NHL

Zwei wie Pech und Schwefel

Von Hannes Hilbrecht
Teemu Selänne (l.) und Saku Koivu dominieren mit Anaheim die Pacific Division der NHL
© getty

Die Ducks sind die große Überraschung der diesjährigen NHL-Saison. Nachdem die Kalifornier im letzten Jahr noch als Conference-13. enttäuschten und klar die Playoffs verpassten, dominiert Anaheim die Pacific Division jetzt nach Belieben. Neben den Superstars Corey Perry und Ryan Getzlaf sorgen auch die beiden finnischen Altstars Saku Koivu und Teemu Selänne für ordentliche Furore.

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Wer die Scoring-Stats des Stanley-Cup-Champions aus dem Jahr 2007 betrachtet, wird sich die Augen reiben. Auf den Positionen vier und fünf in der viertbesten Offensive der Liga thronen mit Saku Koivu und Teemu Selänne zwei Routiniers, die seit über einem Jahrzehnt die NHL bereichern. Doch anstatt geruhsam in die wohlverdiente Hockey-Rente zu gehen und den Schläger nur noch auf dem Golfplatz zu schwingen, leben beide weiterhin ihren Traum.

Für Saku Koivu, dem bulligen Center aus Turku, wäre dieser vor gut zehn Jahren fast für immer beendet worden. Sechs Jahre nach seinem Debüt in der NHL für die Montreal Canadiens, die er seit der Spielzeit 1999/2000 als Kapitän aufs Eis führte, wurde beim heute 38-jährigen Mittelstürmer ein Burkitt-Lymphom diagnostiziert. Doch der hartnäckige Finne kämpfte sich mit ganzer Kraft zurück und besiegte den Krebs.

Sein Comeback in den NHL-Playoffs 2002, als Koivu seine Habs zum Upset-Win über den Dauerrivalen aus Boston führte, treibt noch heute Fans die Tränen in die Augen. Als besonders treuer Freund erwies sich in dieser schwierigen Zeit Brian Savage, der sieben Jahre lang den linken Flügel an Koivus Seite bekleidete.

Dieser erinnert sich an einem besonders schicksalsträchtigen Moment: "Sakus und meine Familie sind während der Olympiapause 2002 in den Süden gefahren. Ihm ging es bereits spürbar besser und dann sagte er, dass er noch in dieser Saison zurückkommen will. Seinen enormen Willen konnte man ihn aus den Augen ablesen. Es war faszinierend."

Selännes Aufstieg zum Superstar

Auch Koivus langjähriger Freund und heutiger Teamkollege Teemu Selänne blickt mit Stolz auf den unbändigen Kampfeswillen seines Landmanns zurück: "Er hat uns in Salt Lake City gefehlt. Er war und ist immer noch unser großer Anführer. Als ich hörte, dass er ein Comeback anstrebt, war ich völlig euphorisch".

Im Gegensatz zu Koivu blieb Selänne, der aufgrund seiner atemberaubenden Geschwindigkeit den Spitznamen "The Finnish Flash" erhielt, von solch gravierenden Schicksalsschlägen verschont. Ganz im Gegenteil: Die Karriere des Flügelstürmers lief über Jahre nahezu perfekt. Mit 132 Scorerpunkten in seiner Rookie-Saison stellte Selänne einen Rekord mit herausragender Zukunftsperspektive auf, insgesamt viermal beendete der 1,83 Finne eine Spielzeit dreistellig.

In seiner skandinavischen Heimat und in Nordamerika avancierte Selänne schnell zum Superstar. Doch wie stark Selänne auch spielte, mannschaftliche Erfolge blieben beim heute 42-Jährigen weitestgehend aus.

Nach Stationen in Winnipeg, Anaheim und San Jose heuerte der torgefährliche Nationalspieler bei den Colorado Avalanche an, einer Mannschaft gespickt mit Superstars der Kategorie Joe Sakic oder Milan Hejduk. Für Selänne im Nachhinein ein Fehler: "Ich hatte damals nur Augen für den Stanley-Cup. Ich wollte in die nominell stärkste Mannschaft. Am Ende waren wir aber einfach als Team zu unausgeglichen. Es war auch mein persönlich schwächstes Jahr."

Olympisches Gold bleibt verwehrt

Im Jahr 2006 kam es zwischen den befreundeten Superstars zu Reunion. Bereits bei den Olympischen Winterspielen im japanischen Nagano agierten beide Akteure phasenweise mit Jere Lehtinen in einer Reihe, am Ende gewann das kongeniale Duo mit der Suomi die Bronzemedaille. Acht Jahre danach kam es in Turin mit vierjähriger Verspätung zur Wiedervereinigung des Trios auf Olympischem Eis. Der Weg führte die finnische Nationalmannschaft bis ins Finale, wo man den skandinavischen Rivalen aus Schweden knapp mit 2:3 unterlag.

Ein schwacher Trost für beide: Sowohl Selänne als Top-Scorer als auch Koivu als sein direkter Verfolger wurden ins All-Star-Team gewählt. Erst kürzlich bestätigte Koivu, dass es bereits damals erste Gespräche über ein gemeinsames Engagement in der NHL gab: "Wir haben fantastisch harmoniert. Wir fragten uns: Warum nicht auch in Nordamerika? Jetzt sage ich mir: Warum haben wir es nicht sofort realisiert?"

Warum der 1,78 Meter große Center sich das wünschte, ist schnell erklärt. Nachdem die Ducks mit einem wiedererstarkten Selänne im Vorjahr knapp in den Conference Finals scheiterten, folgte im Jahr 2007 der große Streak. Angeführt von drei Legenden des Hockeysports, Chris Pronger, Scott Niedermayer und dem finnischen Superstar, sowie zahlreichen Young-Guns sicherten sich die Kalifornier erstmalig den begehrten Stanley Cup. Der größte Erfolg in der langen Karriere des flinken Außenstürmers.

"Trotzdem Spaß am Hockey"

Saku Koivu konnte von solchen Erfolgserlebnissen nur träumen, als Kapitän der Habs zwar von den Fans verehrt und in der Regular Season stets souverän unterwegs, war in der heißen Phase der Saison meist sehr zeitig Endstation. So entschloss sich der Stürmer mit der Nummer 11, verspätet die Pläne von Turin zu realisieren. Als Free Agent wechselte der Ausnahmespieler, der besonders für seine enormen Führungsqualitäten geschätzt wird, zur Saison 2009/2010 zu den Anaheim Ducks nach Kalifornien.

Dort rückte Koivu allerdings sofort ins zweite Glied der Ducks, Ryan Getzlaf hatte sich bereits klar als Nummer-1-Center etabliert. Für den kollegialen Finnen kein größeres Problem: "Ich habe Jahre lang in der ersten Reihe gespielt. Hier jetzt in die Zweite zu rutschen, stört mich nicht sonderlich. Ich habe doch trotzdem Spaß am Hockey". Diesen hatte der Center in den ersten zwei Jahren besonders mit seinem finnischen Angriffspartner.

Identifikationsfiguren für junge Spieler

Das Zusammenspiel der beiden Haudegen funktionierte perfekt, oftmals legte Koivu grandios für seinen Partner ab. Für Selänne nur wenig überraschend: "Wir kennen uns seit fast 20 Jahren. Er weiß oft, wo ich unterwegs bin, seine Anspiele machen mir den Abschluss deutlich leichter".

Als Anfang Dezember 2011 Bruce Boudreau das Zepter bei den Ducks übernahm, wurde das Duo immer öfter getrennt. Dies scheint sich besonders in der laufenden Saison auszuzahlen. Die Mannschaft aus Anaheim spielt famoses Hockey und tritt dabei deutlich gefestigter auf, als viele Experten erwartet hätten.

Neben den verletzungsfreien Superstars besonders ein Verdienst der beiden Altmeister, die gerade für die jungen Akteure im Kader als Identifikationsfiguren fungieren.

Im Hinblick auf die stark verkürzte Saison kommt das durchaus überraschend. Der enger gestaffelte Spielplan scheint zumindest Saku Koivu deutlich besser entgegenzukommen. Mit 24 Torbeteiligungen aus 37 Spielen ist der Center in der Offensive wichtiger denn je, läuft sowohl im Penalty Killing als auch im Power Play auf.

"Mannschaftlicher Erfolg wichtiger als individuelle Statistiken"

Dass Selänne sich das erste Mal in der Stats-Tabelle hinter seinem Kumpel anstellen muss, nimmt der 42-Jährige mit Humor: "Es wäre doch schlimm, wenn ich mit 42 immer noch besser punkten würde als Saku", scherzt er und ergänzt sichtlich gelassen: "Wir sollten doch mittlerweile gelernt haben, dass der mannschaftliche Erfolg wichtiger ist als individuelle Statistiken".

Ein längeres gemeinsames Engagement am Pazifik scheint mittlerweile nicht mehr undenkbar. Selänne, der seit Jahren seinen Kontrakt stets um ein Jahr verlängert, blickt dabei besonders auf die Olympischen Winterspiele in Sotchi: "Wenn ich gesund bleibe und keinem anderem im Weg stehe, wieso nicht eine sechste Olympiateilnahme?" Sein Kompagnon geht sogar noch ein wenig weiter und fügt hinzu: "Zweimal Bronze und einmal Silber haben wir schon. Da ist doch klar, was noch fehlt".

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