"Petko fehlt uns menschlich sehr"

Von Interview: Tristan Ebertshäuser
Barbara Rittner ist seit 2005 Teamchefin. 2014 führte sie das DTB-Team ins Fed-Cup-Finale
© getty
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SPOX: Wie haben Andrea und ihr Umfeld reagiert? Petkos neuer Coach Sascha Nensel hatte sich recht pikiert über die Kritik an Andrea gezeigt, nachdem ihr Team in den USA 0:4 verloren hatte.

Rittner: Er war nicht wirklich pikiert und ich habe ja auch gar keine Kritik geübt. Ich habe nur gesagt, dass wir Chancen liegen gelassen haben und das weiß Andrea selbst. Sascha Nensel hat kritisiert, dass die Medien auf sie eintrommeln und da bin ich absolut Saschas Meinung. Er hat die Nominierung für Hawaii kritisch gesehen, weil sie davor nicht die Leistung gebracht hat, um mit Selbstvertrauen dorthin zu fahren. Im Nachhinein wäre es vielleicht richtig gewesen, dort schon auf sie zu verzichten. Aber sie hat sich gestellt, weil sie uns nie hängen lassen würde - und das zeichnet sie aus.

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SPOX: 2014 waren Sie mit den Mädels knapp dran am Titel, doch verloren das Fed-Cup-Finale gegen Tschechien. Hätten Sie gedacht, dass Sie es so schwer haben würden in den kommenden Runden?

Rittner: Meiner Meinung nach haben wir die Erwartungen erfüllt - nur haben wir ihn leider nicht gewonnen. Im Jahr darauf standen wir im Halbfinale und haben unglücklich in Russland verloren. Die Weltgruppe besteht aus acht Nationen und alle haben gute Spielerinnen. Wir hatten oft Verletzungspech, können bis heute nicht auf Sabine Lisicki zurückgreifen. Deshalb ist es eine unglaubliche Leistung, dass wir seit Jahren dabei sind. Diese Generation legt die Messlatte für die kommenden sehr hoch - auch wenn in Deutschland immer nur Siege zählen.

SPOX: Gegen die Ukraine steht nun ein Abstiegsspiel an. Wie groß ist der Druck?

Rittner: Selbst wenn wir absteigen, geht die Welt nicht unter. Das ist schon ganz anderen passiert. Wir müssen ohnehin erstmal abwarten, ob die ITF den Fed Cup an den Davis Cup angleicht und die Anzahl der Teams auf 16 hochschraubt. Das ist ein riesiger Unterschied! Aber solange das nicht beschlossen ist, behandeln wir das wie ein Abstiegsspiel.

SPOX: Für wie wahrscheinlich halten sie die Aufstockung?

Rittner: In meinen Augen ist sie überfällig. Ich habe seit Jahren Hoffnung und im Sommer wird endlich abgestimmt. Ich kann aber nicht einschätzen, ob es bei der ITF eine Zwei-Drittel-Mehrheit gibt.

SPOX: Der DTB hat vor wenigen Tagen ein neues Förderkonzept vorgestellt. Was sind die wichtigsten Verbesserungen?

Rittner: Wir wollen die Jugendspieler individuell fördern. Wir wurden in die Grundförderung des Bundesinnenministeriums aufgenommen und stehen dadurch finanziell besser da. Wir haben im Damenbereich zwei zusätzliche Trainerstellen geschaffen, wodurch mir besonders bei der Jugendarbeit viel Arbeit abgenommen wird.

SPOX: Viele Sportverbände in Deutschland haben auf ebendiese Reform der Sportförderung geschimpft. Gerade kleinere Sportarten büßen Fördermittel ein. Wie stehen sie zu der Kritik?

Rittner: Man kann es nicht allen recht machen und ich kann die Kritik größtenteils nachvollziehen. Aber wir waren jahrelang nicht dabei, obwohl wir eine olympische Sportart sind und zuletzt auch eine Medaille geholt haben. Wir haben unsere Leistung gebracht, darum ist es gerecht, dass wir in die Grundförderung reinrutschen.

SPOX: Wie schwer ist es grundsätzlich, junge Spieler für Tennis zu gewinnen, gerade in Konkurrenz mit anderen Sportarten?

Rittner: Es wird immer schwerer. Aber wir versuchen gerade in Sachen Breiten- und Schulsport, mehr Jugendliche für Tennis zu begeistern. Verglichen mit meiner Jugendzeit vor 25 Jahren hat sich das Schulsystem verändert. Die Kinder müssen wahnsinnig diszipliniert leben, haben meist bis nachmittags Unterricht, müssen danach trainieren, essen, schlafen und dann geht der Tag von vorne los.

SPOX: Wie könnte man den neuen Anforderungen gerecht werden?

Rittner: Der Fußball macht es perfekt vor: Da gibt es viele Internate, aber eben auch ganz andere finanzielle Mittel. Jede Sportart muss versuchen, so ein System aufzubauen. Für eine optimale Förderung müssen die Talente früh zweiphasig trainieren können, um in der Jugend nicht zu viel Zeit zu verlieren. Aber auch die Jugendlichen müssen lernen, eigenverantwortlich zu arbeiten. Es bringt niemandem etwas, wenn die Eltern und Trainer anschieben, die Kinder aber nicht mit Herzblut dabei sind. Je näher man dran ist, desto besser kann man feststellen, wie sehr sie für ihre Sportart brennen.

SPOX: Sie brennen seit Jahrzehnten für den Sport und arbeiten seit mittlerweile 13 Jahren als Teamchefin. Gibt es da ab und zu auch schon Gedanken an den Rücktritt?

Rittner: Mein Herz hängt am Tennis. Ich werde sicher im Tennisbereich bleiben und auch wenn nichts geplant ist, wird es immer wieder Veränderungen geben.

SPOX: Auch bei den Tennis-Rechten gab es zuletzt Veränderungen. Was bedeutet es in Ihren Augen, dass jetzt mit DAZN ein Streaming-Dienst die Rechte übernommen hat?

Rittner: Die ersten Gespräche stimmen mich absolut positiv und das ist sicherlich die Zukunft. Wenn DAZN fachliche Kompetenz beweist, könnte etwas Großes entstehen. Aber man muss sicher ein wenig Geduld haben. Grundsätzlich ist es positiv, dass man in den nächsten drei Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz von allen Fed-Cup- und Davis-Cup-Partien Livebilder zu sehen bekommt. Es freut mich, dass auch der SWR an diesem Wochenende zeitweise mit an Bord ist.