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College Football: Alabama vs. Georgia - Gigantenduell unter neuen Vorzeichen

Von Johannes Ninow
Alabama und Georgia treffen sich am Wochenende zu einem der College-Highlights dieser Saison!
© imago images/Curtis Compton

Nick Saban hält unzählige Rekorde im College Football. Einer davon ist seine makellose Bilanz gegen seine ehemaligen Assistent Coaches. Ob Jimbo Fischer, Lane Kiffin oder Kirby Smart - keiner von ihnen konnte in insgesamt 20 Versuchen "Saint Nick" bisher als Head Coach schlagen. In der Nacht auf Sonntag wird Smart es mit Georgia wieder versuchen und darf sich echte Chancen ausrechnen - wenngleich die Umstände auf einen Schlag völlig anders sind.

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Die Meldung schlug am Mittwochabend ein: Nick Saban, Head Coach der Alabama Crimson Tide und die größte Person im College Football, wurde positiv auf das Corona-Virus getestet.

Saban meldete sich wenig später selbst zu Wort. "Ich fühle mich gut, ich fühle mich gut. Ich war überrascht von dem positiven Test. Insofern mache ich mir keine großen Sorgen um meine Gesundheit, aber man weiß nie."

"Man weiß nie" fasst diese Saison zusammen, ob in der NFL oder im College Football. Zwischen Spielverlegungen, kurzfristigen Ausfällen und Corona-Ausbrüchen innerhalb von Teams war noch nie so unklar, wie die nächsten Tage innerhalb des Sports aussehen.

Saban verfolgte das Team-Training am Mittwoch via Zoom und hatte Möglichkeiten, um einzuschreiten, wenn er etwas verändern wollte - im Kern geht es jetzt darum, festzustellen, ob weitere Coaches oder Spieler angesteckt wurden. Andernfalls würde die Partie am Wochenende, das mit Spannung erwartete Duell gegen SEC-Schwergewicht Georgia, stattfinden.

Yahoo-Reporter Pete Thamel hatte am späten Mittwochabend mit SEC Commissioner Greg Sankey gesprochen, dessen Reaktion lautete: "Wir machen weiter. Wir haben weitere Tests am Donnerstag, die Ergebnisse kommen am Freitag. Ich würde das als "haltet den Atem an"-Moment beschreiben."

Ausgang offen. Atemanhalten ist angesagt.

College Football: Defense wins Championships?

Und sportlich? Kirby Smart hat seit seiner Ankunft in Athens 2015 die Georgia Bulldogs wieder zu einer Macht in der SEC, der besten Conference im College Football, und zu einem jährlichen Titelanwärter gemacht.

Gleich in seiner zweiten Saison führte er Georgia in das Finale um die National Championship, nur um an einem alten Bekannten zu scheitern: Nick Saban, bei dem Smart zuvor sieben Jahre lang der Defensive Coordinator war, brachte einen gewissen Tua Tagovailoa von der Bank - der in der Overtime den entscheidenden Pass zum dramatischen Bama-Sieg warf.

In den vergangenen beiden Jahren ging es für Smart und Co. immer bis ins SEC Championship Game, wo erst erneut Alabama und im vergangenen LSU im Weg standen. Nun soll endlich der große Wurf gelingen und Smarts Team hat eine große Stärke, die in der SEC in dieser Saison zumindest bisher eher Mangelware ist: Eine starke Defense.

Die normalerweise von Top-Defenses geprägte SEC ist in dieser besonderen (Corona-)Saison eher ein Spiegelbild der BIG 12, wo die Defense meist nur der Vollständigkeit halber aufgestellt wird und Shootouts eher die Regel als die Ausnahme sind.

Titelverteidiger LSU kassierte bereits in zwei von drei Spiele über 40 Punkte, Floridas Defense lässt auch über 30 Punkte im Schnitt zu und selbst Alabama kassierte am vergangenen Wochenende gegen Ole Miss satte 48 Punkte. Als einziges Top-Team in der SEC hat Georgia bisher defensiv überzeugt und streitet sich höchstens mit Clemson um den Titel der besten Defense im College Football aktuell.

Für Smart könnte das der große Trumpf in dieser Saison sein - denn wie heißt es so schön: Defense wins Championships!

Die Offense-Fragen bei Alabama

Der größte Test für Smarts Trumpf steht nun bevor. Alabamas Offense ist vielleicht noch potenter als vergangene Saison. Kaum zu glauben, denn neben Tagovailoa wurden auch die Wide Receiver Jerry Jeudy und Henry Ruggs in der ersten Runde der NFL Draft gezogen. Aufgrund dieser Abgänge stand in der Offseason mindestens ein mittel-großes Fragezeichen hinter Alabamas Offense, die in den vergangenen Jahren immer stärker aufs Passspiel gesetzt hat.

Auf der Quarterback-Position duellierten sich Mac Jones und der Nummer-1-QB-Recruit des Landes, Bryce Young um den Platz in der Startelf. Auch wegen seiner gesammelten Erfahrung nach Tuas Verletzung in der vergangenen Saison setzte sich Jones durch und hat diese Entscheidung bisher mehr als gerechtfertigt. Acht Touchdowns steht nur eine Interception gegenüber und Jones hat aktuellen das zweitbeste Quarterback Rating im Land.

Das größere Fragezeichen stand jedoch hinter der Nachfolge auf der Receiver-Position. Insgesamt fast 1800 Yards und 17 Touchdowns hatten Jeudy und Ruggs zusammen zu verantworten in 2019. Zusammen mit DeVonta Smith dominierten sie die SEC nach Belieben. Smith und Jeudy wurden sogar dabei erwischt, wie sie im Spiel über Schere-Stein-Papier ausspielten, wer die aussichtsreichste Route laufen darf.

Jeudy und Ruggs haben bereits in der noch jungen NFL-Saison ihre Qualität schon unter Beweis gestellt. Doch Alabama ist auch deshalb seit über einem Jahrzehnt eine Macht im College Football, weil sie einfach Erstrundenpicks mit zukünftigen Erstrundenpicks ersetzen.

Bama: Künftige Erstrundenpicks ersetzen Erstrundenpicks

In DeVonta Smith blieb sogar der zumindest statistisch beste Receiver (1256 Yards und 14 TDs), obwohl auch der Passempfänger des entscheidenden Passes im Championship Game 2017 wahrscheinlich ein hoher Draft-Pick gewesen wäre. Mit 27 Catches in den bisherigen 3 Spielen hat er ganz klar Jeudys Rolle im Team als Allzweckwaffe im Passpiel übernommen.

John Metchie III ist der neue Speedster für die ganz tiefen Würfe und hat damit Ruggs nahtlos ersetzt. Der nächste Superstar scheint jedoch Jaylen Waddle zu werden: Mit 396 Yards und drei Touchdowns ist der Jones' neues Lieblingsspielzeug und ist auch schon die Mock-Draftboards nach oben katapultiert. Sollte er mit dieser Pace weitermachen, könnte er sogar LSUs Ja'Marr Chase, der die Saison aussetzt, als Nr. 1 Receiver-Prospect im kommenden Draft ablösen.

Dazu kommt natürlich noch das gewohnt starke Laufspiel der Crimson Tide mit Running Back Najee Harris (schon zehn Rushing-Touchdowns) hinter einer O-Line voller Jungs, die man ebenfalls demnächst Sonntags spielen sehen wird. Alabamas Offense hat keine Schwächen oder Defizite. Das Duell mit Georgias Defense, die mit einer exzellenten Secondary und einer starken Front dagegenhalten kann, könnte eine denkwürdige Schlacht werden.

Die Fragezeichen werden das Spiel entscheiden

Das Spiel entscheiden könnten jedoch die Fragezeichen beider Teams. Oder eher, wessen Fragezeichen die Kurve kriegt. Alabamas Defense wurde von Ole Muss bloßgestellt, insgesamt vier Spieler kamen am Ende über 100 Yards.

Vom Personal her müsste diese Defense jedoch deutlich besser sein. Denn mit Cornerback Pat Surtain II, Linebacker Dylan Moses und Defensive Lineman Christian Barmore stehen auf jeder Ebene der Defense Spieler, die ebenfalls Erstrundenpicks im Draft 2021 sein werden. Vielleicht war der Auftritt gegen Ole Miss nur ein Ausrutscher oder Lane Kiffin kannte wirklich die Calls von Alabamas Defense. Mit Sicherheit hat diese Unit viel größeres Potential.

Bei Georgia ist dagegen die Offense das Fragezeichen. Zwar funktioniert das Laufspiel dank eines Trios an kompetenten Running Backs und einer ebenfalls starken O-Line, das Passspiel ist jedoch überschaubar. Das liegt vor allem am Quarterback, beziehungsweise den Quarterbacks. Auch Georgia musste mit Jake Fromm einen langjährigen Starter im Sommer ersetzen. Smart holte erst Jamie Newman von Wake Forrest als Transfer nach Athens, später im Sommer auch noch JT Daniels von USC.

Newman schien schon fest als Starter eingeplant, doch kurz vor Saisonstart entschied er sich, die Saison auszusetzen und sich auf den Draft vorzubereiten. Da Daniels, der in der High School und bei USC mit dem Deutschen Amon-Ra St. Brown zusammenspielte, zu Saisonbeginn noch nicht gesund war, startete der junge D'Wan Mathis im ersten Spiel gegen Arkansas, wurde im Laufe des Spiels aber durch den ehemaligen Walk-On - also ein Spieler ohne Stipendium - Stetson Bennett ersetzt.

Bama vs. Georgia: Dreht Smart nun den Spieß um?

Bennett spielte bisher immerhin gut genug, sodass Georgia im Schnitt 36 Punkte pro Spiel macht. Er profitiert dabei aber ganz stark von Georgias Defense, die schon sieben Turnover kreiert hat und Bennett regelmäßig aussichtsreiche Fieldposition übergibt.

Sollte er gegen Alabama nun diese Vorteile nicht mehr genießen dürfen, könnte er ganz schnell an seine Grenzen kommen. In dem Fall würde es vielleicht den nächsten Quarterbackwechsel geben, denn Daniels scheint endlich fit zu sein. Daniels hat jede Menge Talent, war 2018 der High-School-Spieler des Jahres. Wenn er gesund ist, ist er definitiv Georgias beste Chance auf der wichtigsten Position im Football.

Zunächst wird Smart aber erstmal weiter auf Bennett setzten, der sich diese Chance auch mehr als verdient hat. Sollte er jedoch schwächeln und Georgias überragende Defense alleine nicht ausreichen, könnte Daniels von der Bank zu bringen Kirby Smarts letztes Ass im Ärmel sein, um endlich als erster ehemaliger Assistent den vielleicht größte College Football Coach aller Zeiten zu schlagen.

Es wäre ein Szenario, das die Erinnerungen an das Championship Game vor einigen Jahren umdrehen könnte.

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