NFL

Mit Pauken und Trompeten

Die New England Patriots sind in der laufenden Free Agency bislang ungewöhnlich aggressiv
© getty

Die New England Patriots sind eine der großen Überraschungen der bisherigen Free Agency: Der Titelverteidiger ging die erste Welle der Neuverpflichtungen ungewöhnlich aggressiv an, und fädelte gleich mehrere Trades ein. Es scheint fast, als würde Bill Belichick für den Karriere-Schlussspurt von Tom Brady so forsch aufrüsten, wie er es schon einmal getan hat - gleichzeitig aber sind es auch Investitionen in die Zukunft.

Cookie-Einstellungen

Auf zwei Zitate von Bill Belichick dürfte man in den kommenden Tagen in Foxborough noch einige Male stoßen. "Ich bin froh, dass er nicht in unserer Division ist und wir zwei Mal im Jahr gegen ihn spielen müssen. Ein wirklich guter Spieler", sowie: "Ich bin wirklich beeindruckt von Allens Blocking-Fähigkeiten. Einer der besten Blocking-Tight-Ends, mit denen wir es zu tun haben werden."

Letzteres war Belichicks Einschätzung von Dwayne Allen 2014, die andere Lobeshymne äußerte der Patriots-Coach nach einigen gemeinsamen Trainingseinheiten mit den Saints in der 2015er Preseason. Vor allem von Cooks soll Belichick über die letzten beiden Jahre ein großer Fan geworden sein - seit Freitag spielen beide für New England.

Erlebe die NFL Live und auf Abruf auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat

Die Patriots haben einen ungewöhnlich forschen Start in die Free Agency hingelegt. Das neue Liga-Jahr ist gerade drei Tage alt, und im Vergleich zum spektakulären Ende der vergangenen Saison hat sich scheinbar wenig geändert: Auch wenn wichtige Entscheidungen noch ausstehen, so hat New England mit einer der aggressivsten Free-Agency-Perioden unter Belichick doch schon jetzt viel dafür getan, um seine Pole Position zu verteidigen.

Gilmore: 40 Millionen Gründe

Und das kam über Wege, die New England selten beschreitet. Direkt zum Start der Free Agency sorgten die Pats für einen Kracher, indem sie Stephon Gilmore - einen der beiden besten Free-Agent-Cornerbacks in diesem Jahr - nicht nur verpflichteten: Gilmore erhielt einen Fünfjahresvertrag mit Garantien in Höhe von 40 Millionen Dollar.

Die Pats lassen die erste Welle der hochpreisigen Top-Free-Agents normalerweise gerne an sich vorüberziehen, und schlagen dann später zu. Mit Schnäppchen für erfahrene Spieler, Einjahresverträgen und dergleichen. Und Gilmore kommt nicht ohne Risiko: Der Cornerback hatte in der vergangenen Saison in Buffalo seine wohl schwächste Saison, erlaubte eine Catch-Quote von 60,3 Prozent bei 15,6 Yards pro Catch.

Vor allem gingen in dem für Cornerbacks anspruchsvollen Scheme von Ex-Bills-Coach Rex Ryan zu viele gegnerische Big Plays auf das Konto des 26-Jährigen. Auf der anderen Seite hat Gilmore in den vergangenen Jahren gezeigt, dass er das Potential zum Nummer-1-Corner mitbringt. Er hat gegnerische Top-Receiver über den Platz verfolgt, hat seit 2012 zusammengerechnet 48 Interceptions und Pass-Breakups. Lediglich acht Cornerbacks haben über diesen Zeitraum mehr.

Es ist keine risikofreie Verpflichtung, das sind die Top-Deals der ersten Free-Agency-Welle selten. Die Patriots haben über die letzten Jahre je zwei Mal pro Saison gegen Gilmore gespielt, sollten ihn also einschätzen können. Trotzdem ist es überraschend, dass sie ein solches finanzielles Risiko eingehen. Immerhin investierte New England auch Geld in die eigenen Free Agents: So erhielten etwa D-Liner Alan Branch sowie Safety Duron Harmon neue Verträge, wenngleich beide zu durchaus Team-freundlichen Konditionen bleiben. Darüber hinaus kommt Ex-Ravens-D-Liner Lawrence Guy für vier Jahre und bis zu 20 Millionen Dollar.

Belichicks Vorliebe für Trades

Auffällig ist daneben vor allem die Trade-Begeisterung - wieder einmal. New England hatte seinen Kader auch im vergangenen Jahr schon munter via Trades verbessert: Guard Jonathan Cooper (Teil des Chandler-Jones-Trades) entpuppte sich dabei zwar als Niete, ansonsten waren allerdings mehrere wichtige Bestandteile des Super-Bowl-Teams dabei.

Tag 1 der Free Agency im Recap: Osweiler und Preisexplosionen

Allen voran sticht unweigerlich Martellus Bennett heraus, der aus Chicago kam und 77 Prozent der Offense-Snaps spielte. Es folgten darüber hinaus Cornerback Eric Rowe aus Philly (43 Prozent der Defense-Snaps) und Linebacker Kyle Van Noy aus Detroit (24 Prozent) sowie Browns-Linebacker Barkevious Mingo. Der entwickelte sich zwar nicht zu einer Defensiv-Stütze, spielte aber 72 Prozent der Special-Team-Snaps.

Die Bewertung der diesjährigen Patriots-Trade-Klasse steht zwar natürlich noch aus, an Versuchen aber mangelt es nicht. So kam als erstes Dwayne Allen via Trade aus Indianapolis, New England erhielt einen Sechstrunden-Draft-Pick dazu und bezahlt einen Viertrunden-Pick. Der 27-Jährige hatte den größten Cap-Hit auf seinem Vertrag 2016, also in Indianapolis. Ab jetzt (4,9 Mio., 5 Mio., 7,4 Mio.) ist er mehr als bezahlbar - und bringt die in New England so wichtige Vielfalt auf der Position mit, Allen glänzt als Blocker.

Ist es ein Upgrade zu Bennett? Nein, rein sportlich ist es eine Verschlechterung. Aber New England spart so mutmaßlich mehrere Millionen im Jahr für den Komplementär-Tight-End zu Rob Gronkowski und bekommt einen Spieler, der sich noch verbessern kann. Die 2-TE-Sets zu spielen, die Belichick mutmaßlich wieder stärker einsetzen will, erlaubt Allen den Patriots jedenfalls ohne jede Frage.

Mehr Power in der Mitte

Wirklich forsch wurden die Pats an der Trade-Front dann am Freitag: Zunächst schnappte sich New England Pass-Rusher Kony Ealy aus Carolina. Die Panthers hatten nach einigen (Neu-)Verpflichtungen ein Überangebot, die Patriots mussten für Ealy im Draft nur acht Sports runter gehen (Carolina erhält Pick Nummer 64, die Patriots neben Ealy die Nummer 72). Der Pass-Rush ist und bleibt die größte Baustelle in der Patriots-Defense, Ealy bringt zumindest viel Potential mit - das er jetzt konstanter abrufen muss.

Den spektakulärsten Trade gab es später am Abend, der seit Wochen spekulierte Wechsel von Brandin Cooks ging endlich über die Bühne. Und der kommt nicht billig: New England erhält neben Cooks den Viertrunden-Pick der Saints, bezahlt dafür aber seinen Erstrunden- und Drittrunden-Pick. Dass New England einen Erstrunden-Draft-Pick für einen Spieler tradet, ist eine absolute Ausnahme und verdeutlicht, wie auch der Gilmore-Deal, die forsche Vorgehensweise. Doch bringt Cooks Qualitäten mit, die New Englands Offense noch gefährlicher machen sollten.

5 Fragen zu Osweiler: Ein revolutionärer Trade?

Die Patriots wollen mit vielen ihrer Route-Kombinationen die Mitte des Feldes angreifen, sei es mit Rub-Routes, Shallow-Crossing-Routes, oder anderen Varianten. Die Quintessenz ist dabei die gleiche: Die Mitte der Defense soll durch verschiedene Routes auf verschiedenen Ebenen attackiert werden, um so Verteidiger zu isolieren, Platz zu schaffen und 1-gegen-1-Duelle zu kreieren. Cooks gibt New England hierfür eine Explosivität, welche die Offense in der Vorsaison so nicht hatte.

Das wird auch in einer - zugegebenermaßen etwas spezifischen - Statistik deutlich: Bei Routes mit mehreren Breaks (also mehreren geplanten Richtungswechseln) hatte laut Pro Football Focus kein Receiver auch nur ansatzweise so viele Yards pro gelaufener Route, wie Cooks (7,38). Mit Cooks, Julian Edelman, Chris Hogan, Rob Gronkowski, Malcolm Mitchell und (womöglich) Danny Amendola sowie den Backs James White und Dion Lewis verfügt New England 2017 über das wohl tiefste Receiving-Corps in der NFL.

Letztes Hurrah für Brady?

Eine Sache haben die beiden jüngsten Trade-Neuzugänge derweil gemeinsam: Ealy und Cooks sind noch für ein Jahr auf ihrem jeweiligen Rookie-Vertrag und belasten den Cap mit lediglich 903.000 (Ealy) und 1,5 Millionen Dollar (Cooks). Für den Receiver und einstigen Erstrunden-Pick gibt es sogar noch die Option auf das fünfte Vertragsjahr 2018, die New England etwa 8,5 Millionen Dollar kosten dürfte - für rund zehn Millionen könnten die Pats Cooks also für zwei Jahre halten. Einhergehen könnte die Cooks-Verpflichtung zudem mit einer Entlassung von Danny Amendola, wodurch New England rund 6,3 Millionen an Cap-Space gewinnen würde.

Es bleiben dabei noch offene Fragen. Etwa danach, ob die Patriots ihre Defensiv-Säule Dont'a Hightower zurückholen können: Der Linebacker testet seit Donnerstag seinen Markt, steht aber in konstantem Austausch mit den Patriots. Das Geld wäre da. Unklar ist auch die Situation um Cornerback Malcolm Butler, der zwar den First-Round-Tender erhalten hat, so aber nur 3,9 Millionen Dollar verdienen würde und dementsprechend mit seiner Situation unzufrieden ist. Trade-Gerüchte stehen weiterhin im Raum. Das gilt auch für Jimmy Garoppolo, bei dem die Pats aber mehr und mehr entschlossen scheinen, ihn wenigstens für 2017 zu halten.

Tag 2 der Free Agency im Recap: Chaos in Washington und der Packers-Hammer

Was danach passiert, steht ohnehin in den Sternen und das gilt ganz besonders für die Patriots: Tom Brady wird im August 40 Jahre alt. Niemand weiß, wann der Körper nicht mehr mitspielt - früher oder später wird das passieren, Peyton Manning 2015 ist das mahnende Beispiel. Und so schrumpft das schon jetzt reich geschmückte Titel-Fenster mit Brady von Jahr zu Jahr, es ist nicht auszuschließen, dass es 2018 schon geschlossen ist.

Fast erinnert die Free Agency in ihrer Aggressivität ein wenig an 2007. Damals holte New England via Trade Randy Moss (für einen Viertrunden-Pick) und Wes Welker (Zweit- und Viertrunden-Pick; neuer Vertrag über 5 Jahre und 18,1 Mio.), überwies Free-Agent-Linebacker Adalius Thomas 35 Millionen über fünf Jahre und gab Cornerback Asante Samuel den Franchise Tag. Die Patriots haben auch in diesem Jahr einige der sonst in Foxborough gewohnten Pfade verlassen. Die Kunst dabei: Die Chance auf kurzfristigen Erfolg mit Brady mit mittelfristigen Perspektiven zu verknüpfen.

Ob das mit dieser Free-Agency-Klasse gelingt, wird die Zukunft zeigen. Das Titelfenster 2017 jedenfalls wird Stand jetzt nochmals kräftig aufgestoßen.

Die NFL-Saison im Überblick

Artikel und Videos zum Thema