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Ein Schuss in den Ofen

Auch Tom Brady konnte die Probleme der Patriots in Denver nicht ausbügeln
© getty

Für die New England Patriots endet wieder einmal eine Saison in Denver, im AFC-Championship-Game zogen die Pats denkbar knapp den Kürzeren. Ein Fehlschuss von Stephen Gostkowski machte am Ende den Unterschied auf der Anzeigetafel aus. Wer die Ursachenforschung aber hier beginnt, ist auf dem Holzweg. Die Probleme lagen ganz woanders. Aber: New England wird daraus gestärkt hervorgehen - ganz wie es ihr Leitspruch vorgibt.

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Unglaubliche 523 Extra-Punkte nach dem Touchdown hatte Stephen Gostkowski in Folge verwandelt. 523! Fast überflüssig zu erwähnen, dass das längst ein NFL-Rekord war, als New England am Sonntag ins AFC-Championship-Game gegen die Broncos ging. Folgerichtig dürfte so manch ein Patriots-Fan bereits auf dem Weg zum Kühlschrank oder ins Badezimmer gewesen sein, nachdem Steven Jackson den Ball im ersten Viertel aus einem Yard über die Goal Line gehämmert hatte.

Doch die Serie riss. Gostkowski stand nicht richtig und verzog den Kick völlig, die Schuld nahm er anschließend auf sich: "Ich fühle mich furchtbar, heute habe ich viele Leute im Stich gelassen. Ich habe hunderte davon verwandelt, aber Timing ist manchmal alles. Ich hätte nie gedacht, dass ein Fehlschuss im ersten Viertel den Unterschied im Spiel ausmachen würde. Aber deswegen musst du eben immer gut spielen."

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Die einfache Rechnung: Verwandelt Gostkowski den Extra-Punkt (und verläuft der Rest des Spiels identisch), liegt New England kurz vor Schluss in der von beiden Defenses und insbesondere von beiden Front Seven dominierten Partie nur mit sieben statt mit acht Punkten zurück. Somit hätte nach dem Touchdown-Pass von Brady auf Gronkowski Sekunden vor dem Ende ein weiterer PAT gereicht. In der Realität aber klappte die 2-Point-Conversion nicht und die Broncos retteten ihren hauchdünnen Vorsprung über die Zeit.

Es wäre die vermeintlich offensichtliche, einfache Schlussfolgerung - und ein Schuss in den Ofen obendrein.

Wenn die O-Line wackelt

Das Kernproblem aus Sicht der Patriots war ein ganz anderes, was das Team bereits am Tag nach dem Spiel auch dem Letzten mit einer deutlichen Entscheidung klar machte: Offensive-Line-Coach Dave DeGuglielmo wurde am Montag nach zwei Jahren entlassen. Nachdem New England in DeGuglielmos erstem Jahr nur 21 Sacks zugelassen hatte, waren es in dieser Saison derer 38. Und nie wurde dieses Problem deutlicher als am Sonntag in Mile High.

Denver musste kaum einmal blitzen, um eine zum wiederholten Male umgebaute, völlig überforderte Offensive Line zu überrumpeln. Vier oder mitunter gar drei Spieler im Pass-Rush reichten völlig aus, um Druck zu erzeugen - 16 Quarterback-Pressures gelangen Denver ohne Blitz. Am Ende standen vier Sacks und 20 (!) QB-Hits.

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Es ist in gewisser Weise die Ideallösung gegen Brady: Gegen den Blitz ist der 38-Jährige einer der besten Quarterbacks überhaupt, weil die Defense dann weniger Spieler hat, um die vielen kurzen Passwege zuzustellen. Kann eine Defense dagegen ohne Blitz Druck erzeugen, bekommt Brady Probleme. So war es sein erstes Playoff-Spiel, indem er weniger als 50 Prozent seiner Pässe (27/57) an den Mitspieler brachte.

Do your Job!

Allerdings wäre Brady nicht Brady, wenn er sich, ganz gemäß dem Pats-Mantra ("Do your Job!"), nicht trotzdem in die Pflicht nehmen würde: "Wenn du ein Quarterback bist, wirst du Hits abbekommen. Du musst dann trotzdem deine Würfe machen. Es gibt keine Entschuldigung, warum ich das nicht geschafft habe. Die Jungs haben hart gekämpft und ich bin stolz auf sie. Letztlich hat uns gegen ein sehr gutes Team ein Play gefehlt."

In der einfachen Rechnung eine richtige Einschätzung, und Brady dürfte sich umso mehr ärgern, wenn er das Game Tape sieht: Bei jener 2-Point-Conversion war Gronkowski in der anderen Ecke der Endzone frei. Doch auch Brady weiß, dass in Denver mehr als ein Play und mehr als ein Extra-Punkt gefehlt hat.

Nicht nur in der Pass Protection, auch im Run Blocking konnte die O-Line kaum einmal einen Snap für sich entscheiden. So war Brady mit 13 Yards letztlich der beste Rusher der Pats und New England verwertete nur zwei von 15 Third Downs. Es erklärt, warum Bill Belichick sechs Minuten vor dem Ende beim Stand von 12:20 ein Fourth Down in Field-Goal-Reichweite (ohne Erfolg) ausspielte. Niemand konnte ob der dominanten Broncos-Defense zu diesem Zeitpunkt garantieren, dass New England nochmals in die Red Zone kommen würde.

"Wenn man sieht, wie viel Zeit noch übrig war, wie häufig man den Ball mutmaßlich noch bekommt und was wir machen mussten - ich habe überhaupt nicht gezögert", gab Belichick anschließend zu Protokoll. Keine Reue, keine Selbstzweifel, stattdessen der direkte Blick nach vorne: "Wir haken das ab und starten den ganzen Prozess wieder von vorne. An dem Punkt stehen wir jetzt. Natürlich sind die Emotionen vom Spiel noch da, aber es muss ja weiter gehen." Anders gesagt: Do your Job.

"Mitnichten Stephens Schuld"

New England wird, wie so oft, die richtigen Schlüsse ziehen und letztlich aus einer knappen Niederlage stärker hervorgehen. Die Rückkehr des verletzten Nate Solder hilft dabei zweifellos, auch Sebastian Vollmer muss wieder auf 100 Prozent kommen. Ein neuer Backup-Tackle dürfte eine der Baustellen sein, die Belichick in einem vergleichsweise kompletten Team jetzt angeht.

Am Ende gab es bei allem Frust auch schöne Szenen in der Pats-Kabine. Defensive Coordinator Matt Patricia umarmte seinen Kicker, mehrere Mitspieler kamen zu ihm und gaben ihm aufmunternde Worte mit. Der Tenor war klar: "Das ist mitnichten Stephens Schuld. Wir wären ohne ihn gar nicht so weit gekommen", betonte Special-Teams-Kapitän Matthew Slater.

Belichick fügte hinzu: "Steve ist ein großartiger Kicker und er hatte eine tolle Saison. Ich denke, bei uns würde sich jeder Spieler und jeder Coach wünschen, dass er einige Sachen anders gemacht hätte. Das ist mein Eindruck. In meinen Augen ist es meine Schuld und ich bin mir sicher, alle anderen Spieler denken, es wäre ihre Schuld."

Alles andere wäre auch nicht der Patriots-Stil.

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