Boris Becker in München: "Es gibt mehr gute Trainer als Becker und Lendl"

Von Florian Heer
Boris Becker, ATP, München
© Florian Heer

Boris Becker zieht! Trotz einer relativ kurzfristigen Ankündigung zu einer Pressekonferenz mit der deutschen Tennisikone am Dienstag war der Andrang im Medienzelt groß. Becker, der seit August letzten Jahres das Amt als "Head of Men's Tennis" des Deutschen Tennis Bundes (DTB) inne hat, ist bereits seit Sonntag im Rahmen eines Trainingslagers mit den besten deutschen Nachwuchsspielern auf der Anlage des MTTC Iphitos zugange.

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"Als ich ankam hatte es 28 Grad im Schatten und ich dachte, dass es der Tennisgott dieses Jahr gut mit dem Turnier meint. Ich habe München im April auch schon im Schnee erlebt," so die ehemalige Nummer 1 der Welt zu seinen Eindrücken von den diesjährigen BMW Open.

"Sandplatzsieger" Becker hat noch immer eine besondere Beziehung zu München

In den 1980er- und 90er Jahren stand Becker selbst hier auf dem Platz und hat noch immer eine besondere Verbindung zu dem Event. "München war mein erstes Turnier, das ich gewonnen habe. Es war 1984 im Doppel mit Wojtek Fibak und im Übrigen auf Sand," stellte Becker dabei heraus. "München war zudem sehr lange meine Heimatstadt. Meine beiden Buben sind echte Münchner, und die Stadt ist in den letzten 25 Jahren zu meiner deutschen Heimat geworden," bekundet der gebürtige Leimener noch seinen engen Bezug zur bayerischen Metropole.

"Acht deutsche Spieler stehen hier im Hauptfeld. Das spricht für den kleinen Boom, den wir gerade erleben. Davon profitiert auch das Turnier. Und die deutschen Zuschauer wissen es zu schätzen, wenn viele heimische Spieler hier auf dem Platz stehen. Ob es allerdings noch einmal zwei deutsche Wimbledonsieger im gleichen Jahr geben wird, weiß ich nicht. Das war ein Märchen", fügte der 50-Jährige an.

Becker & Zverev als Coaching-Team momentan kein Thema

Mit dem Auftritt von Alexander Zverev kann das ATP-250-Event auch mit dem zurzeit besten deutschen Tennisprofi beim Publikum punkten. Bereits seit einigen Monaten wird mit einer möglichen Zusammenarbeit Beckers mit der aktuellen Nummer 3 der Welt kolportiert.

"Ich kenne die Familie Zverev schon seit über 15 Jahren. Er und sein Bruder haben dort eine hervorragende Erziehung genossen. Das ist die wichtigste Voraussetzung. Das sind seine Wurzeln," führt Becker an. "Wann immer es geht komme ich gerne zum Training mit dazu und ich fühle mich dort auch sehr wohl. In Sachen Tennis wird sein Vater immer der wichtigste Ansprechpartner sein. Das ist auch gut so. Wenn ich allerdings mit Rat und Tat zur Seite stehen kann und Sascha das möchte, werde ich das tun. Momentan ist allerdings nicht mehr geplant, aber wer weiß was in fünf Jahren ist."

Zverev selbst hatte im Vorfeld des Turniers in München den Kreis potentieller Kandidaten auf die Namen Boris Becker und Ivan Lendl für eine mögliche Stelle als sein Coach eingegrenzt. "Man sollte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen," nahm Becker auf diese Aussage Bezug.

"Ich bin davon überzeugt, dass es mehr gute Trainer als Lendl und Becker gibt." Zverev habe wohl damit sagen wollen, dass er einen Coach brauche, der selbst bereits die Nummer 3 oder Nummer 1 der Welt war. "Die Fragen, die er mir stellt, kann man nur beantworten, wenn man selbst schon einmal in dieser Position war. Auch seine Eltern haben in seinem jungen Alter diese Erfahrungen nicht erlebt. Es geht um ganz besondere Momente, die man in keinem Buch nachschlagen kann, sondern man lediglich aus eigener Erfahrung sprechen kann. Man braucht das Gefühl, dass der Andere weiß, was man denkt."

Becker: Zverevs Herausforderung sind die Grand-Slam-Turniere

Mit Juan Carlos Ferrero hatte der 21-jährige Deutsche bis zu Beginn dieses Jahres eigentlich noch einen solchen Mann an seiner Seite. Nach Differenzen zwischen den beiden nahm die anfänglich doch erfolgreiche Liaison jedoch ein zeitiges Ende. Aber auch der ehemalige French-Open Sieger aus Spanien konnte Zverev noch nicht zu durchschlagendem Erfolg bei den Grand-Slam-Turnieren verhelfen.

"Dies ist allerdings ein Problem, was viele junge Spieler betrifft," so Becker. "Hyeon Chung war mit dem Erreichen des Halbfinals in Melbourne eher die Ausnahme. Bei Turnieren über zwei Wochen mit Best-of-Five geht es vorrangig um Einteilung der Kräfte, Konzentrationspausen und das haben momentan die erfahreneren Spieler besser im Griff." Grand Slams hätten "etwas mit Erfahrung" zu tun - und diese habe man mit 20 oder 21 Jahren noch nicht.

"Es ist allerdings eine Frage der Zeit, weil irgendwann knackt man den Code und weiß wie man sich die Woche zuvor verhalten muss und anschließend die 14 Tage angeht."

Kann Sascha Zverev die Nummer eins werden? "Dieser Platz ist im Moment belegt"

Becker lässt auch spontan seine persönlichen Eindrücke aus der eigenen Familie mit einfließen, um die Situation besser zu beschreiben. "Da ich Kinder in diesem Alter habe, kann ich Ihnen sagen, dass die Konzentrationsphase bei denen bei zirka zehn Sekunden liegt. Und jetzt verlängern Sie das mal auf zwei Wochen," gab ein schmunzelnder Becker zu Protokoll. "Es hat mehr mit der Einstellung zu tun als mit der Vorhand oder Rückhand," fasste der sechsmalige Grand-Slam-Champion zusammen.

Und kann Zverev auch die Nummer eins werden? "Dieser Platz ist im Moment belegt und rund 1000 Spieler werden auch etwas dagegen haben. Dass er allerdings bereits jetzt einer der besten Spieler der Welt ist, steht außer Frage. Es beginnt gerade ein neues Spiel und wer am Ende welchen Platz ergattern kann sehen wir in 10 Jahren," prognostizierte Becker.

Becker warnt: "Veränderungen im Davis Cup sind gefährlich!"

Auch zu möglichen Reformen im Davis-Cup seitens des Weltverbandes ITF nahm Becker Stellung. Zwar musste Deutschland erst kürzlich eine schmerzhafte Viertelfinalniederlage in Spanien einstecken, doch war die spannende Begegnung in Valencia eine herausragende Werbung für den größten Mannschaftswettbewerb der Welt.

"Ich glaube, alle Beteiligten - egal ob Spanier oder Deutsche - haben an diesem Wochenende im April gezeigt, wie wichtig ihnen der Davis-Cup ist," betonte Becker, der selbst mit der deutschen Mannschaft in der Stierkampfarena vor Ort war. "Ich kann mich an die Szene erinnern, wie Rafael Nadal an der Seitenlinie auf dem Stuhl stand und noch mehr motiviert war, als wenn er selbst auf dem Platz stünde, was eigentlich gar nicht möglich ist. Das zeigt, was den Spielern der Davis-Cup bedeutet."

Der zweifache Davis-Cup-Gewinner mit Deutschland weiß aber auch, dass es Pläne gibt, den Wettbewerb zu verändern. "Klar gibt es eine Art Renovierungsbedarf des Formats, es allerdings zu verändern, ist gefährlich", mahnte Becker.

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