NBA

Die verzweifelte Suche nach Anerkennung

Von Philipp Dornhegge
Rudy Fernandez soll die Mavericks in punkto Schnelligkeit und Athletik nach vorne bringen
© Getty

Vor seinem NBA-Debüt wurde Rudy Fernandez als neuer Manu Ginobili gefeiert. Drei Jahre später gilt er als gescheitertes Talent. Der Trade von Portland nach Dallas soll nun einen Neuanfang markieren.

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"Ich bin stolz, dass die beste Mannschaft der NBA mich haben will. Ich liebe die Stadt, das Klima in Texas und die Fans der Mavs."

Was klingt wie die Antrittsrede eines frisch gedrafteten Rookies, der vor Freude die ganze Welt umarmen könnte - unmittelbar nach dem Draft wäre das auch nur allzu passend -, sind tatsächlich die Worte eines erfahrenen Profis.

Eines abgezockten Spaniers, eines Athleten, der 2008 im Finale der Olympischen Spiele noch über Orlando-Magic-Center Dwight Howard dunkte und der längst weiß, wie es sich anfühlt, ein Star zu sein.

Dennoch ist es kaum überraschend, dass dieses Zitat, das Rudy Fernandez kurz nach dem Trade, der ihn von den Portland Trail Blazers zu den Dallas Mavericks brachte, per "Twitter" in die Welt setzte, nur so vor Freude und Erleichterung strotzt.

Als neuer Ginobili gehypt

Denn wer weiß, was der Shooting Guard die letzten Jahre in Portland in sportlicher Hinsicht erlebt hat, der kann erahnen, wie froh er nun über einen Wechsel ist.

Dabei hatte die NBA-Karriere durchaus viel versprechend angefangen: Schon 2007 wurde er von den Phoenix Suns mit dem 24. Pick im Draft gewählt, die die Rechte an ihm dann nach Portland tradeten.

In Europa war er in dieser Zeit zum Europe Young Player of the Year (2006) und zum Euroleague Rising Star (2007) gewählt worden. Ein Jahr später war er im angesprochenen Olympia-Finale mit 22 Punkten bester Spieler auf dem Parkett und stellte trotz Spaniens Niederlage selbst einen Kobe Bryant in den Schatten.

Es war die Coming-Out-Party für Fernandez, seine spektakuläre und kreative Spielweise verleitete den einen oder anderen Experten sogar dazu, von einem zweiten Manu Ginobili zu schwärmen. Mit 10,4 Punkten in seiner Debütsaison 2008/2009 für Portland erzielte er tatsächlich sogar mehr Zähler im Schnitt als der Argentinier, als dieser 2002 zu den Spurs kam (7,2 Punkte).

25.000 Dollar Strafe für Trade-Forderung

Doch schon in dieser ersten Spielzeit hatte Fernandez das Gefühl, dass er nicht die Chance bekommt, zu zeigen, was er wirklich draufhat. Er spielte zwar 25 Minuten im Schnitt, stand aber klar im Schatten von All-Star Brandon Roy, der zu allem Überfluss auf der gleichen Position spielt. "Im Moment habe ich keine Ahnung, was eigentlich meine Rolle im Team sein soll", beklagte sich Fernandez in der Sommerpause.

In den kommenden beiden Spielzeiten wurde Fernandez' Unzufriedenheit immer größer. Suchte er das Gespräch mit der Vereinsführung, bekam er immer wieder zu hören, dass er ein wichtiger Bestandteil des Teams sei - nicht mehr und nicht weniger.

Auch Roys ständige Verletzungen halfen Fernandez nicht weiter. Im Sommer 2010 drohte die Situation zu eskalieren, als sich der Spanier weigerte, zu den Trail Blazers zurück zu kehren. Er verlangte öffentlich nach einem Trade, andernfalls würde er in Europa bleiben.

Für eine gewisse Zeit ging er nicht einmal ans Telefon, wenn ihn sein Coach Nate McMillan anrief. Die Liga belegte Fernandez für seine öffentliche Forderung mit einer 25.000-Dollar-Strafe. Immerhin: Am Ende der Offseason kam Fernandez doch nach Portland zurück, eine Aussprache glättete die Wogen.

Katastrophale Playoffs 2011

Fernandez' Unzufriedenheit jedoch blieb, zumal ihm Manager Rich Cho mit der Verpflichtung von Wesley Matthews sogar einen weiteren hochwertigen Flügelspieler vor die Nase setzte. Nach ordentlichem Start in die Spielzeit baute Fernandez immer mehr ab, wirkte lustlos und ohne Selbstvertrauen.

In den Playoffs gegen Dallas war er schließlich nur noch ein Schatten seiner selbst. Er kam nur noch auf 13 Minuten Spielzeit, in denen er 2,8 Punkte bei einer Quote von 22 Prozent erzielte - indiskutabel. Fernandez war am sportlichen Tiefpunkt angekommen und wollte einfach nur noch weg.

Weg aus Portland, vielleicht sogar weg aus der NBA - und zurück nach Europa. Dort ist er nach wie vor ein Superstar, wann immer er mit dem spanischen Nationalteam mal wieder einen überforderten Gegner auseinandernimmt.

Europa-Rückkehr a la Navarro abgehakt

Für Juan Carlos Navarro etwa, der nach einem kurzen aber durchaus erfolgreichen Engagement bei den Memphis Grizzlies zum FC Barcelona ging, war die Rückkehr nach Europa genau der richtige Schritt. Navarro hatte das Gefühl, seine Qualitäten dort besser einbringen zu können.

Bei Fernandez ist die Lage etwas anders: Das Spiel des 26-Jährigen ist für die NBA gemacht, vereint er doch Kaltschnäuzigkeit aus der Distanz mit unglaublicher Athletik und starkem Zug zum Korb. Sein Flair und seine Kreativität machen ihn sogar zu einem potenziellen Publikumsliebling.

Dennoch bekamen immer andere den Vorzug, die Anerkennung des Trainers blieb ihm wieder und wieder verwehrt. Bei den Mavs soll nun alles anders werden.

Dabei kann es sicher nicht schaden, dass der Spanier jetzt dort lebt, wo die meiste Zeit die Sonne scheint, und dass er mit Dirk Nowitzki, Jason Kidd und Co. Teamkollegen bekommt, die erstens das Gefühl zu gewinnen kennen, und die zweitens genau wissen, wie wichtig eine gute Teamchemie ist.

Nowitzki freut sich auf Fernandez

"Er hatte sicher eine schwere Zeit in Portland", erklärte Nowitzki kurz nach der Verpflichtung. "Aber wir haben ein Team mit guten Leadern, die es allen anderen Spielern leichter machen. Rudy passt super bei uns rein."

Fernandez wird sich, das kann man jetzt schon mit großer Sicherheit sagen, bei den Mavericks wohlfühlen. Und dass Besitzer Mark Cuban und Manager Donnie Nelson den Trade nicht aus reiner Gutherzigkeit durchgezogen haben, versteht sich von selbst.

Sie hatten gute Gründe, sich den Spanier zu sichern. Finanziell etwa ging man kein Risiko ein: Fernandez geht ins letzte Jahr seines Rookie-Vertrags und verdient für NBA-Verhältnisse läppische 2,1 Millionen Dollar.

Personell hatte Dallas das Gefühl, dass es einen Spieler braucht, der dem Team sofort weiterhelfen kann. Fernandez ist mit seinen 26 Jahren immer noch jung, schnell und athletisch. Aufgrund seiner internationalen Erfahrung und nachgewiesenen Klasse ist er zudem ein deutliches Kader-Upgrade.

Überangebot an Guards

"Wir hatten ihn schon eine ganze Weile im Auge, und jetzt war einfach der richtige Zeitpunkt für einen Deal gekommen", so Nelson.

Ein Rookie dagegen wäre eher ein Langzeitprojekt gewesen, wie die Beispiele Roddy Beaubois und Dominique Jones zeigen. Zumal die Mavs nicht das Gefühl hatten, mit ihren Picks 26 und 57 für viel Furore sorgen zu können.

Gleichzeitig ist Fernandez eine Absicherung für den Fall, dass man einen oder mehrere seiner Free Agents verliert. J.J. Barea, Caron Butler und DeShawn Stevenson sollen allesamt gehalten werden, doch wahrscheinlich werden sie anderswo mehr Geld verdienen können: "Sie alle waren wichtige Bestandteile der Meistermannschaft. Na klar sollen sie bleiben", stellte Nelson klar, sagte aber auch: "Wir müssen abwarten, was machbar ist."

Fernandez wäre mit seinem Gardemaß von 1,98 Meter prädestiniert für die über weite Strecken von Stevenson bekleidete Starterposition auf der Zwei, und wer zwischen den Zeilen liest, merkt schnell, dass er in Dallas genau für diese Rolle eingeplant ist.

Fernandez: SG-Starter und Backup-SF?

Allerdings weiß jeder, dass Jason Terry auf eben dieser Position rund 30 Minuten pro Spiel bekommt. Fernandez müsste also gleichzeitig auch als Small-Forward-Backup fungieren, um auf genügend Spielzeit zu kommen.

Dass er das kann, hat er in Portland phasenweise gezeigt. Und ob er nun die Zwei oder die Drei bekleidet, wird Fernandez herzlich egal sein. Denn am Ende des Tages will er nur eins: spielen.

Geben die Mavs ihrem Neuzugang genug Minuten, wird aus Fernandez vielleicht doch noch ein Ginobili light. Kaum jemand bezweifelt, dass er das Potenzial für etwa 18 Punkte im Schnitt hat.

Wenn Fernandez aber auch in Dallas nicht auf dem Feld steht, dann ist er im Sommer 2012 wieder genauso unglücklich wie 2009, 2010 und 2011. Und dann dürfte seine NBA-Karriere beendet sein.

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