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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 2 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 2 in der NFL
© getty

Einige Teams stehen bereits nach Woche 2 mit dem Rücken zur Wand - doch für welche sollte der Blick tatsächlich schon bald auf die wichtigsten Schritte der kommenden Offseason gehen? Warum sollten die 49ers trotz eines 2-0-Starts über den Quarterback-Tausch nachdenken? Und sind zwei Defenses, die letztes Jahr noch häufig in der Kritik standen, dabei, einen ganz großen Sprung hinzulegen? SPOX-Redakteur Adrian Franke mit seinen wichtigsten Takeaways zum NFL-Sonntag.

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Woche 2 war vor allem im späten Fenster und dann natürlich mit dem spektakulären Sunday Night Game extrem unterhaltsam - und auch eine gute Erinnerung daran, wie man in der NFL heute gewinnen können muss: 48 Punkte für Tampa Bay, 34 für die Cardinals, 33 für Tennessee in Overtime gegen Seattle, 36 für Baltimore gegen die Chiefs: Punkte, Punkte, Punkte, und auf dem Weg dahin auch Mut bei kritischen In-Game-Entscheidungen.

Den zeige Titans-Coach Mike Vrabel zwar nicht, als er nach Henrys Touchdown kurz vor Schluss den Extra-Punkt kicken ließ und somit auf Overtime statt auf den Sieg spielte. Gereicht hat es am Ende trotzdem. Die Titans hatten wieder Probleme in der Offensive Line, sie hatten defensiv wieder einige eklatante Coverage-Probleme - und trotzdem war es ein anderer Auftritt des Teams, das sich dieses Mal auch nicht komplett aus dem Spiel befördern ließ.

Tennessee hatte einen besseren Plan, wie man das Spiel über seine Playmaker aufziehen kann, Early-Down-Play-Action war früh mehr zu sehen, mehr effektives Quick Passing, und Tennessee öffnete mit dem Passspiel auch Räume im Run Game. Und umgekehrt war Henrys 60-Yard-Touchdown unbestreitbar ein Dosenöffner. Nach einer Katastrophe in Woche 1 war das ein Schritt in die richtige Richtung. Und ich hatte eher noch den Eindruck, dass die Titans mit kleineren Fehlern und Ungenauigkeiten, die reparierbar sein sollten, noch deutlich mehr liegen ließen.

Und die Seahawks? Die Wilson-Lockett-Connection ist absurd und über zwei Wochen die Nummer 1 in der NFL. Aber Seattle hatte nicht diesen eindrucksvollen offensiven Rhythmus, den man gegen die Colts hatte. Viele kurze Pässe, das Run Game kam nie ins Rollen, vor allem in der zweiten Hälfte ging offensiv fast gar nichts mehr. Seattle war zu sehr von den einzelnen Big Plays abhängig, nachdem man gegen die Colts offensiv noch wie eine wohlgeölte Maschine aufgetreten war. Es war dann doch eher die Tempo-Offense, in der Wilson so richtig gut aussah.

Baltimore derweil zeigte einerseits Flexibilität - die Ravens, entgegen ihrer Identität und entgegen dem, was Baltimore über die letzten Jahre mehrfach gegen die Chiefs böse verbrannt hat, blitzten Patrick Mahomes fast gar nicht - während man offensiv auf das bekannte Run Game vertraute: Die Offense sah deutlich mehr nach "Ravens Football" aus als das, was vergangenen Montag bei den Raiders zu beobachten war. Baltimore verzeichnete 0,25 Expected Points Added am Boden, bei 0,03 EPA im Passspiel, nachdem man gegen die Raiders so lange gar nicht richtig den eigenen Stil mit dem Option Run Game umgesetzt hatte.

Dass man gegen die Chiefs-Defense laufen kann, das hatten die Browns bereits in der Vorwoche gezeigt. Ich hatte anschließend darüber geschrieben, wie klein der Spielraum für Gegner gegen die Chiefs ist, weil Kansas City offensiv immer nachlegen kann - die Niederlage in Baltimore mit dem späten CEH-Fumble zeigte, wie klein umgekehrt auch der Spielraum für die Chiefs-Offense ist, solange Kansas Citys Defense so viel zulässt. Und das Spiel unterstreicht auch nochmal, dass man gegen KC nur eine Chance hat, wenn man eine offensive Explosion hinlegt.

Die Titans und auch die Ravens verhinderten mit ihren unerwarteten Erfolgen auch den gefürchteten 0-2-Start. Wir starten mit dem Blick auf einige Teams, für der Saisonstart in die Hose gegangen ist - und wie ernst es um sie steht.

0-2 - Saison schon vorbei?

Nur knapp über zehn Prozent der Teams haben historisch betrachtet noch den Sprung in die Playoffs geschafft, wenn sie mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet sind. 36 Teams eröffneten seit 2017 ihre Saison mit zwei Pleiten - nur drei davon konnten noch ein Playoff-Ticket lösen. 258 waren es seit 1990, nur 30 davon kamen noch in die Postseason und nur 15 konnten noch ihre Division gewinnen.

Natürlich sind die Umstände mittlerweile anders. Das seit letztem Jahr dazugekommene dritte Wildcard-Team in beiden Conferences bietet mehr Spielraum, genau wie das 17. Saisonspiel, welches seit dieser Saison dazu gekommen ist. Gut möglich, dass sich diese Statistik also in den kommenden Jahren verändert.

Aber vielleicht auch nicht allzu sehr, denn die 0-2-Statistik ist ohnehin mit etwas Vorsicht zu betrachten. Ein 0-2-Start per se ist natürlich nicht weniger schlimm, als in Woche 13 und 14 zu verlieren; die beiden Niederlagen zählen gleichermaßen.

Allerdings sind es eben auch häufig schlechte Teams, die mit zwei Niederlagen in die Saison starten, und die Statistik dementsprechend runter ziehen. Dass diese Teams am Ende nicht in die Playoffs kommen, hat nichts direkt mit dem 0-2-Start zu tun, welcher mehr über die Qualitäten der entsprechenden Teams als über deren statistische Playoff-Chancen aussagt.

Das wiederum wirft unweigerlich die Frage auf: Welche der mit zwei Pleiten gestarteten Teams sind tatsächlich schlecht?

NFL: Für diese Teams wird es nach 2 Spielen bereits eng

NEW YORK GIANTS

Die NFC East ist noch ziemlich offen, und das Spiel gegen Washington am Donnerstagabend hätte zweifellos auch andersherum ausgehen können. Ich bin bei den Giants sogar insofern positiv überrascht, als dass Daniel Jones bislang eine sehr solide bis gute Saison spielt und auch die Offensive Line zwar wacklig ist, aber längst nicht die potenzielle Katastrophe, die ich vor Saisonstart aus Giants-Sicht befürchtet hatte.

Dennoch sehe ich New York nach den beiden Spielen zu weit weg. Das Team tritt undiszipliniert auf und macht zu viele simple Fehler, oder anders zusammengefasst: Das Coaching ist nicht gut. Das ist Joe Judge In-Game, es ist aber auch die offensive Ideenlosigkeit von Jason Garrett. Die Giants haben jetzt zwei Spiele verloren, und das trotz solider QB- und O-Line-Auftritte, gegen Teams, die nicht zur Liga-Spitze gehören.

Aktuell fehlt mir hier die Fantasie, um an die Upside zu glauben. Und aktuell sehe ich nicht, inwieweit Judge dieses Team voranbringt. Judge gehört für mich klar auf die "Hot Seat"-Watchlist.

NEW YORK JETS

Dass die Jets dieses Jahr noch nicht oben mitmischen würden, ist weder überraschend noch ein Urteil über den neuen Trainerstab in New York. Dieser Kader war zu Beginn der Offseason derart am Boden, das ist kein Umbruch, der innerhalb eines Sommers funktioniert; wenn ich für New York im Januar einen Plan entworfen hätte, dann wäre das ein Dreijahresplan gewesen, mit dem Ziel, im dritten Jahr ein Playoff-Team zu werden.

Und das wird eben deutlich, wenn man sich das Team über die ersten beiden Spiele anschaut. Die Offensive Line wirkt noch ziemlich überfordert, und wird noch für eine ganze Weile ohne ihren besten Spieler Mekhi Becton auskommen müssen. Die Front ist noch nicht das dominante Rückgrat dieses Teams - wie sollte sie das auch sein, angesichts der Tatsache, dass man mit Carl Lawson und Vinny Curry beide Starting-Edge-Verteidiger verletzungsbedingt bereits vor Saisonstart verloren hat.

Zach Wilson derweil steigerte sich im Laufe der zweiten Hälfte gegen die Panthers, gegen die Patriots hatte er jetzt ein Horror-Spiel und eine echte "Willkommen in der NFL"-Partie. Mehrere katastrophale Würfe und noch viel schlimmere Entscheidungen, vier Interceptions insgesamt und bereits im zweiten Viertel war offensichtlich, dass die Jets-Offense hier nicht im Ansatz einen Fuß in die Tür bekommen würde.

Er macht die Fehler, die man ihm - zumindest im Rahmen - auch zugestehen sollte; die Ansätze sind positiv, tragen kann er das Team noch nicht, das darf aber auch noch nicht die Erwartungshaltung sein. Man könnte hier argumentieren, dass es für die Jets nicht "eng wird", da die Zielsetzung - Wilson entwickeln, Saleh soll sich beweisen, die neue Line zusammenfinden - eine andere sein sollte.

Für alle Jets-Fans, die vielleicht doch auf die Überraschungssaison gehofft hatten, dürfte sich die Zielsetzung für 2021 jetzt eingependelt haben.

JACKSONVILLE JAGUARS

Die Jaguars wirkten über die ersten beiden Spiele schon fast erschreckend schlecht vorbereitet. Nachdem die Jags bereits in Woche 1 gegen Houston offensiv erst ein wenig ins Rollen kamen, nachdem die Texans eine komfortable Führung aufgebaut hatten, dürfte es kaum eine Überraschung sein, dass Jacksonville gegen die Broncos ebenfalls offensiv Probleme an den Tag legte.

Lawrence hatte auch in Woche 2 einige spektakuläre Würfe, bei welchen man sein herausragendes Armtalent bewundern konnte. Insbesondere die isolierten Eins-gegen-Eins-Shots nach außen waren bereits bei Clemson eines seiner Markenzeichen, und Jacksonville nutzt diese ebenfalls. Zumal die Protection gegen Denver sogar besser funktionierte als zu befürchten war. Aber zu viel lastet auf seinen Schultern, er bekommt schematisch zu wenig Hilfe. Und die eigene Defense ist ebenfalls keine Unterstützung.

Ich hatte bereits in meinen Takeaways letzte Woche geschrieben, dass die Week-1-Overreaction, welcher ich am ehesten zustimmen würde, die ist, wonach es in Jacksonville schon im ersten Jahr mit Urban Meyer richtig unangenehm werden könnte. Kollege Marcus Blumberg hatte die Situation unter der Woche nochmal genauer beleuchtet.

Es ist noch früh in der Saison, natürlich, und zwei Spiele sind kein Maßstab, um einen neuen Head Coach zu bewerten. Wenn man ein erstes Mini-Zwischenfazit ziehen muss, könnte man einen Case dafür aufbauen, dass Meyer erst einmal zeigen muss, dass er auch in der NFL, wenn er keinen Vorteil in puncto Talent hat, gewinnen kann. All diejenigen, die Jacksonville in einer schwachen Division mit Lawrence eine Überraschung zugetraut hatten, werden sich gedulden müssen.

ATLANTA FALCONS

Ich hatte nach Woche 1 gesagt, dass die Falcons - und konkreter: die Falcons-Offense - für mich eine der großen Enttäuschungen des Saisonstarts war. Ja, Atlanta hat mehrere Baustellen; aber ich dachte schon, dass Arthur Smith mit Matt Ryan, Calvin Ridley und Kyle Pitts eine explosive Offense aufziehen kann. Mit einem Scheme, welches Ryan aus Shanahan-Zeiten bestens kennen sollte, und welches bereits in Tennessee die Line besser aussehen ließ.

Davon ist bisher in Atlanta wenig zu sehen. Die Line wurde bereits gegen die Eagles dominiert, was die Offense über weite Strecken komplett lahmlegte, während Atlanta gleichzeitig keinen guten Plan für die Red Zone hatte. Gegen Tampa Bay gab es zwischenzeitlich ein beachtliches Aufbäumen, aber über weite Phasen war die Offense abermals extrem unansehnlich und wirkt auch nicht sonderlich gut gecoacht.

Ich denke schon, dass Atlantas Offense über die Saison hinweg einen besseren Rhythmus finden wird - aber der Start war ernüchternd, und hinterlässt bei mir vor allem einen Beigeschmack: Die Falcons hätten ihren tiefgreifenden Umbruch in der Offseason deutlich aggressiver vorantreiben sollen.