NFL

Die ultimative Losing-Culture

Von Adrian Franke
Die Fans der Raiders haben eher selten was zu lachen
© getty

Die Konstanten in den vergangenen Jahren waren aus Raiders-Sicht zumeist nicht positiv. Schlechte Drafts, Fehler in der Free Agency und Inkonstanz auf dem Trainer-Posten haben das Team in ein Tal geworfen - alles begann mit einer Super-Bowl-Pleite. Das Debakel in St. Louis am Sonntag soll der letzte Tiefpunkt bleiben: Eine gute Draft Class und ein neuer Trainerkandidat sorgen für Hoffnung.

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Wir schreiben den 26. Januar 2003, Qualcomm Stadium in San Diego. Es war ein Super-Bowl-Drive wie aus dem Bilderbuch: Tampa Bay hatte den ersten Drive der Raiders nach der Halbzeit im Keim erstickt und marschierte anschließend über knapp acht Minuten mit 14 Plays 89 Yards das Feld runter. Aus acht Yards fand Quarterback Brad Johnson Keenan McCardell, 27:3 Tampa.

Direkt danach machten die Bucs alles klar: Oaklands Quarterback Rich Gannon warf beim zweiten Spielzug eine Interception, Defensive Back Dwight Smith trug das Ei 44 Yards zurück in die Endzone - Game Over. Am Ende stand ein 48:21 für Tampa Bay zu Buche, Gannon ließ noch zwei Pick Six folgen. Die ligaweit zweitbeste Pass-Offense konnte trotz HoF-Receiver Jerry Rice nichts ausrichten und ein Trauma war geboren.

Gannon erholte sich von der Super-Bowl-Pleite nie wirklich, Rice sowie Tim Brown gingen mit großen Schritten dem Karriereende entgegen - und Oakland verpasste es komplett, Schritt zu halten. Bis heute standen die Raiders seit jenem Abend in San Diego nicht mehr in den Playoffs und verloren von den 188 Spielen seitdem sage und schreibe 134. Das aber alles auf eine Super-Bowl-Niederlage zu schieben, wäre dann wohl doch zu einfach.

Garcia: "Es war enorm frustrierend"

Vielmehr haben schlechte Drafts sowie das Herunterwirtschaften der Gehaltspolitik, etwa mit Deals für Kerry Collins, Javon Walker (dem effektiv 21 Millionen Dollar für 15 Catches und einen Touchdown bezahlt wurden), Matt Flynn oder Matt Schaub, in Oakland über Jahre eine Losing-Culture eingeimpft.

So berichtete Quarterback Jeff Garcia, der kurz zuvor um seine Entlassung in Oakland gebeten hatte, 2009: "Wir waren an einem Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, dass die Jungs einfach nur ihren Scheck einlösen wollten und nicht wirklich daran interessiert waren, alles auf dem Platz zu geben. Das war enorm frustrierend. Um auf diesem Level mithalten zu können, muss jeder an einem Strang ziehen."

Stellvertretend dafür steht zweifellos der größte Draft-Bust, dessen Backup Garcia werden sollte: JaMarcus Russell. Russell, bis heute neben Ryan Leaf der wohl größte Draft-Bust der NFL-Geschichte, startete seine Raiders-Karriere mit einem Streik bis nach Saisonstart - weil sich beide Seiten nicht auf einen Vertrag einigen konnten. Letztlich erhielt er einen Sechsjahresvertrag über 68 Millionen Dollar, 31,5 Millionen davon garantiert.

Draft-Busts und große Investments

Doch Russell wurde dem College-Hype um seine Person nie gerecht, 2010 wurde er nach enttäuschenden Jahren entlassen. Kontinuierlich ignorierte Oakland vor Drafts Red Flags: Schon beim Combine 2007 machten Gerüchte um Russells mangelnden Einsatz und Disziplin die Runde, für die Raiders wurde es über das letzte Jahrzehnt das Rezept zum Desaster.

Jüngste Beispiele waren etwa Receiver Darrius Heyward-Bey 2009, ein enormer Reach und letztlich ein kompletter Flop, sowie Linebacker Rolando McClain, der immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kam und seine Karriere bereits zwei Mal beendete, 2010. Im Gegenzug ließen sich die Raiders in den vergangenen Jahren allein in der ersten Runde Stars wie Larry Fitzgerald, Calvin Johnson, Adrian Peterson, Marshawn Lynch oder Ben Roethlisberger durch die Lappen gehen.

Zudem investierten die Raiders in der FA oft zu viel. 2011 und 2012 hatte Oakland aufgrund der Trades für Richard Seymour und Carson Palmer keinen Erstrunden-Pick (2013 wegen Palmer auch keinen Pick in der zweiten Runde), im Gegenzug ließ Oakland vor der laufenden Saison zur Überraschung vieler Left Tackle Jared Veldheer nach Arizona ziehen. Schlechte Drafts in Kombination mit Fehlern in der Free Agency sind für gewöhnlich das Rezept für Pleiten auf dem Platz - und die Raiders bilden hier alles andere als eine Ausnahme.

Teure Fehler in der Free Agency

Womit wir wieder in der Gegenwart sind: Insgesamt 60 Millionen Dollar gab Geschäftsführer Reggie McKenzie in der vergangenen Free Agency aus, doch anstatt ein junges, talentiertes Team aufzubauen, schlug McKenzie vor allem bei anderswo aussortierten Routiniers zu.

LaMarr Woodleys extrem enttäuschende Saison ist nach einer Verletzung bereits beendet, Backup-QB Matt Schaub hat bei fünf Completions drei (!) Turnover auf dem Konto und Maurice Jones-Drew ist der Running Back des mit Abstand schwächsten Run Games der Liga. Bis zu 27 Millionen Dollar könnten die drei allein Oakland insgesamt kosten und stehen sinnbildlich für die großen Probleme.

Längst wird offen über die schwächste Offense in der Geschichte der Raiders gesprochen. Rookie-Quarterback Derek Carrs Nummer-1-Receiver ist James Jones, Oakland fehlt jegliche Explosivität sowie auch nur der Ansatz eines Run Games oder eines erkennbaren Plans in der Offensive. Coach Dennis Allen wurde nach nur vier Spielen entlassen, Interimstrainer Tony Sparano, zuvor O-Line-Coach, muss jetzt mit einem Team und einem Stab arbeiten, die er beide nicht zusammengestellt hat.

Konstanter Stillstand

Das Resultat liegt auf der Hand: Oakland entwickelt sich nicht weiter. Erfahrene Routiniers mögen für Teams, die jetzt um den Titel mitspielen, ein nettes Puzzlestück zu einem starken Team sein, wie es etwa Division-Konkurrent Denver vor der Saison demonstrierte. Die Raiders aber schlugen so einmal mehr einen falschen Weg ein. Vor Saisonbeginn stellte Oakland mit einem Durchschnittsalter von 27 Jahren das älteste Team der Liga.

Und dennoch kann das Team in der Liga individuell, von wenigen Ausnahmen abgesehen, schlicht nicht mithalten. Der einst positive Effekt des Trainerwechsels ist längst verpufft und nach guten Auftritten brach Oakland regelmäßig ein: Auf das knappe 9:16 in New England gab es die 14:38-Abreibung gegen Miami, dem 24:30 in Seattle folgte ein 17:41-Debakel gegen Denver und nach dem bislang einzigen Saisonsieg über Kansas City setzte es am vergangenen Sonntag ein 0:52 in St. Louis.

Es war der Tiefpunkt in einer katastrophalen Saison und die höchste Niederlage seit 1961. "Ich glaube nicht, dass ich etwas derartiges schon einmal erlebt habe. Ich hatte meinen Anteil an bösen Pleiten, aber ich kann mich nicht an eine Niederlage diesen Ausmaßes erinnern", erklärte ein konsternierter Justin Tuck anschließend.

"Immer wieder die gleichen Fehler"

"Im Moment reicht es einfach nicht. Wir sind an einem Punkt, an dem es um den Stolz gehen muss", gab auch Cornerback Tarrell Brown schon vor einigen Wochen zu und brachte dann die Probleme der Raiders in den letzten Jahren in einem Satz auf den Punkt: "Aber wir lernen nicht aus unseren Fehlern. Wir machen immer wieder die gleichen Fehler."

Eine Wahrheit die außerhalb des Platzes gilt, aber in dieser Saison auch auf dem Platz mehr als deutlich beobachtet werden kann. Bubble Screens und Stacked-Receiver-Sets überfordern Oaklands Defense offenbar nach wie vor und die Defensive Tackle sind defensiv eine der großen Baustellen: Nur fünf Teams lassen mehr Rushing-Yards pro Spiel zu als die Raiders und nur Atlanta hat bislang mehr Rushing-TDs kassiert.

Offensiv hatte Carr einige gute Spiele, kann fast ohne jegliche Hilfe aber das Team nicht tragen. "Er weiß um seine Rolle als Leader, und dass er deshalb nicht zu frustriert sein kann. Er muss die Jungs motivieren, aber es tut Derek weh. In seinem Kopf geht er alles nochmal durch", berichtete Offensive Coordinator Greg Olson jüngst: "Er vertraut darauf, dass ihm sein Glauben durch diese schweren Zeiten bringt. Aber es tut ihm weh."

Rückkehr nach Los Angeles?

In einer Saison gepflastert mit Rückschlägen, Enttäuschungen und einem defensiv anfälligen sowie offensiv komplett harmlosen Team gingen die Rookies wahrlich durch eine Feuertaufe. Aber was birgt die Zukunft für die Raiders? Niemand zweifelt daran, dass Oakland im kommenden Mai den ersten Draftpick haben wird. Ein Trade nach unten, um sich mehrere hohe Picks zu sichern, könnte der richtige Weg sein, um den Verjüngungsprozess endlich voranzutreiben.

Dass dieser allerdings noch in Oakland stattfinden wird darf zumindest bezweifelt werden. Die Raiders waren in der Vorsaison (80 Prozent) und sind auch aktuell (85 Prozent) das NFL-Team mit der niedrigsten Stadion-Auslastung bei Heimspielen. Verhandlungen des Teams, dessen Vertrag mit dem Coliseum in Oakland nach der Saison ausläuft, über einen Umzug laufen bereits mit San Antonio sowie mit Los Angeles, der früheren Heimat der Raiders.

Eric Garcetti, Bürgermeister von L.A., bestätigte vor einigen Wochen, dass es sehr wahrscheinlich sei, im kommenden Jahr wieder ein NFL-Team in der Millionenmetropole begrüßen zu dürfen. Die Anschutz Entertainment Group hat bereits einen Deal mit der Stadt, wonach sie sich zum Bau eines Stadions in Downtown L.A. verpflichtet, falls eine Franchise zum Umzug nach Los Angeles bewogen werden kann.

Bringt Harbaugh die Wende?

Darüber hinaus könnte der Neuaufbau von einem Star-Coach vorangetrieben werden: Mehrere Medien bringen seit einigen Wochen 49ers-Coach Jim Harbaugh, der in San Francisco wegen interner Streitigkeiten keine Zukunft haben soll, intensiv mit den Raiders in Verbindung. Angeblich soll er schon länger mit einer Rückkehr nach Oakland liebäugeln, wo er 2002 und 2003 bereits als Quarterback-Trainer gearbeitet hatte.

"ESPN"-Reporter Adam Schefter berichtete Ende November sogar, dass die Raiders mittlerweile sogar schon der Favorit auf einen möglichen Harbaugh-Trade (sein Vertrag in San Francisco läuft noch bis Ende der kommenden Saison) sein soll. Immerhin führte Harbaugh die 49ers nach jahrelanger Playoff-Durststrecke in bislang jeder Saison mindestens ins NFC-Championship-Game.

Und so ist auch sportlich noch ist nicht alle Hoffnung verloren. Mit Khalil Mack, Carr und Gabe Jackson könnte McKenzie den besten Draft der jüngeren Raiders-Geschichte hingelegt haben und er hätte Stand jetzt mit 54,8 Millionen Dollar (!) den mit Abstand höchsten Cap-Space aller Teams für die kommende Free Agency. Für Oakland gilt es also jetzt, aus den eigenen Mustern der Vergangenheit auszubrechen - dann gibt es vielleicht auch irgendwann einmal wieder die Chance, das eigene Trauma endgültig zu beseitigen.

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