NFL

Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 11 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 11 in der NFL.
© getty

Taysom Hill gibt sein Starting-Debüt für die Saints - aber was lässt sich daraus eigentlich mitnehmen? Außerdem: Die Quarterback-Frage in Philadelphia muss zunehmend ernsthaft gestellt werden, die Miami Dolphins sorgen mit ihrer Tua-Entscheidung für Fragezeichen und für die Vikings gibt es trotz der Cowboys-Pleite Grund für Optimismus. SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag auf Stand mit seinen zehn wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Sonntag, alle Recaps vom Sonntag gibt es hier.

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Top 10 - die Takeaways zu Week 11 in der NFL

1. Was verrät uns das Starting-Debüt von Taysom Hill?

Nirgendwo waren "Quellen" in der Woche vor diesem Spieltag gefragter als in New Orleans. Laut "Quellen" schien es am Montag beschlossene Sache, dass Jameis Winston den verletzten Drew Brees - der nicht zwei, nicht fünf, sondern elf (!) gebrochene Rippen hat - vertreten würde. Die Quellenlage veränderte sich dann gravierend: Am Freitag wurde Taysom Hill plötzlich von allen großen Reportern als Starter angekündigt, inklusive klarer Ansage, dass Winston auch nicht Teil irgendwelcher Offense-Pakete sein würde.

Saints-Coach Sean Payton hatte auch bis Sonntag noch keine öffentliche Ansage gemacht, die Entscheidung aber war wohl schon im Vorfeld der Saison gefallen: Verletzt sich Brees innerhalb eines Spiels, ist Winston die kurzfristige Lösung. Doch hat man Zeit, einen Game Plan vorzubereiten - dann soll der um Hill gebaut werden.

Finanziell hatte New Orleans eine Entscheidung für diesen Fall in gewisser Weise ohnehin schon getroffen.

Als man Hill nämlich ohne irgendwelche Not über 16 Millionen Dollar für 2021 garantierte, statt ihn die 2020er Saison unter dem Restricted Free Agent Tender ausspielen zu lassen - es ist nicht so, dass sein Marktwert als Nummer-3-Quarterback durch die Decke gegangen wäre - und dann eine Entscheidung zu treffen. Und das nicht aus irgendeiner luxuriösen Situation heraus: Kein Team steht für das kommende Jahr vor größeren Cap-Problemen als die Saints.

Im Endeffekt hatte New Orleans in der Offseason einem 30-jährigen Gadget-Quarterback und Special-Teamer einen extrem teuren Vertrag gegeben, der es verlangt, zumindest mal zu testen, ob Hill nicht doch der Brees-Erbe sein könnte. Wenngleich man genauso argumentieren könnte, dass es für die Saints sinnvoller wäre, ausgiebig zu testen, wie - der vier Jahre jüngere - Jameis Winston in einer horizontaleren Offense aussieht, und ob er vielleicht die Post-Brees-Lösung sein könnte.

So kam Hill am Sonntag gegen Atlanta also zu seinem ersten Start, nur drei Quarterbacks waren bei ihrem NFL-Starting-Debüt älter (Dieter Brock 1985, Doug Pederson 1999, Brian St. Pierre 2010). Und die erste große Überraschung: Wenn die Saints Hill testen wollen - sollten sie ihn dann nicht auch ... testen?

Saints: Unerwarteter Offense-Ansatz

Was damit gemeint ist: New Orleans spielte nicht nur von Anfang an nicht die "Taysom-Hill-Offense", mit einem um den Quarterback herum aufgebauten Run Game, sondern wurde generell sehr Pass-lastig. Hill hatte in der ersten Hälfte keinen designten Run.

Gleichzeitig aber war das, was sie im Passspiel machten, unheimlich vereinfacht und bietet nur wenig Aufschluss über Hills Qualitäten: Rollouts, Play Action, auch aus der I-Formation - wenn Hill den Ball schnell loswerden konnte, wenn er zum ersten Read direkt gehen konnte, wenn das Feld für ihn halbiert wurde, dann hatte er eine Handvoll guter Würfe. Viel mehr aber eben auch nicht. Hill zu testen ist schön und gut, doch warum dann die Offense auf der einfachsten Betriebseinstellung laufen lassen und nicht zumindest die "Hill-Offense" spielen?

Die Stats für Hill am Ende sehen gut aus, sie täuschen zu einem gewissen Grad aber auch. Hills längstes Play war ein totaler Underthrow, bei dem Emmanuel Sanders ihn rettete. Atlanta blitzte dann phasenweise deutlich mehr, New Orleans antwortete mit guten Screens, doch sobald Hill tatsächlich Quarterback spielen, aus der Pocket durch seine Reads gehen musste, kam er schnell an seine Grenzen. Er verfehlte einige Receiver, erkannte Pressure zu spät und hielt den Ball zu lange, wenn der erste Read nicht da war. Am ehesten waren seine spezifischen Fähigkeiten noch beim Touchdown-Scramble im Schlussviertel zu sehen.

Die enormen Probleme der Falcons-Offense, angefangen mit Matt Ryans Pocket-Verhalten, gegen eine stark aufspielende Saints-Defense waren unter dem Strich der entscheidende Faktor dieser Partie. Die Saints mussten nie in einen Shootout gehen, geschweige denn in der zweiten Hälfte aufholen. Atlanta verpasste es zu Beginn, offensiv davonzuziehen und der Zugriff des Pass-Rushs wurde dann immer größer.

Und was sagt das Spiel letztlich über Hill?

Die Tatsache, dass man Hill diesen Vertrag gegeben hatte, ohne ihn auch nur einmal als Starter gesehen zu haben, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass die Saints ihn als legitime Option für die Brees-Nachfolge sehen. Gegen Atlanta hat er eine gewisse Baseline gezeigt und sich im Laufe der Partie auch gesteigert. Die Saints haben jetzt einige Wochen, um darauf aufzubauen und zu sehen, was sie vielleicht in Hill haben.

Diese erste Partie letztlich war ein Spiel, das uns nicht mehr als die absolute Baseline - Play Action, First Reads, Rollouts und Scrambles - bei Hill bestätigt. Von optimistischen Prognosen, dass die Saints den Brees-Nachfolger gefunden haben, sollte man noch die Finger lassen.

2. Es ist Zeit für die Quarterback-Debatte in Philly

Wann fangen die Eagles an, ernsthaft über die Quarterback-Position zu diskutieren? Diese Debatte drängt sich mehr und mehr auf; ganz vereinfacht dargestellt sind hier die Punkte, welche die Eagles-Offense im Laufe der Saison für mich zusammenfassen:

  • Verletzungspech spielte von Anfang an fraglos eine Rolle. In der Offensive Line und im Receiving Corps, und das limitierte die Eagles auch in ihren Möglichkeiten.
  • Carson Wentz war über das erste Saisonviertel einer der zwei, drei schlechtesten Starting-Quarterbacks. Und auch hier gilt es, Nuancen zu wahren und die Situation zu berücksichtigen. Doch Wentz spielte schlicht furchtbar aus der Pocket, war langsam mit seinen Reads, leistete sich üble Fehler, die man auch nicht mit den Umständen entschuldigen kann.
  • Wentz stabilisierte sich dann, spielte zuletzt merklich besser innerhalb der Struktur der Offense - was die strukturellen Probleme in der Offense wiederum schonungslos offenlegte: Ohne Wentz' Plays außerhalb der Play-Designs war die Offense sehr eindimensional, sehr statisch, und das obwohl im Receiving Corps mehr und mehr Waffen zurückkamen.
  • Doch selbst diese Phase hielt nur kurz, und während man das Play-Calling und die Offense-Designs nach wie vor kritisch betrachten sollte, unterstrich das Browns-Spiel einmal mehr die große Wentz-Problematik: die individuellen Probleme mit Wentz sind vielleicht mal vereinzelt unter Kontrolle, aber sie sind nie weg und viel zu häufig sind sie nur ein Play entfernt. Wentz hatte gegen Cleveland einen absurden Pick Six, bei dem er den Ball viel zu lange hielt und einen komplett offenen Receiver einfach ignorierte. Beim Safety hätte er den Ball schneller loswerden müssen, später wurde eine Interception zwar nachträglich wegen einer Strafe wieder zurückgenommen, an Wentz' üblem Read änderte das aber nichts und zwei Minuten vor dem Ende überwarf er nochmal seinen Receiver zur Interception in der Red Zone.

Wenn man all diese einzelnen Fäden zusammenführt, bekommt man eine Offense, in der strukturell das Überraschungsmoment fehlt, in der es via Play Designs im Moment nur bedingt gelingt, konstante Drives hinzulegen, in der die Offensive Line noch immer wackelt - und in der der Quarterback viel zu viele individuelle Fehler macht. Das Spiel gegen die Browns war für Wentz die sechste Partie in dieser Saison mit mindestens zwei Interceptions. Ein paar gute Pässe reichen nicht, um die Fehler zu überspielen.

Was gibt Anlass zur Hoffnung, dass auf einen Schlag all diese Probleme - die sich gegenseitig natürlich auch noch vergrößern -, plötzlich gelöst werden? Wenig.

Die Eagles haben im vergangenen Draft einen Zweitrunden-Pick in Jalen Hurts investiert, ein Quarterback, um den man die Überraschungsmomente schematisch definitiv eher einbauen könnte als bei Wentz aktuell; und ganz salopp gesagt: die Gefahr, dass Hurts signifikant schlechter spielt als Wentz, ist schlicht sehr gering.

In Philadelphia muss offen über die Quarterback-Position gesprochen werden. Und wenn man Grund für Optimismus mit mehr Stabilität sucht, dann ist es einfach schwierig, diesen in der Konstellation mit Wentz zu finden. Doug Pederson allerdings scheint das deutlich anders zu sehen.

3. Die Packers und altbekannte Probleme

Man könnte die Packers-Pleite gegen Indianapolis, die Green Bay im Rennen um den NFC-Top-Seed zurückwirft, als Ausrutscher abtun. Gegen eine gute Colts-Defense begannen die Packers zwar furios, Rodgers attackierte direkt vertikal, Green Bay spielte auffallend viel Play Action und griff so die vielen 2-High-Zone-Coverages der Colts mit Big Plays an.

Doch in der zweiten Halbzeit war der Wurm drin. Zwei Three-and-Outs, gefolgt von einem Fumble beim Kick-Off-Return sowie einem Turnover on Downs (zugegeben, mit einem sehr fragwürdigen Play-Design) - Green Bay kam in der zweiten Hälfte offensiv auf keinen grünen Zweig. Selbst der Turnover in Overtime, ein extrem vermeidbarer Fumble von Valdes-Scantling, fällt hier noch rein.

Und so könnte man einen einfachen Haken hinter die Partie setzen. Was die Packers defensiv wie offensiv in der ersten Hälfte zeigten, war eindrucksvoll, gegen die starke Colts-Front konnten sie allerdings nie ein konstantes Run Game aufziehen und das Spiel entglitt Green Bay nach der Halbzeitpause.

Aber: Es waren gleichzeitig auch zu viele immer wiederkehrende Probleme mit diesem Packers-Team, die auch maßgeblich zum Meltdown gegen die Colts beitrugen. Eine Run-Defense, die zu häufig diesen Namen nicht verdient und einfachste Fehler begeht. Mehrere Blown Coverages in der Secondary. Eine Interception von Aaron Rodgers, die zwar durch ein spektakuläres Play von Corner Rock Ya-Sin kam, aber auch nur möglich war, weil Rodgers den Ball zu spät warf. Und nicht das erste Spiel dieser Saison, in dem Green Bays Offense-Motor gegen eine gute Defense ins Stottern kam.

Indianapolis geht mit diesem Sieg im Rücken in glänzender Ausgangslage in das Rückspiel gegen die Titans, das schon die Weichenstellung für die AFC South sein könnte. Die Packers derweil müssen sich um die Division keine Sorgen machen, die Auftritte der anderen NFC-North-Teams am Sonntag unterstrichen das. Doch um in den Playoffs am Ende ganz lange mitzuspielen, wird Green Bay deutlich mehr von der eigenen Defense brauchen - oder offensiv wieder nahe an der Perfektion spielen müssen.

Ehrlicherweise wirkt Letzteres aktuell wahrscheinlicher.