Zverev verwandelt Matchball gegen Australien: Ein Sieg mit vielen Endlich-Momenten

Alexander Zverev beim Davis Cup
© getty

Das deutsche Davis-Cup-Team hat sich mit 3:1 gegen Australien durchgesetzt und steht im Viertelfinale. Den entscheidenden Punkt sicherte Alexander Zverev gegen Nick Kyrgios.

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Vor drei Wochen war er noch bitter enttäuscht vom Centre Court der Grand Slam-Festspiele in Melbourne geschlichen, nach dem nächsten Fünf-Satz-Desaster in der dritten Runde der Australian Open gegen den Südkoraner Hyeon Chung. Und wahrscheinlich stellte sich auch Alexander Zverev die bohrende, drängende Frage, wann er mal wieder eines der großen, wegweisenden, wirklich bedeutenden Tennismatches gewinnen würde. Eines, mit dem er seinen großen Ambitionen auch großen Rückenwind verleihen könnte.

Die Antwort gab sich Zverev schnell, und zwar ausgerechnet im Davis Cup, den so viele in der Tenniswelt fälschlicher Weise für eine ziemlich überholte, ziemlich angestaubte Veranstaltung halten, für einen Wettbewerb von Gestern. Stolz und strahlend stand Zverev jedenfalls am ersten Februar-Sonntag in der Pat Rafter-Arena zu Brisbane, hüllte sich im Rausch des Erfolgs in die Deutschland-Fahne, klopfte sich mit der Faust ans Herz - und tanzte dann glückstrunken mit seinen Teamkollegen, um den 3:1-Sieg Down Under zu feiern.

Zverevs 6:2, 7:6, 6:2-Sieg im entscheidenden Spitzeneinzel gegen Nick Kyrgios war auch Deutschlands Sieg, ein Sieg zum Viertelfinalvormarsch mit ganz vielen Endlich-Momenten und Endlich-Gefühlen.

Endlich wieder Hoffnung!

Endlich wieder ein Sieg in der Auftaktrunde der Weltgruppe, zum ersten Mal seit 2014. Endlich mal kein nervtötender Abstiegskampf, kein Schwebezustand im Fahrstuhl zwischen Erster und Zweiter Liga. Endlich wieder Hoffnung auf mehr als vertröstende Worte für eine bessere Tennis-Zukunft. Endlich der Auftritt eines eingespielten, perfekt harmonierenden, freundschaftlich zusammenwirkenden Doppels - mit der "TimundStruffi"-Kombination aus dem Frankfurter Tim Pütz und dem Ostwestfalen Jan Lennard-Struff.

Und endlich eben auch ein Zverev in Siegerpose, ein Mann, der dem massiven Nervendruck gewachsen war, der mit der Größe der Aufgabe wuchs und sich als Führungsspieler profilierte. Der Sieg, sprach da Herren-Abteilungsleiter Boris Becker höchste erfreut, sei eine "Nachricht an andere Nationen, dass mit Deutschland wieder zu rechnen ist."

Leader Zverev führt an

Natürlich war es ein Sieg einer funktionierenden Mannschaft. Aber man kam eben nicht an der Tatsache vorbei, wie unersetzlich für diese Siegesmomente ein stark und selbstbewusst auftretender Führungsspieler wie Zverev ist. Eine brillante, nervenstarke Nummer 1 erleichtert die Angelegenheiten in umkämpften Matches, das war immer so, auch in Deutschlands goldenen Zeiten - Ende der 80er Jahre mit Becker. Und etwas später dann auch mit Michael Stich.

Für Zverev könnte der Ausflug nach Brisbane auch einen Erkenntnisgewinn bringen, ganz in der Tradition Beckers und Stichs - nämlich den, dass der Davis Cup die individuelle Karriere nicht behindert, sondern befördert.

Und dass er, ganz nebenbei, auch kräftig Sympathien einbringen kann, von einer bisher nicht vorbehaltlos hinter ihm stehenden deutschen Tennisgemeinde. Zverev will nun auf jeden Fall weiter mittendrin sein im Davis Cup-Geschehen, auf der Länderspielbühne, er erklärte bereits seine Startgarantie für das Viertelfinalspiel Anfang April. "Wir wollen hier noch nicht aufhören", sagte er nach dem Sieg gegen Kyrgios, "wir haben ein Team, das weit kommen kann." Spanien wird dann nach dem Sieg über England das deutsche Team empfangen.

Brisbane, dieser Auftakterfolg, zeigte auch, dass sich die Gewichte und Perspektiven bei den deutschen Auswahlteams gerade ein wenig verschieben. Während der neue Fed Cup-Coach Jens Gerlach mit einer B-Truppe nun zum Erstrundenspiel nach Weißrußland (10. und 11.Februar) reisen muss, ohne die ehemaligen Teamstützen Kerber, Görges, Petkovic und Lisicki, verfügt Teamchef Michael Kohlmann bei den Herren über ein mehr als ordentliches Reservoir an Centre Court-Kräften. Vor allem, wenn man für die nächste Runde auch noch optional auf Philipp Kohlschreiber, Mischa Zverev, Maximilian Marterer oder Florian Mayer zurückgreifen kann. Kohlmann, lange Zeit eher der Verwalter des Mangels, dürfte tatsächlich eher die Qual der Wahl haben - nicht die Wahl voller Qual. Mit Blick auf die nächste Runde sagte der Hagener Bank-Direktor, man habe in Brisbane ja die "Qualität bewiesen, auch große Nationen auswärts zu schlagen."

Akzeptanz unter den Spielern

Dabei hilft auch, dass sich alle Beteiligten im Team arrangiert haben, ohne dass es zu Eifersüchteleien und Eitelkeiten gekommen wäre. Becker, der Champion früherer Davis Cup-Tage, strahlt eine übergeordnete Autorität aus, die keinesfalls in die direkten Belange von Kohlmann, dem Kapitän, eingreift. Der 50-jährige Meisterspieler ist eher der Mann, der mit seiner Präsenz daran erinnert, welche Faszination dieser Davis Cup bedeuten kann, er wirkt motivierend durch seine Person selbst. Kohlmann ist die integrierende Persönlichkeit, der unprätentiöse Arbeiter - der aber auch motivierende, anstachelnde, immer und immer wieder anfeuernde Helfer für die Spieler im Match.

Gut stehen die Deutschen da, nach diesem Sieg in Brisbane, nach vielen Jahren der Entbehrungen und Enttäuschungen, nach den andauernd ausgelassenen Chancen. Gute Spieler, ein gutes Ergebnis, gute Aussichten. Endlich.

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