatsächlich eintraf, passierte dem 22-Jährigen jedoch ein grober Schnitzer, der im Rückblick aber auch für ein kleines Schmunzeln sorgen dürfte.

Nach dem Unfall von Williams-Pilot Nicholas Latifi in der Anfangsphase des Rennens schickte die Rennleitung das Safety-Car auf die Strecke, alle Fahrer nutzten die Phase wie gewohnt, um ihre Reifen aufzuwärmen. Bei kühlen Temperaturen und herbstlichen Wetterbedingungen auf feuchter Strecke ein besonders schwieriges Unterfangen - besonders für einen Rookie.

Am Ende der Start- und Zielgeraden passierte Schumacher dann das, was keinem Rennfahrer während einer Safety-Car-Phase passieren sollte: Er verlor beim wilden Zickzackfahren plötzlich die Kontrolle über sein Auto und krachte mit der Frontpartie in die Mauer. "Ich weiß gar nicht so richtig, was passiert ist. Das Auto ist plötzlich ausgebrochen. Ich dachte, ich fange es noch ab, habe es aber doch verloren", schilderte der Haas-Pilot die Situation.

Immerhin konnte Schumacher das Rennen fortsetzen, wenngleich er mit kaputter Nase noch eine Extrarunde drehen musste. Da er bei seinem Unfall direkt am Ausgang der Boxengasse zahlreiche Trümmerteile verstreute, schloss die Rennleitung die Boxengasse inklusive Boxeneinfahrt. Erst nach zwei vollen Runden im havarierten Boliden konnte er seinen Frontflügel wechseln lassen.

Schumacher landete im Haas so zwar erneut weit hinten, insgesamt habe er trotz seines kleinen Malheurs auch in Imola wieder "viel gelernt" und "viel Positives mitgenommen". Wichtig sei es, das Ziel erreicht und Rennkilometer gesammelt zu haben. "Es stehen jetzt wieder 63 Runden im Buch. Mein Ziel war es, die Zielflagge zu sehen. Es war ein schwieriger Tag, aber ich bin happy über unsere Performance", so Schumacher.

Formel 1: Die WM-Wertung nach 2 von 23 Rennen

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Lewis HamiltonMercedes44
2Max VerstappenRex Bull43
3Lando NorrisMcLaren27
4Chales LeclercFerrari20
5Valtteri BottasMercedes16
6Carlos SainzFerrari14
7Daniel RicciardoMcLaren14
8Sergio PerezRed Bull10
9Pierre GaslyAlphaTauri6
10Lance StrollAston Martin4
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Mercedes60
2Red Bull53
3McLaren41
4Ferrari34
5AlphaTauri8
6Aston Martin5
7Alpine3
8Alfa Romeo0
9Williams0
10Haas0