NFL

Third and Long: Oldschool-Patriots - auch gegen die Chiefs?

Die Patriots machten gegen Kansas City offensiv genau das, was sie wollten.
© getty
Cookie-Einstellungen

Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!

Run Game, Defense vs. Offense, Goff, Brady - eure Fragen

Mario Kluckow: Die Rams haben gegen Dallas mit ihrem Run Game gewonnen. Den gleichen Weg wollten die Seahawks auch beschreiten. Nur hatten die Rams wesentlich mehr Erfolg aufgrund einer fitten O-Line und eines ggf. etwas ausgeglicheneren Run/Pass-Verhältnis in "neutralen Drives". Können wir also den Konsens finden, dass die grundsätzliche Ausrichtung der Seahawks nicht komplett falsch war, sondern die Ausführung sowie am zu langen festhalten des Gameplans zur Niederlage gegen die Cowboys führte?

Würde ich so auf keinen Fall zustimmen, aus mehreren Gründen: die Run-Designs der Rams sind viel effizienter als die der Seahawks, weil sie viel besser mit dem Passing Game verknüpft sind. Das führt zur höchsten Anzahl an leichten Boxes gegen sich, das führt zu riesigen Lücken durch das Blocking. Das Run Game der Rams ist schwer vorhersehbar, in seinen Designs und im Play-Calling. Die Play-Designs sowie das Play-Calling der Seahawks ist vorhersehbar.

Anders gesagt: Run Game ist nicht gleich Run Game, und weil der Ansatz beim komplett anders genutzten Run Game der Rams funktioniert hat, würde ich das nicht einfach auf die Seahawks übertragen. Seattle lebte extrem von den Yards nach Kontakt der eigenen Running Backs, von individuellen Leistungen - nicht vom Scheme und schon gar nicht vom Play-Calling. Im Zweifelsfall ist das viel einfacher zu verteidigen.

Und natürlich kommt der Quarterback-Faktor dazu. Machte es für die Rams Sinn, möglichst wenig auf Goffs Schultern abzuladen, mit der Aussicht, dass er es erneut mit einem gefährlichen 4-Men-Rush zu tun bekommen könnte? Absolut. Trifft das aber auf Russell Wilson zu? Für mich ein klares Nein, und deshalb bleibt für mich auch die grundsätzliche Ausrichtung falsch. Dallas ging mit einer der Top-Run-Defenses in beide Spiele, das macht den Ansatz in Kombination mit der Quarterback-Position so fragwürdig.

Lennardt Kordt: Die ganze Saison über wurde dem Laufspiel seine Bedeutung in der modernen "Passing-NFL" abgesprochen. Jetzt in den Playoffs gewinnt Dallas über den Lauf gegen Seattle, Rams über den Lauf gegen Dallas und Pats über den Lauf gegen die Chargers. Wie kommt's?

Der Punkt mit dem Run Game ist und bleibt: wenn der Gegner hier eine eklatante Schwäche in der Run-Defense an den Tag legt, kann man diese nach wie vor attackieren und Spiele so auch in einem gewissen Maße diktieren. Die Patriots gegen die Chargers sind hier das drastischste Beispiel, New England konnte mit seinem 21-Personnel und dem Fullback als Blocker die leichten Fronts physisch dominieren und immer wieder riesige Lücken frei blocken.

Doch sowohl bei den Patriots, als auch vor allem bei den Rams war auch klar sichtbar: die Erfolge im Run Game hängen mit dem Passing Game direkt zusammen. Bei den Rams ist das schon die ganze Saison über eines der zentralen Themen, L.A. ist unheimlich gut darin, seine Run Plays und Pass Plays extrem ähnlich zu gestalten und schon die ganze Saison über kreiert das riesige Lücken gegen 5- und 6-Mann-Boxes, die leichte Yards im Run Game kreieren. Das sah man am Samstag erneut.

Die Chargers derweil, angeschlagen auf der Linebacker-Position, fanden defensiv nicht die richtigen Anpassungen, um sich gegen das Power Run Game der Pats zu wehren - während die Patriots ihre Run Plays konsequent mit Play Action, Underneath-Zone-Beatern und Screens mischten.

Das Passing Game in der ersten Hälfte war so sehr effizient. Dallas gegen Seattle war ein ganz eigener Fall, den ich letzte Woche ja ausführlich seziert hatte; ein Spiel, das eher durch die Seahawks und deren Verweigerung des Passing Games entschieden wurde, als durch das Run Game der Cowboys.

Die vier übrigen Teams in den Playoffs sind allesamt in der Top-5 in Passing-Offense DVOA, mit den Chargers als fünftes Team. Für mich sind starke Offensive Lines und vielseitige Play-Designs die zentralen Story dieser Playoffs.

Lukas Langier: Ist die Weisheit "Offense wins Games, Defense wins Championships" überholt und entspricht nicht mehr der Realität?

Kurze Antwort: ja. Eine starke Defense kann dich noch immer weit bringen - aber ohne eine starke Offense kann man heute nicht mehr konstant gewinnen. Die diesjährigen Ravens sind ein sehr gutes Beispiel dafür, in etwas abgeschwächter Form auch die Bears. Eine gute Defense in der heutigen NFL kann Spiele für dich eng halten und dir vereinzelt auch Spiele gewinnen, aber es ist in der NFL heute kaum noch möglich, mit einer Defense konstant auch Top-Offenses zu dominieren.

Und dabei sprechen wir noch nicht einmal davon, dass es viel schwerer ist, ein Team über die Defense aufzubauen und damit konstant erfolgreich zu sein. Defensive Stärke und Schwäche ist von Jahr zu Jahr viel inkonstanter als Offensive Stärke, unter anderem weil viel mehr einzelne Faktoren eine gleichgroße Rolle spielen.

Ein vereinfachtes Beispiel: dein 4-Men-Rush ist nicht mehr so dominant, weil dein Defensive End nachlässt. Das zwingt dich womöglich zu mehr Blitzing, setzt die Secondary mehr unter Druck und kann schnell die Struktur und Qualität der gesamten Defense grundlegend verändern. Eine gute Offense ist von viel weniger Faktoren, allen voran natürlich dem Quarterback, abhängig.

Defenses machen nach wie vor einen Unterschied. Kann man die gegnerische Offense aus ihrer Komfortzone raus bewegen? Kann man sie eindimensional machen? Kann man - zwei ganz zentrale Faktoren - Big Plays kreieren und den Quarterback unter Druck setzen? Mein Fokus beim Zusammenstellen einer Defense würde mit dem Pass-Rush anfangen, weil er dafür am ehesten die Möglichkeiten mitbringt.

Aber konstant erfolgreich zu sein, dafür braucht es für mich heute die Offense mehr als die Defense. Es ist kein Zufall, dass erstmals überhaupt die vier Top-Scoring-Offenses allesamt in den beiden Championship Games vertreten sind. Es sind auch die vier Top-Teams in puncto Offense Early Down Success Rate, während gleichzeitig alle vier Defenses in der unteren Liga-Hälfte was zugelassene Yards pro Play angeht zu finden sind.

Wer mit seiner Offense schnell und notfalls viel punkten kann, wer sich konstant in gute Second und möglichst wenige Third Downs bringt, wer Play Action sinnvoll und das Run Game in den richtigen Situationen einsetzt - diese Teams dominieren die NFL, das ist die klare Schlussfolgerung vor den Championship Games. Für mich gilt zumindest aktuell in der NFL, und die jüngsten Super Bowls unterstreichen das ja: Offense wins Championships.

Kevin Beinsen: Verdienter Sieg der Rams. Allerdings hatte Goff wieder kaum bis gar keinen Pressure - die Offensive Line der Rams war der Garant für den Sieg. Kann sie dieses Level zwei weitere Spiele halten? Vor allem gegen die Saints, die das Laufspiel zerstören können?

Die Offensive Line der Rams war tatsächlich extrem dominant gegen Dallas, und der zentrale Grund für den Sieg der Rams. Und trotzdem konnte man die Probleme von Goff gegen Pressure vor allem früh in der Partie sehen, gegen die Cowboys ließ er unter Druck zumindest einen Touchdown gegen Pressure liegen und brachte von fünf Pässen gegen Pressure nur einen an den Mitspieler.

Pressure ist noch immer ein großes Problem von Goff. Wenn er in dieser Saison unter Druck stand, warf er alle 40,4 Dropbacks eine Interception - aus sauberer Pocket nur alle 63 Dropbacks. Die Yards pro Pass gingen von 9,2 auf 5,7 runter, die aus sauberer Pocket warf er im Schnitt bei jedem 16. Dropback einen Touchdown; gegen Pressure nur jeden 40.

Und man sieht es auch: Goff wirkt gegen Pressure immer noch überhastet, geht zu schnell von seinen Reads weg und macht zu viele einfache Fehler. Die Line war jetzt in den letzten Wochen deutlich verbessert, die Saints präsentieren aber nochmals eine ganz andere Herausforderung: eine Blitz-lastige Front mit viel Man Coverage dahinter - Goff wird gegen die Saints mehr unter Druck stehen, als gegen Dallas, davon gehe ich aus.

Dominik Rosing und justmetrustme: Die Defense der Chiefs war gegen die Colts - überraschend - stark eingestellt. Hat Andy Reid nun eine auf beiden Seiten des Balls Super-Bowl-Unit geformt? Oder hat die Defense überperformt? Wie kann eine Defense wie die der Chiefs sich um gefühlt 1.000 Prozent steigern?

Die Chiefs-Defense ist immer noch absolut schlagbar, insbesondere in der Secondary, und wenn ein Team in der Pass-Protection standhalten kann, wird das auch wieder deutlicher werden. Kansas City hat aber etwas, das spielentscheidend sein kann: mehrere individuell dominante Pass-Rusher. Chris Jones, Justin Houston und Dee Ford sind gleich drei individuell gefährliche Pass-Rusher, mit denen die Chiefs jeder Offensive Line im Laufe eines Spiels Probleme bereiten kann.

Überraschend war, wie diszipliniert die Chiefs gegen eine starke Colts-Line den Run verteidigten - doch auch im Laufe dieses Spiels hatte Indianapolis, insbesondere über die Mitte, einige längere Runs. Ich bin weit davon entfernt, dieser Chiefs-Defense wirklich vertrauen zu wollen; im gleichen Atemzug sage ich aber auch, dass Kansas City mit seinem Pass-Rush die Möglichkeiten hat, um zumindest Phasen eines Spiels zu dominieren. In Kombination mit der eigenen, explosiven Offense kann das schon reichen.

Andreas Peer: Mal angenommen, Brady geht trotz seiner bisherigen Aussagen nach dieser Saison in Rente - was glaubst du, würden die Pats auf der Quarterback-Position machen? Ich persönlich kann mir eine Saison mit Hoyer nicht vorstellen.

Die Patriots würden das machen, was sie immer machen (und was sie oft vom Rest der Liga unterscheidet): sie würden nicht in Panik verfallen. In diesem Szenario - und ich gehe fest davon aus, dass Brady noch mindestens eine Saison spielt - wäre New England der für mich klare Top-Kandidat auf die Dienste von Teddy Bridgewater, sofern die Saints ihn nicht halten können.

Klappt das nicht, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Vielleicht gefällt den Pats einer der Quarterbacks, die man Mitte der ersten Runde im Draft bekommen kann, und sie schlagen hier zu; New England traue ich es zu, unkonventionell genug zu denken, um auch etwa einen Kyler Murray auf dem Zettel zu haben. Was ich bei den Pats am ehesten ausschließen würde, ist der Versuch, mit einem Flacco oder Tyrod Taylor eine Übergangslösung zu schaffen.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema