NFL

Die Free Agency der Cleveland Browns: Tatsächlich das Ende der Leidenszeit?

Von Pascal De Marco
Die Cleveland Browns haben nur eines ihrer letzten 32 Spiele gewonnen.
© getty

Kaum ein Team war in der Offseason aktiver als die Cleveland Browns. Der große Wandel soll nun endlich eingeleitet werden. Doch waren das nicht Worte, die man schon in den vergangenen Jahren immer wieder gehört hat? Die getätigten Personal-Wechsel haben jedenfalls für eine Menge Furore gesorgt. Ist der frühe Hype berechtigt?

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Er hat seine Worte in die Tat umgesetzt, Clevelands neuer Geschäftsführer John Dorsey. "Die Leute, die vor mir hier gewesen sind, haben keine richtigen Spieler geholt", hatte der Nachfolger von Sashi Brown bei seiner Präsentation im Dezember fast schon gepoltert.

Das sollte sich jetzt ändern: Eine in dieser Argumentation schier ewig andauernde Periode, in der die Ansammlung von Draft-Picks das Hauptaugenmerk der Franchise zu sein schien, kategorisiert noch weit vor dem sportlichen Erfolg, soll nun endlich zu einem Ende kommen und Playoff-Football anvisiert werden.

Nicht nur die sportliche Komponente war dabei in Cleveland eine, die die Fans in Verzweiflung getrieben hat. Denn auch die Personalplanung ließ keinen langfristigen Plan erkennen. Zumindest keinen, der nicht nach kürzester Zeit wieder über den Haufen geworfen wurde.

So hat die Franchise aus Ohio nach dem Trade von Danny Shelton zu den New England Patriots jeden ihrer sieben Erstrundenpicks aus den Jahren 2012 bis 2015 bereits wieder verabschiedet. Trades waren es, die Dorseys Ehrgeiz noch vor dem eigentlichen Start der Free Agency zum Ausdruck brachten: Dorsey will die Browns nach einer katastrophalen Bilanz von einem Sieg und 31 Niederlagen in den letzten beiden Spielzeiten nun endlich wieder zu einer sportlich kompetitiven und ernstzunehmenden Franchise machen.

In Quarterback Tyrod Taylor, Slot-Receiver Jarvis Landry und Defensive Back Damarious Randall vollzog man gleich drei Deals, die das Potenzial dazu haben, die Franchise in eine andere Richtung zu bewegen. So ließen zumindest die Reaktionen der letzten Tage vermuten. Und das, ohne auch nur einen der fünf Picks in die Hand nehmen zu müssen, die man Ende April in den ersten beiden Runden zur Verfügung haben wird.

Doch sind die Browns deshalb tatsächlich schon ein Kandidat für die Playoffs? Nicht so schnell!

Browns erhaltenBrowns geben abTrade-Partner
- WR, Jarvis Landry- 4th-Round-Pick 2018
- 7th-Round-Pick 2019
Miami Dolphins
- QB, Tyrod Taylor- 3rd-Round-Pick 2018Buffalo Bills
- DB, Damarious Randall
- 4th-Round-Pick 2018
- 5th-Round-Pick 2018
- QB, DeShone Kizer
- 4th-Round-Pick 2018
Green Bay Packers
- 3rd-Round-Pick 2019- DL, Danny Shelton
- 5th-Round-Pick 2018
New England Patriots
- 6th-Round-Pick 2018

- CB, Jason McCourty
- 7th-Round-Pick 2018

New England Patriots

Taylor, Landry und Randall - Tatsächliche Difference-Maker?

Die horrenden Leistungen aus den letzten Spielzeiten, verheerendes Verhalten im Coaching und eine unglaubliche Unruhe im Front Office: In Cleveland hat sich in den letzten Jahren ohne Frage eine Losing-Culture manifestiert. Können die Spieler, die neu dazu gekommen sind, tatsächlich dazu beitragen, diese zu ändern?

Auf Quarterback hat man in Taylor zweifelsohne eine Verbesserung gegenüber Kizer, Hogan, Kessler und vielen weiteren Kandidaten geholt, die sich in den letzten Jahren hier glücklos versucht haben. Doch gab es ebenso einen Grund, warum die Bills Taylor und seinen 16-Millionen-Dollar-Vertrag loswerden wollten. Der hat Buffalo zwar zum ersten Mal in diesem Millennium in die Playoffs geführt, doch ist er wohl nicht viel mehr als ein effizienter Game-Manager der darauf bedacht ist, den Ball nicht in die falschen Hände zu werfen.

Das hat einen Wert, doch ist Taylor eine Übergangslösung, die einem Rookie eine ruhige Eingewöhnungsphase auf dem Pro Level erlaubt. Eine, die es zuletzt nicht gegeben hat. Landry ist freilich der spektakulärste der vollzogenen Deals. Unter dem neuen Offensive Coordinator Todd Haley wird er wohl in etwa die Rolle im Slot übernehmen, die JuJu Smith-Schuster in Haleys System bei den Steelers gespielt hat.

Das LSU-Produkt hat einen Rekord für Receptions in seinen ersten vier Karriere-Jahren aufgestellt, verbucht enorm viele Yards nach dem Catch und Missed Tackles, doch schafften die Dolphins in seiner Anwesenheit eben auch nur eine einzige Winning-Season. Landry agiert darüber hinaus im Rahmen des Franchise Tags, den er vor Beginn der Free Agency in Miami erhalten hatte und ist für die Browns deshalb ein Risiko, da er das "Projekt Cleveland" nach nur einem Jahr wieder verlassen könnte.

Cornerback Damarious Randall absolvierte die letzte Saison in der nach Metrik von Football Outsiders siebtschlechtesten Pass Defense der Liga. Randall sah in der inkonstanten Defense der Packers selten gut aus, wird von den Browns aber wohl auf Free Safety gestellt, der Position die er im College gespielt hat, was Peppers näher an die Line of Scrimmage bringen könnte. Randalls Pro Football Focus Noten auf Cornerback in seinen ersten drei Karriere-Jahren in der NFL? 57,9 als Rookie, 35,8 im zweiten und 70,9 im dritten Jahr. Alles andere als Top-Zahlen.

Joe Thomas - Ein schwerwiegender Rückschlag

Cleveland war auch in der Free Agency sehr aktiv und sicherte sich in Carlos Hyde (RB), Darren Fells (TE), Chris Hubbart (RT), Donald Stephenson (OT), Chris Smith (DT) und TJ Carrie (CB) weitere Puzzleteile, die alleine durch die Anzahl der Transaktionen für eine Menge Aufruhr gesorgt haben - bei genauerer Betrachtung aber keineswegs deutliche Verbesserungen und Säulen darstellen, auf denen sich eine signifikant erfolgreichere Zukunft aufbauen lässt.

Erfolgreich und konstant sind ohnehin Worte, die in Cleveland in den letzten Jahren nur zu einer Personalie gepasst haben: Joe Thomas spielte alle elf Jahre seiner NFL-Karriere als Teil des Dawg-Pounds. Er kontribuierte als herausragender Spieler in der Pass-Protection und ein sehr guter Tackle im Run Game. Thomas erspielte mit 10.363 aufeinanderfolgenden Snaps ohne auch nur einmal auszusetzen einen NFL-Rekord und wurde sechsmal All-Pro, zehnmal Teilnehmer des Pro Bowls. Playoffs erlebte er in Cleveland nie.

Der Veteran beendete nun seine Karriere nach seiner ersten schlimmeren Verletzung, einem Trizepsriss, der die Browns dazu zwang, zum ersten Mal seit dem 31. Dezember 2006 einen anderen Left Tackle als Thomas aufzustellen. Cleveland verliert einen nicht nur in der eigenen Kabine enorm angesehenen künftigen Hall of Famer, sondern einen, der auch ligaweit große Anerkennung genoss.

Die Browns versuchten ihn in der letzten Saison durch Spencer Drango zu ersetzen. Dies ist im Hinblick auf die kommende Saison eher unwahrscheinlich. Vermutlich wird Neuzugang Hubbard, der zuletzt für die Pittsburgh Steelers aktiv war, die Rolle übernehmen.

Alle Augen auf den Draft - Thema Saquon Barkley Geschichte?

Nun werden bei den Browns alle Augen auf den Draft gerichtet. In erster Linie natürlich auf die Positionen Eins und Vier - ein Luxus, der noch nicht allzu vielen Teams gewährt war. Nach seinen exzellenten Workout-Ergebnissen war darüber spekuliert worden, dass die Browns Running Back Saquon Barkley an erster Stelle ziehen würden.

Die Verpflichtung von Hyde allerdings spricht nicht gerade dafür. Mit Hyde und Duke Johnson ist man in einer ähnlichen Konstellation aufgestellt, wie es die Minnesota Vikings in der letzten Saison nach der Cook-Verletzung mit Latavius Murray und Jerick McKinnon waren. Hyde stellt einen etwas eindimensionalen Power-Back dar, Johnson hingegen fungiert auch als Receiver.

Die ohnehin logische Lösung für den Draft wäre ein Quarterback. Die wichtigste Position im Spiel ist nicht mit einem Franchise-Player besetzt. Der Draft bietet in Sam Darnold und Josh Rosen zwei Spieler, die man schon früh ins kalte Wasser werfen könnte. Baker Mayfield, Lamar Jackson und Josh Allen hingegen sind die Optionen, die wohl länger brauchen werden, um sich an das Pro-Level anzupassen.

Dorsey pflegte bei seiner letzten Station in Kansas City eine Methode, die auch in Cleveland denkbar wäre. Er draftete Wunsch-Quarterback Patrick Mahomes nach einem bemerkenswerten Uptrade um 17 Positionen, um ihn sich ein Jahr lang hinter Alex Smith akklimatisieren zu lassen. Selbiges ist auch mit Taylor und dem Rookie-QB denkbar.

Mit dem vierten Pick wird man sich schließlich für Barkley oder Defensive End Bradley Chubb entscheiden, falls einer der beiden nicht von den Giants und Colts verpflichtet wird. Falls doch, stünde mit Minkah Fitzpatrick der heißeste Kandidat für das defensive Backfield parat. Alternativ wäre auch ein Trade für weitere Picks denkbar. Die Bills haben da gerade etwas im Sinne.

Die Draft-Picks der Cleveland Browns 2018:

RundePickPosition
111
144
2133
2335
23264
414114
513150
61175
71219

1-31 und Hue Jackson darf weitermachen?!

Noch vor der Offseason haben die Browns in Haley einen neuen Offensive Coordinator verpflchtet, der Coach Hue Jackson nicht nur bei der Gestaltung der Offense unterstützen, sondern ihm auch noch das Play-Calling abnehmen wird. Jackson kann sich mit Sicherheit glücklich schätzen, die Rolle überhaupt noch inne zu haben, war er doch bei den 31 Niederlagen der letzten beiden Jahre in der Verantwortung.

Jackson musste sich nicht nur für eine gänzlich unattraktive und harmlose Offense verantworten, sondern auch für Entscheidungen, die gerade für einen jungen Quarterback wie DeShone Kizer letztes Jahr nur sehr schwer richtig einzuordnen gewesen sein können. So versetzte er den Rookie nach schwachen Leistungen auf die Bank, um die Entscheidung nur ein Spiel später wieder rückgängig zu machen, weil der Ersatz nicht für Besserung sorgte. Und das als Coach mit dem Ruf eines "Quarterback-Flüsterers".

Das Gesicht, dass bei 31 Niederlagen Ansprachen an das Team gehalten hatte, die ganz offensichtlich nur wenig Früchte trugen, soll nun also auch die entscheidende Kehrtwende einleiten? Ein allein aus psychologischer Sicht schwer vorstellbares Unterfangen. Es wird an Haley liegen, die Talente der neu formierten Offense richtig einzusetzen und diese zu einer derart explosiven Offense zu entwickeln, wie er sie in Pittsburgh leitete. Das allerdings mit weitaus weniger talentiertem Spielermaterial.

Wie außerdem werden die beiden kooperieren? Wie kommt Jackson mit dem Verantwortungsverlust zurecht und welchen Anklang finden seine Worte überhaupt noch innerhalb des Teams? Elementare Fragen für ein Team in einer Liga, in welcher gutes Coaching beispielsweise vor Kurzem die Wende für eine Franchise war, welche gerade den Super Bowl gewonnen hat.

Sind die Browns wirklich ein anderes Team?

Selbstverständlich sehen die Browns weitaus mehr nach einem möglichen Playoff-Contender aus, als noch in den letzten Jahren. Es ist erfrischend, die Franchise endlich in einem aktiven Modus mit aggressiven und offensiven Verhandlungen zu sehen. Außerdem hat man auch nach den neuen und teuersten Verträgen des Kaders von Taylor (16 Millionen Dollar) und Landry (15,982 Millionen Dollar) enorm viel Cap Space zur Verfügung.

Ein derart gravierender Wandel wie ihn die Browns aber an den Tag legen müssen passiert nicht von heute auf morgen durch ein paar Trades und zwei Hände voll Rookies. Die Browns müssen gerade auf psychologischer Ebene ein komplett neues Kapitel aufschlagen und das Erlebte aus den vergangenen Jahren mit einem Mal ausblenden. Ob dies mit Jackson zu vereinbaren ist?

Außerdem fehlt es an Erfahrung und an Leadern. Die Browns sind ein immer noch sehr junges Team, welches selbst wenn die vorhandenen Baustellen in der Offense und der Secondary adressiert werden, sich noch einige Fehler leisten wird.

Schon in den letzten Offseasons gab es diejenige Stimmen, die sagten, dass die Browns den Wandel nun einleiten werden und mit genug Talent ausgestattet sind, um endlich anzugreifen. Diese Mannschaft sieht tatsächlich wie eine andere aus, und das beginnt auf der Quarterback-Position. Das Gewinnen muss man sich aber trotzdem erst neu beibringen.

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