Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Divisional-Playoff-Runde

Von Adrian Franke
18. Januar 202112:07
SPOXgetty
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Was müssen die Ravens machen, um mit Lamar Jackson als Offense den nächsten Schritt hinzulegen? Worauf kommt es in den Championship Games an? Außerdem geht der Blick in dieser Woche auch auf die neuen Head-Coach-Kandidaten. Während mehr und mehr offene Jobs besetzt werden, bietet sich ein Blick aus der Vogelperspektive an. Worauf setzen Teams eigentlich bei dieser so wichtigen Auswahl? Und worauf sollten sie vielleicht noch mehr achten?

SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag mit seinen zehn wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Wochenende auf Stand.

1. Können die Ravens mit Lamar Jackson einen Titel gewinnen?

Zumindest die "Lamar Jackson kann keine Playoff-Spiele gewinnen"-Storyline bleibt den Ravens nach dem Sieg am Wildcard-Wochenende in Tennessee erspart. Ein anderes Narrativ aber wird sich beharrlich halten: Baltimore bekommt Probleme, wenn die Ravens über den Pass kommen müssen. Ergo: Wenn Lamar Jackson werfen muss.

Und man kann - nein: man muss - hier in Nuancen diskutieren, und dazu kommen wir auch gleich. Aber wenn wir von Narrativen reden, ist auch klar, dass die Sicht auf die Ravens ohne einen starken Schlussspurt in der Regular Season nochmal ganz anders ausfallen würde. Baltimore gewann seine letzten fünf Spiele in der Regular Season, abgesehen von den Cleveland Browns war da aber kein Gegner mit dabei, der als Gradmesser für ein derart ambitioniertes Team fungieren sollte.

Außerdem war die Geschichte dieser Saison vor allem das wiederentdeckte Run Game. Die Ravens walzten am Boden nur so über zahlreiche Defenses - während Jackson seit Woche 11, inklusive Playoffs, genau ein Mal mehr als 190 Passing-Yards auflegte: 243 gegen die Jaguars.

Auch dafür gibt es selbstredend mehrere Erklärungen: Er musste nämlich gar nicht mehr werfen, zu dominant war Baltimore am Boden sowie in den meisten Spielen auch defensiv. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Probleme im Passspiel - welche Baltimores erste Saisonhälfte prägten, als man gegen stärkere Gegner eben mehr auf das eigene Passspiel angewiesen war - nicht einfach verschwunden waren. Sie waren nur vorübergehend in den Hintergrund gerückt.

Das Playoff-Aus in Buffalo unterstrich abermals die nach wie vor vorhandenen Defizite. Dabei war der Wind zweifellos ein Faktor, aber die Bills stellten das strukturelle Problem in Baltimores Passing-Offense gnadenlos heraus: Buffalo blitzte die Ravens sehr aggressiv und forderte Baltimore heraus, den Ball dagegen mit einem konstanten Kurzpassspiel zu bewegen. Die Ravens waren der Herausforderung nicht gewachsen.

Nur sehr vereinzelt konnten Jackson und Co. den Ball über schnelle Pässe, etwa über Willie Snead, bewegen. Ironischerweise mit am besten bei dem Drive, der mit dem wohl spielentscheidenden Pick Six endete.

Ravens und Lamar Jackson: Mehr Waffen - neuer Offensive Coordinator?

Ich hatte meine Takeaways zu den Titans nach der Niederlage gegen Baltimore am Wildcard-Wochenende mit dem Ansatz begonnen, dass es für Teams lehrreich sein kann, zu überprüfen, ob man die für das Playoff-Aus maßgeblichen Gründe auf die ganze Saison übertragen kann - und falls dem so ist, wie gravierend diese Probleme sind und welche Schlüsse gezogen werden müssen.

Bei den Titans war das vor allem die Sturheit, mit welcher das Run Game durchgezogen wurde, selbst wenn Henry immer wieder in eine Wand lief. Bei den Ravens ist es die übergreifende Frage: Kann Baltimore in seiner aktuellen Konstellation auch nachhaltigen Erfolg über das Passspiel haben? Denn so einzigartig die Ravens-Offense für NFL-Verhältnisse auch ist, und so groß der X-Faktor ist, den Jackson selbst darstellt: Ohne ein Passspiel, das besser ist als jenes, was die Ravens dieses Jahr hatten, wird der Traum vom Titel ein Traum bleiben.

Die dafür notwendigen Maßnahmen führen in die Nuancen. Da ist einmal Jackson selbst, der als Passer einfach noch inkonstant ist. Fantastisch platzierte tiefe Out-Routes und Highlight-Pässe spät im Down wechseln sich mit verpassten Würfen und Plays, bei denen er unsägliche Sacks kassiert, ab. Jackson wird sich als Passer weiterentwickeln müssen, aber die Ansätze sind ohne jeden Zweifel da.

Die Ravens haben es verpasst, in der vergangenen Offseason ihr Waffenarsenal aufzustocken. Das hat sich schon früh in der Saison als massives Handicap herauskristallisiert, und dieses konnte Baltimore nie überwinden. Es fehlten schlicht die Outside-Waffen, ein echter X-Receiver, mehr Tight-End-Optionen. Defenses konnten das Feld gegen die Ravens zu häufig komprimieren und sich auf die Mitte des Feldes fokussieren, was Baltimore auch im Run Game wiederum Probleme bereitete.

Das muss die oberste Priorität für die anstehende Offseason sein. Und dann ist da der vielleicht größte Punkt, der Teil der Gleichung, bei dem der größte Umbruch stattfinden könnte: Der Posten des Offensive Coordinators.

Baltimore braucht mehr Kreativität im gesamten Passspiel

Die Defizite im Receiving Corps, die wackligere Offensive Line und Jacksons Inkonstanz, all das muss man bedenken. Doch umso wichtiger wäre es eben auch gewesen, dass Greg Roman ein Passspiel entworfen hätte, welches den Spielern und gerade Jackson mehr hilft.

So hat man zu häufig den Eindruck, dass die Routes isoliert stattfinden, dass Roman darauf baut, dass einzelne Spieler ihre Matchups gewinnen und dass Vielseitigkeit, Präzision und Kreativität in den Passing Designs zu häufig einfach komplett fehlten. Baltimore braucht mehr Qualität im Passspiel, sie brauchen mehr Konstanz von Jackson, aber in meinen Augen brauchen sie in erster Linie mehr von ihren Passing Designs. Mehr Route-Kombinationen, die sich unterstützen.

Greg Roman hat nicht zum ersten Mal in seiner Karriere genau damit Probleme. Bei den 49ers mit Colin Kaepernick gelang es ihm nicht, auf dem fantastischen frühen Erfolg im Run Game ein Passing Game weiter zu entwickeln. Auch die Bills blieben unter ihm zumeist eindimensional und lebten vor allem vom Option Run Game und darauf aufbauenden Deep Shots.

Lamar Jackson ist talentiert genug, um als Passer noch einen merklichen Sprung zu machen. Aber Roman hilft ihm aktuell überhaupt nicht dabei, sich weiterzuentwickeln. Das Option Run Game ist natürlich ein elementarer Bestandteil dieser Offense, und das ist auch Romans große Stärke.

Vielleicht wäre es der richtige Weg, ihm einen externen Passing Game Coordinator mit einer stärkeren Stimme zur Seite zu stellen, als das von außen betrachtet David Culley im Moment ist. Denn in der aktuellen Konstellation befürchte ich, dass wir die beste Version dieser Offense schon gesehen haben und die Probleme eher zunehmen werden.

2. Drew Brees: Glanzloser Abschied einer glanzvollen Karriere

Wenige Minuten vor dem Kickoff zum Spiel zwischen den New Orleans Saints und den Tampa Bay Buccaneers geriet die Meldung in Umlauf, die viele bereits seit einigen Wochen vermutet hatten: Jay Glazer von Fox vermeldete, dass Brees nach dieser Saison seine Karriere beenden wird. Die Zeit, um Brees' spektakuläre, von Rekorden gepflasterte Karriere zu würdigen, wird kommen - die Entscheidung aber ist in erster Linie gut nachvollziehbar, denn die Zeit war mehr als reif.

Brees hatte bereits in der vergangenen Offseason intensiv über das Karriereende nachgedacht, der Job in der TV-Kabine wartet. Und diese Saison unterstrich nochmal seine rapide wachsenden Limitierungen. Das stellte das Spiel gegen die Bucs zum Leidwesen der Saints eindrucksvoll unter Beweis.

Brees' Arm, man muss es so klar sagen, wirkte komplett fertig. Da war keine Power hinter den Würfen, alles musste über Timing, Touch und Präzision im Kurzpassspiel funktionieren und das führt eben zu einer sehr eindimensionalen Offense ohne jeglichen Spielraum für Fehler. Tampa spielte zunehmend mehr Man Coverage und blitzte Brees aggressiver, wohlwissend, dass man sich keine Big Plays einfangen wird. Der einzige Deep Shot kam über Jameis Winston beim von den Bears aus der Vorwoche geklauten Trick Play.

Brees in seinem potenziell letzten Spiel zu benchen und so aus einem traurigen Abschied einen Tiefschlag zu machen, schien aber dennoch keine echte Option für Sean Payton zu sein, auch wenn Winston New Orleans in diesem Spiel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine bessere Chance auf einen Sieg gegeben hätte. Umso spannender wird hier jetzt der Blick auf die kommende Saison sein.

Die Saints haben kaum Cap Space, Taysom Hill wird mit seinem Vertrag definitiv im Team sein. Aber sieht Sean Payton in ihm tatsächlich einen Vollzeit-Starter? Können sie Winston halten und beispielsweise einen First-Round-Quarterback noch hinzufügen, um dann die kommende Saison als eine Art Quarterback-Übergangsjahr anzugehen?

Für Brees ist es ein - so es denn so kommt - trauriger Abschied; nur wenige der ganz großen Spieler bekommen einen Ritt in den Sonnenuntergang mit einem frisch angesteckten Ring am Finger. Für Brees, einen der besten Quarterbacks aller Zeiten, war die Chance darauf in den vergangenen Jahren ein gutes Stück weit besser als in dieser Saison.

3. Wie geht es für die Rams und Goff weiter?

Jared Goff und Carson Wentz waren einst die beiden ersten Picks im Draft, beide verlängerten jüngst ihre Verträge - und in beiden Fällen muss man sich die Frage stellen, ob die Teams diese Entscheidung rückblickend nochmal so treffen würden.

Bei den Eagles wäre die Antwort in einem ehrlichen Moment vermutlich noch deutlicher, auch wenn mögliche Kandidaten für den vakanten Head-Coach-Posten offenbar Wentz vor die Nase gesetzt bekommen.

Aber wie sehen die Rams Goff Stand heute? Am Montagmorgen nach dem Playoff-Aus in Green Bay, bei dem die Rams-Defense fraglos enttäuschte und die größte Story war - aber bei dem Goff selbst auch absolut nichts dazu beitrug, um L.A. eine Chance zu geben. Es war zumindest dahingehend auch ein passendes Saisonaus, denn Goff hat über weite Strecken sehr, sehr durchwachsen gespielt. In einer Offense, die Sean McVay nochmal Quarterback-freundlicher umgestaltet und noch mehr über das Kurzpassspiel aufgebaut hat.

Das ist auch der Kern der Debatte. Das System ist exzellent, Sean McVay ist ein fantastischer Head Coach und Play-Caller, die beiden Receiver passen ideal in das Scheme - ein Game Manager reicht per se, um schon eine hohe offensive Base-Line zu garantieren. Das Problem damit ist, dass dieser Game-Manager keinen Cap Hit über knapp 35 Millionen Dollar haben sollte, so wie Goff es nächstes Jahr hat. Und wenn doch, dann müsste er schon individuell betrachtet noch mehr zusätzlich leisten können - wie Goff es scheinbar nur sehr bedingt kann.

Teams fürchten auf der Quarterback-Position das Unbekannte, die Möglichkeit, dass man sich verschlechtern könnte, wenn man einen mittelmäßigen Quarterback abgibt und erst einmal wieder auf Jahre hin sucht, ehe man zumindest wieder Mittelmaß auf der Position findet. Aber wenn diese Quarterbacks dann Cap Hits jenseits der 30 Millionen Dollar schlucken, sollten dann nicht gerade Teams wie die Rams, die eine so starke offensive Basis haben, sich stärker nach Alternativen umschauen?

Die Rams kommen frühestens nach der 2021er Saison aus Goffs Vertrag raus (Cap Hit: 32,3 Millionen Dollar; Dead Cap: 30,9 Millionen Dollar). Bisher hat McVay die (Backup-)Quarterback-Position nahezu komplett ignoriert, sehen wir hier jetzt eine andere Vorgehensweise und einen echten Konkurrenten für Goff? Oder wird womöglich gar ein hoher Pick in die Position investiert?

4. Die neuen Head Coaches: Eine Frage der Philosophie

Die vakanten Head-Coach-Spots werden nach und nach gefüllt, und da es mit nur vier Playoff-Spielen etwas mehr Luft zum Atmen gibt, wollte ich mit etwas Abstand aus der Vogelperspektive auf die Coach-Verpflichtungen schauen. Vor allem darauf, welche grundsätzlichen Prioritäten die Teams setzen. Und was man daraus womöglich lernen kann.

Ich finde es generell spannend zu beobachten, was Teams hier wertschätzen - und wie häufig Franchises eben doch von einem Extrem ins andere gehen. Die Jets sind da bisher vermutlich das drastischste Beispiel, auf den offensiv geprägten und eher weniger mitreißenden Adam Gase folgt Robert Saleh, ein defensiver und charismatischer, emotionaler Coach.

Und ohne Jets-Fans gleich den Montagmorgen verhageln zu wollen, kam mir doch unweigerlich der Vergleich mit Rex Ryan in den Sinn, eine Art "Rex Ryan 2.0", wenn man so will. Auch Ryan war ein sehr guter defensiver Coach, der seine Teams motivieren konnte und für den die Spieler hart spielten. Die Probleme lagen damals häufig bei einer inkonstanten Offense, schlechtem QB-Play, das nicht ausgeglichen werden konnte und in der Kaderzusammenstellung auch oft bei einem Fokus auf die Defense.

Gleichzeitig aber führt das zu einer generell spannenden Frage: Was priorisiert man bei einem Head Coach? Welche Eigenschaften sind die wichtigsten? Eine Blaupause gibt es nicht; die Jets mit Saleh, die Lions mit, Berichten zufolge, Dan Campbell und auch die Jacksonville Jaguars mit der Verpflichtung von Urban Meyer - der nicht als offensiver Play-Caller fungieren wird - beantworten diese Frage für sich mit ihren Verpflichtungen relativ klar. Der "Program Builder" genoss hier Priorität, einer, der eine neue Kultur in eine Franchise einführen soll, der ein Anführer ist, der eine neue Franchise-Basis und -Identität aufbauen soll.

In der Theorie sind das alles wichtige Punkte. Ein Head Coach muss zweifellos ein guter Anführer sein, denn jedes Team geht mal durch schwierige Zeiten, und wenn dann derjenige an der Spitze nicht vorangehen kann, kann ein Team schnell auseinanderfallen.

Das Problem, das ich in der Praxis mit der Priorisierung dieser Eigenschaften sehe, ist vor allem die zeitliche Komponente.

NFL-Teams: Wie viel Zeit bekommt ein neuer Head Coach?

Einer Franchise eine neue Kultur, eine neue Identität - ohnehin alles sehr abstrakte Begriffe, genau wie "Leader of Men", zu dieser Zeit des Jahres besonders in Mode, - zu geben, das dauert! Teambesitzer fangen meist eher früher als später an daran zu zweifeln, dass der einst als Heilsbringer verpflichtete Head Coach wirklich derjenige ist, der die Kultur verändern kann, wenn die Ergebnisse ausbleiben.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kultur einer Franchise wichtig ist, und diese wird maßgeblich durch den Head Coach vorgegeben und implementiert. Aber genauso bin ich davon überzeugt, dass das Implementieren dieser Kultur nur mit sportlichen Erfolgen funktioniert. Denn ohne relativ schnelle Erfolge erhält der Coach gar nicht die notwendige Zeit. Und ein Coach, der zu viel verliert, wird seine Idee von Kultur und Identität eines Teams ohnehin nicht zu den Spielern durchbringen. Warum sollten sie einem Coach folgen, der konstant verliert?

Siege erlauben es, dass eine neue Team-Kultur gebildet wird, in jeder Hinsicht. Und Siege kommen - was die Coaching-Seite angeht - vor allem über Fähigkeiten wie das Entwerfen guter Game Plans, Anpassungen im Spiel und natürlich das Play-Calling selbst.

Was mich dann auch zu einer Schlussfolgerung bringt, die nicht zu sehr verallgemeinert und eher als grobe Richtlinie aufgefasst werden sollte: Ich würde im Vakuum den offensiven Head Coach dem defensiven Head Coach grundsätzlich vorziehen.

Weil ich denke, dass die Offensive für kontinuierlichen Erfolg wichtiger ist als die Defensive, und ein defensiver Head Coach muss in den Soft Skills - Kommunikation, Leadership, Auswahl der Assistenten und generelles Delegieren von Aufgaben - schon wahnsinnig gut sein, um dieses Defizit aufzufangen. Denn immer wenn die Offense gut spielt, läuft dieser Head Coach Gefahr, seinen Offensive Coordinator und Play-Caller zu verlieren. Damit wird nachhaltiger Erfolg einfach wesentlich schwieriger.

Die Jets und Robert Saleh: Positive Vorbilder in der eigenen Division

Das macht etwa Kyle Shanahan und Sean McVay so wertvoll; beide beherrschen die schematische offensive Seite des Balls genauso wie die Arbeit mit Quarterbacks, aber auch das Anführen einer Organisation.

Brian Daboll könnte in dieser Hinsicht der aussichtsreichste derzeit gehandelte Kandidat sein - ein Coach, der sich über viele Jahre weiterentwickelt und unter einigen der besten Head Coaches überhaupt gelernt hat, und der gleichzeitig ein exzellenter Play-Caller für Josh Allen war.

Arthur Smith, der in Atlanta übernimmt, ist da schon eher eine Wildcard, weil er bisher eher als zurückhaltender Typ aufgetreten ist. Kann er eine Franchise anführen? Hier ist die Verbindung zur Shanahan-Offense spannend, in welcher Matt Ryan bereits so geglänzt hat. Das defensive Gegenstück dazu ist Ex-Rams-DC Brandon Staley, der neue Head Coach der Chargers. Ein offensichtlich modern denkender Defensive Coordinator, der einen sehr steilen Aufstieg hinter sich hat.

Ist er bereit, eine Franchise zu führen? Und wer wird sein Offensive Coordinator sein, um Justin Herbert zu entwickeln? Bleibt womöglich QB-Coach Pep Hamilton und wird zum Coordinator befördert? Doch selbst dann: Wie viel Kontinuität wird es auf der offensiven Seite mit Herbert geben, wenn man in jeder Offseason fürchten muss, dass ein vielversprechender Coordinator anderswo Head-Coaching-Angebote bekommen könnte? Gerade in diesem Spot hätte ich dazu tendiert, einen Head Coach zu holen, der langfristig mit Justin Herbert wachsen kann.

Zwei der positiven Beispiele für diesen Weg dagegen wären Sean McDermott in Buffalo und Brian Flores in Miami. Aber auch hier würde ich auf die Offenses verweisen: Beide hatten früh bei ihren neuen Teams Erfolg, weil sie eine exzellente Defense aufbauen können. Doch ist exzellente Defense nicht konstant aufrecht zu erhalten, das haben die letzten Jahre in der NFL eindrucksvoll untermauert.

Bei den Bills erfolgte dieses Jahr der Schritt weg von einem defensiv und hin zu einem offensiv geprägten Team. Die Defense wackelte, die Offense spielte groß auf. Wäre das ohne Daboll aufrecht zu erhalten? Bei den Dolphins wird in der kommenden Saison ebenfalls ebenfalls deutlich mehr kommen müssen, andernfalls wird Miami sportlich hinter den gewachsenen Erwartungen zurückbleiben.

Und dass dann bei mangelndem sportlichen Erfolg früher oder später der Head Coach - egal, wie stark sein Standing im Moment zu sein scheint - in den Fokus der Kritik gerät, ist ja nun keine mutige Prognose.

5. Was passiert bei den Texans und Eagles?

Zwei vakante Head-Coach-Posten sind noch komplett offen. Bevor das berichtete Front-Office-Drama in Houston seinen Lauf nahm, hatte ich die Texans weit oben auf meiner Liste. Der Kader benötigt einen größeren Umbruch, doch man bekommt als Coach schlicht selten die Chance, einen Top-5-Quarterback zu Beginn seiner Prime zu "übernehmen". Houston bietet nicht viel, aber das eben schon. Noch.

Hier lautet eine zentrale Frage, ob der neue GM Nick Caserio jetzt tatsächlich ein weiteres Netz spannt, oder ob das plötzliche "Interesse" etwa an Eric Bieniemy nur eine fadenscheinige Reaktion auf die berichtete Unzufriedenheit von Deshaun Watson ist. Und es bleibt die Frage, ob Watson überhaupt noch in Houston spielen wird - die jüngsten Berichte zumindest legen zunehmend nahe, dass ein Mega-Trade rund um Watson die große Story der kommenden Offseason werden könnte. Das wäre ein totales Desaster für die Texans.

Und dann wären da die Eagles. Hier bin ich sehr gespannt, denn die Eagles haben offensichtlich einen GM mit enormem Einfluss in Howie Roseman, Philly hat nicht den Luxus des Elite-Quarterbacks und vielmehr wird es die Aufgabe des neuen Head Coaches sein, im Idealfall Carson Wentz wieder in die Spur zu bringen. Mit einem in vielen Bereichen alten, sehr teuren Kader, der dennoch mehrere Schwachstellen hat.

Das ist von außen betrachtet im Vergleich ein ziemlich unattraktiver Job, um ehrlich zu sein. Wie zunehmend auch der Texans-Job. Will jemand wie Brian Daboll oder Eric Bieniemy hier überhaupt ans Steuer? Josh McDaniels in Philadelphia hätte jedenfalls ein enormes Explosionspotenzial.

Vielleicht wird deshalb aber auch aus der Not heraus die Wahl hier eher außergewöhnlich sein, und Philadelphia geht am Ende mit Panthers-Offensive-Coordinator Joe Brady volles Risiko, entwickelt gemeinsam eine Vision für einen erfahrenen Trainerstab, der Brady dabei hilft, in die Rolle eines Head Coachs zu wachsen, während er mit seinen Offense-Talenten dabei hilft, den Kader durch einen unvermeidbaren Umbruch kompetitiv zu halten.

Das könnte sich, wenn richtig durchgeführt, im Rückblick als Volltreffer erweisen. Aber es wird Geduld erfordern.

6. Die Browns machen einiges richtig - und zu viel falsch

Die Verletzung von Patrick Mahomes sowie der finale Play-Call von Andy Reid sind natürlich die großen Themen nach dem Chiefs-Browns-Spiel. Bei mir ist einerseits aus Browns-Sicht hängen geblieben, wie Cleveland gerade mit dem verheerenden letzten eigenen Drive die Chance auf den späten Sieg weggeworfen hat; generell war Kevin Stefanskis Clock Management im Schlussviertel nicht gut und die Browns verbrannten elementar wichtige Timeouts. Cleveland unterliefen in diesem Spiel schlicht zu viele Fehler, allen voran der Fumble zum Touchback, aber eben auch Drops und Strafen in kritischen Momenten.

Gegen die Chiefs hat man nur sehr wenig Spielraum für Fehler; und trotzdem gab es auch durchaus positive Punkte bei den Browns. Baker Mayfield spielte eine gute Partie, fand und attackierte mehrfach enge Eins-gegen-Eins-Matchup und seine Big Plays retteten die Offense, als das Run Game nicht funktionierte, mehrfach.

Und auch der defensive Ansatz war lobenswert diszipliniert. Cleveland hatte sich ganz offensichtlich fest vorgenommen, Mahomes nicht zu blitzen, die Big Plays mit entsprechend vorsichtiger Coverage zu limitieren und die Chiefs dazu zu zwingen, lange Drives hinzulegen. Und obwohl Kansas City offensiv eindrucksvoll loslegte, blieben die Browns bei ihrem Game Plan und so schafften sie es trotz der Verletzung von Myles Garrett mehrfach, die Chiefs auf Field Goals zu halten. 19 Punkte standen zu Buche, als Mahomes spät im dritten Viertel verletzt raus musste. Das hätten die Browns im Vorfeld wohl jederzeit unterschrieben.

Gegen die Chiefs defensiv nicht in Coaching-Panik zu verfallen, spricht für den Trainerstab. Stefanski wird aus diesem Spiel lernen, Mayfield geht mit zwei guten Playoff-Spielen auf dem Konto in die Offseason. Die Browns sind auf einem guten Weg.

7. Wie geht's weiter für die AFC-Verlierer?

Baltimore Ravens: Welchen Receiver können die Ravens an Land ziehen? Ich weiß nicht, wie realistisch es ist, dass Greg Roman mit einem "starken" Passing Game Coordinator zusammenarbeitet - oder dass die Ravens gar Roman komplett entlassen. Aber unabhängig davon braucht diese Offense einen echten Nummer-1-Receiver, davon bin ich überzeugt. Sollte jemand wie Allen Robinson oder Kenny Golladay - beide angehende Free Agents - tatsächlich auf den Markt kommen, sollten die Ravens bereit sein, sehr viel Geld in die Hand zu nehmen. Was auch immer es kostet, einen solchen Spieler an Land zu ziehen.

Cleveland Browns: Von der Rookie-Head-Coach-Saison von Kevin Stefanski kann man nur beeindruckt sein. Nicht nur, dass er dieser Franchise derart schnell eine 180-Grad-Drehung verpasst und eine komplett neue Kultur in Cleveland installiert hat; er hat es auch geschafft, der Offense trotz aller Widrigkeiten der vergangenen Offseason glasklar seinen Stempel aufzudrücken. Für mich ist er auch der Coach des Jahres. Wie können die Browns darauf aufbauen? Welche offensiven Anpassungen sind notwendig, jetzt, wo Teams eine Offseason Zeit haben, um die Offense zu studieren? Oder steht die kommende Offseason eher im Zeichen der Defense, die noch deutlich mehr Potenzial für Verbesserungen hat? Die Browns hatten eine tolle Saison, jetzt gilt es, darauf aufzubauen.

8. Wie geht's weiter für die NFC-Verlierer?

Los Angeles Rams: Das Gerüst dieses Teams ist noch immer stark. L.A. hat eine individuell spektakulär besetzte Defense, sie haben gute Wide Receiver, Tight Ends und Running Backs sowie eine Offensive Line, die sich im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich stabilisiert hat. Aber wie lange können die Rams diesen Kader noch zusammenhalten? Inwieweit kann der Kader signifikant verbessert werden, wenn jetzt der teure Part des Goff-Vertrags greift? Die Rams könnten ein Titelfenster aufstoßen, wenn sie mehr vom Quarterback bekommen. Wie geht McVay die Position jetzt auch perspektivisch an? Und landet er mit der Auswahl seines Defensive Coordinators erneut einen Treffer?

New Orleans Saints: Die Saints stehen laut Over the Cap Stand heute 95 Millionen Dollar über dem Cap für 2021. Die Quarterback-Frage scheint ziemlich offen und die Verträge von unter anderem Marcus Williams, P.J. Williams, Jameis Winston, Sheldon Rankins, Jared Cook und Trey Hendrickson laufen aus. Kurzum: New Orleans steht vor einer gigantischen Aufgabe was die Kaderzusammenstellung angeht und wird dabei viele schwierige Entscheidungen treffen müssen. Die Art und Weise, wie New Orleans finanziellen Spielraum kreieren wird, wird ein gutes Beispiel für Möglichkeiten im Cap-Management sein.

9. Erster Blick NFC Championship Game - Packers vs. Bucs

Zwei Storylines werden die Vorberichte auf das NFC Championship Game prägen: Brady vs. Rodgers - und jenes direkte Duell in Woche 6. Als die Bucs die Packers mit 38:10 zerlegten, Rodgers zu dessen schwächstem Spiel dieser Saison blitzten und Tampa nach frühem Rückstand zur Halbzeitpause bereits auf 28:10 davongezogen war.

Seitdem ist natürlich viel Zeit vergangen. Die Packers wurden nicht mehr ansatzweise derart physisch dominiert, die Bucs auf der anderen Seite - auch wenn das Saints-Spiel in dieser Hinsicht ein ganz bitterer Rückfall in vermeintlich überwundene Zeiten war - haben sich offensiv angepasst und deutlich flexibler agiert, um mehr Matchups zu kreieren und weniger davon abhängig zu sein, dass Brady lange Third Downs retten kann.

Können die Bucs das gegen Green Bay wieder zeigen? Kann Tampa Rodgers erneut derart aus dem Konzept bringen? Und falls Letzteres nicht eintritt: Wer kann einen Shootout eher gewinnen, vor allem, falls es am kommenden Sonntag in Lambeau wirklich so kalt und ungemütlich wird, wie aktuell die Berichte prognostizieren?

10. Erster Blick AFC Championship Game - Chiefs vs. Bills

Selbstredend wird ganz Kansas City die Woche nahe am F5-Knopf verbringen, um herauszufinden, wie sich der Gesundheitsstatus von Patrick Mahomes entwickelt. Sollte er tatsächlich Glück im Unglück gehabt haben und nicht durch einen direkten Kopftreffer ausgeknockt worden sein, dürfte berechtigte Hoffnung herrschen, dass er spielen kann. Auch Andy Reid zeigte sich kurz nach Spielende optimistisch. Gleichzeitig kann es dafür keinerlei Garantie geben.

Wenn Mahomes spielt, erwartet uns hier ein offensives Feuerwerk, alles andere wäre eine enorme Überraschung. Das sind vermutlich die beiden besten reinen Passing-Offenses in der NFL, die beiden Offenses mit der größten Anzahl an gefährlichen Playmakern und vielleicht die beiden Quarterbacks mit dem aktuell größten Armtalent in der NFL. Welche Defense kann vielleicht ein, zwei Big Plays machen? Können die Bills in ihren Zone Coverages flexibel genug agieren, sodass der 4-Men-Rush eine Chance hat?

Oder wiederholen sie ihre Taktik aus dem Regular-Season-Duell, als die Bills die Chiefs-Runs mit sehr vielen sehr leichten Boxes förmlich einluden, und sich klar darauf fokussierten, keine Big Plays im Passspiel zuzulassen? Buffalo verlor das Spiel damals, blieb aber auffallend strikt bei dieser Taktik - und ließ defensiv angesichts des Gegners auch vergleichsweise wenige Punkte zu. Inwieweit sind sie gewillt, das zu wiederholen? Und kann dann die eigene Offense diese Vorlage dann nutzen?