Roger Federer plant mit bewährter "Weniger-ist-mehr-Strategie"

Von Jörg Allmeroth
Roger Federer verliert nach seinem frühen Miami-Aus auch die Nummer-eins-Position
© getty

Nach dem K.o. in seinem Auftaktmatch in Miami verabschiedete sich Roger Federer in eine lange Pause. Der Grand-Slam-Rekordsieger verzichtet wie bereits 2017 auf die Sandplatzsaison - und wird deshalb auch die French Open auslassen. Für den 36-Jährigen war die Entscheidung alternativlos. Federer setzt im Spätherbst seiner Karriere auf die bewährte "Weniger-ist-mehr-Strategie".

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Es ist noch nicht lange her, da galt das Masters-Turnier in Miami in der Branche mal als der "fünfte Grand Slam". Es war das größte, wichtigste, prestigereichste Turnier neben den vier Majors und der Profi-Weltmeisterschaft. Aber der Ruhm und die Bedeutung haben sich verbraucht über die Jahre, andere Wettbewerbe sind längst mit mächtigem Geldeinsatz vorbeigezogen.

Indian Wells zum Beispiel, das Turnier in der kalifornischen Wüste, ein Spielzeug des Software-Milliardärs Larry Ellison. 2018 ist auch eine Abschiedsvorstellung, es ist der finale Showdown auf dem Eiland Key Biscayne, nächstes Jahr gastiert das Masters dann auf dem Festland, im und um das Hardrock-Stadion der Miami Dolphins.

Ein Federer-Schock inmitten des letzte Hurras in Key Biscayne

In der idealen Welt hätten sie sich ein letztes großes Ausrufezeichen gewünscht, unter den Palmen von Key Biscayne. Große Namen, große Sieger an dieser Wegscheide des Turniers, in diesem historischen Moment. Am besten Serena Williams und Roger Federer, die beiden beherrschenden Spieler dieser Ära. Aber was dann passierte, das passte irgendwie eher zu der Tristesse der letzten Jahre, dem schleichenden Ansehensverlust, dem Absturz in der Hierarchie des Wanderzirkus.

Serena Williams, sicher kein Wunder, verlor gleich zum Auftakt gegen die junge, stürmische Aufsteigerin Naomi Osaka aus Japan, Williams tastet sich schließlich nach ihrer Babypause erst mühsam wieder an alte Klasse heran. Doch der Samstagabend war ein Schockmoment für dieses Turnier, für das letzte Hurra in Key Biscayne, für diesen traditionsreichen Standort.

Der Maestro kam, sah und ging - die Nummer 175 der Welt blieb

Es war der Moment, an dem sich, kurz gesagt, dies ereignete: Roger Federer, der Held der ganzen Tenniswelt, kam, sah und ging. Er verlor, einerseits nicht restlos überraschend, nach dem strapaziösen 2018er-Saisonauftakt mit 6:3, 3:6 und 6:7 (4:7) gegen den Australier Thanasi Kokkinakis.

Und doch war es, andererseits, eine Verblüffung, weil sich diese Niederlage gegen einen 21-Jährigen abspielte, der sich bei einem zähen Comeback nach ewigen Verletzungsproblemen immer noch schwer tut - in Miami hatte sich Kokkinakis, die Nummer 175 der Weltrangliste, durch die Qualifikation ins Hauptfeld durchschlagen müssen.

Der Thron ist weg: "Nach diesem Match verdiene ich das auch"

Dass er nach der Startpleite nun seine Nummer 1-Platzierung in den Charts wieder an den verletzt abwesenden Rafael Nadal verliert, quittierte Federer in glasklarer Kürze hinterher so: "Nach diesem Match verdiene ich das auch." Genauso konsequent war auch Federers Verdikt, jetzt erst einmal einen Schlussstrich unter seine Dienstreisen und Turniergastspiele zu setzen.

Wie im vergangenen Jahr wird sich der 36-jährige Veteran nicht an den ermüdenden Rutschübungen im roten Sand beteiligen, schon vor der Niederlage in Miami habe er nach "sehr kurzer Aussprache mit dem Trainerteam" die Entscheidung gefällt, die komplette Ascheplatzserie auszulassen, einschließlich der French Open in Paris.

Federers Start in Halle/Westfalen ist fix - Comeback in Stuttgart möglich

Nach jetzigem Stand der Dinge, der offiziellen Vertragssituation, würde Federer erst wieder zu den Gerry Weber Open ab dem 18. Juni in Halle zurückkehren, dort will Federer zum ersten Mal in seiner Karriere einen Titel zum zehnten Mal gewinnen. Bisher gibt es noch keine Abmachung mit dem vorher stattfindenden Stuttgarter ATP-Turnier (ab 11. Juni), es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der vierfache Familienvater auch dort aufschlagen wird.

Federers Entscheidung gilt manchen in der Szene als Wagnis, als Risiko, er setze zu sehr alles auf die Karte einer wieder erfolgreichen Rückkehr auf Rasen. Dabei ist diese Entscheidung in Wahrheit vor allem eins: Alternativlos. Denn Federer muss sich seine inzwischen begrenzten Ressourcen gut einteilen, schon in Indian Wells spürte er zuletzt die Folgen seines neuerlichen Husarenritts zum Saisonstart.

Die "Weniger-ist-mehr"-Strategie folgt einem übergeordneten Ziel

In Miami fehlte ihm nun der letzte Biss, die letzte Konsequenz im Spiel. Er kam, wie er selbst sagte, "nie richtig auf Touren." Jetzt gehe es darum, so Federer, "sich zu erholen, den Körper zu schonen und dann einen großen Trainingsblock einzulegen, um für den Rest der Saison gerüstet zu sein."

Also vor allem für die Rasensaison mit Wimbledon und dann noch einmal für die Hartplatzserie mit den US Open. Die Weniger-ist-mehr-Strategie folgt auch einem übergeordneten Ziel des Maestro, das er so formulierte: "Ich will so lange wie möglich weitermachen mit dem Tennis. Deshalb muss man das alles sehr überlegt planen."

Erstmals seit 2006 keiner der "Big Four" in der dritten Masters-Runde

Federer hätte auch auf die eigentlich prekäre Lage in der Weltspitze verweisen können, auf die Verletzungsmisere, die andere Topcracks plagt und plagt. Rafael Nadal, Andy Murray und Stan Wawrinka zollen gerade wieder den Anstrengungen in der Tretmühle der Tour bitteren Tribut, wann und wie lange sie dann überhaupt zurückkehren können, ist ungewiss.

Hinzu kommen die Rätsel um Comebacker Novak Djokovic, der in Key Biscayne bei seinem ersten Match scheiterte, wie zuvor auch schon in Indian Wells. So wird sich das Turnier nun von seinem alten Schauplatz mit einem bemerkenswerten Eintrag verabschieden müssen - mit der Tatsache, dass erstmals seit knapp zwölf Jahren (Hamburg 2006) keiner der Big Four (Federer, Nadal, Murray, Djokovic) auch nur die dritte Masters-Runde erreichte.

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