NBA

"Er wird der beste Verteidiger aller Zeiten": Das Alien Victor Wembanyama ist längst gelandet

Von Robert Arndt
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© getty

Victor Wembanyama eilt in seiner Rookie-Saison von Meilenstein zu Meilenstein. Sein Team, die San Antonio Spurs, verlieren zwar weiter, doch es ist deutlich, dass Wembanyama so gut ist, dass sich die Spurs unter Coach Gregg Popovich bald neue Ziele setzen müssen.

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Seit der Stats-Inflation hat sich der Begriff "historisch" gewissermaßen abgenutzt, zu oft geschehen diese "historischen" Dinge, teilweise mehrere in einer Nacht oder in kurzen Abständen. Bei Victor Wembanyama verhält es sich nicht anders, zuletzt nahm auch beim Franzosen die Taktung deutlich zu.

Das zweitschnellste Triple-Doubleder NBA-Geschichte, das erste Block-Triple-Double seit mehr als drei Jahren oder zuletzt das erste 5x5-Spiel seit Jusuf Nurkic im Jahr 2019. Innerhalb weniger Wochen verewigte sich Wemby auf diversen Seiten der Geschichtsbücher der NBA. Das Problem dabei: Die Spurs gewannen trotz all dieser Meilensteine kaum ein Spiel, San Antonio ist mit nur elf Siegen abgeschlagen Letzter im Westen, so ist es nur logisch, dass es Zweifler gibt.

Wembanyama spielt für den Moment kaum relevanten Basketball, das ist ein Umstand, für den der inzwischen 20-Jährige nichts kann. Im Rennen um den Rookie of the Year könnte ihn das den Award kosten, weil es mit Chet Holmgren eine verdammt gute Alternative gibt und der beim besten Team der Western Conference der dritt- oder womöglich sogar zweitbeste Spieler der Mannschaft ist.

Holmgren vs. Wembanyama - das ist eine Rivalität, die uns hoffentlich noch lange begleiten wird. Die ersten NBA-Duelle (beide trafen bereits im Finale der U19-WM aufeinander) machten durchaus Lust auf mehr, auch wenn OKC diese Partien recht eindeutig für sich entschied.

Hier liegt aber die Crux mit Wembanyama. Sein Team verliert (meistens) und doch ist sein Talent und Impact nicht zu übersehen. Vor allem seit dem Kalenderwechsel spielt Wemby nicht nur eine gute Rookie-Saison, sondern eine Spielzeit, mit der er sich auch vor diversen All-Stars nicht verstecken muss.

Victor Wembanyama: Seine Stats vor und nach dem 1. Januar 2024

/SpieleMINPTSFG%3P%REBASTBLK
vor 1.1.2829,518,944,229,010,33,03,1
nach 1.1.2527,522,549,034,610,03,73,5
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© getty

Victor Wembanyama. Schon jetzt ein Top-10-Verteidiger

Diese nackten Zahlen selbst verraten gar nicht mal so viel, denn Wembys Impact ist insbesondere defensiv massiv. Im Kalenderjahr haben die Spurs trotz einer Bilanz von 6-21 ein Defensiv-Rating von 115,7, was Platz 16 in der NBA darstellt. Filtern wir aber die Minuten ohne Wembanyama heraus, sind es sogar nur noch 110,1 Punkte. Das wäre Rang drei ligaweit!

Wie wir schon vor dem Draft vermuteten, ist es vor allem Wembys Defense, die ihn zu Beginn seiner Karriere zu einem guten Rookie machen würde. Und so ist das auch. Zahlreiche Metriken sehen im Franzosen einen Top-10-Verteidiger (Platz sechs bei EPM, Platz sechs bei Defensive Box Plus-Minus von bkref.com), am Ring treffen die Gegenspieler gerade einmal 53 Prozent, was ebenfalls einen Top-10-Wert darstellt.

Doch Wemby ist nicht nur ein Shotblocker, auch wenn er derzeit vermutlich der Beste in der Liga ist. Mit 3,3 Blocks pro Partie führt er die NBA deutlich an, dazu ist er der einzige Center, der auch bei den Steals unter den besten 25 Spielern zu finden ist. In Sachen Block Percentage wird Wemby (9,8) nur von Walker Kessler (10,3) überboten, historisch gesehen gibt es nur drei Spielzeiten von 2,31-Meter-Mann Manute Bol, in denen der diese Zahlen übertraf.

Gewissermaßen ist das logisch. Durch die Dreier-Revolution werden weniger Würfe geblockt, weil es weniger Abschlüsse in Korbnähe gibt. Dazu sind die Steals-Zahlen ebenfalls im Keller, weil durch mehr Spacing mehr Platz zur Verfügung steht und damit die Fehleranfälligkeit sinkt.

Wenn ein Wembanyama nun als erster Spieler seit Michael Jordanin aufeinanderfolgenden Spielen je 5 Steals und 5 Blocks einsammeln kann, dann ist das einfach nur surreal und kaum ein Produkt der Stats-Inflation, auch wenn zumindest die drei, vier mehr Ballbesitze helfen. Stattdessen ist es ein Beleg dafür, zu was Wembanyama alles im Stande ist, obwohl er als Rookie-Big noch die Nuancen des Spiels lernen muss.

"Er ist noch in der Phase, in der er die Spieler kennenlernen muss, die er verteidigt. Er kennt diese Typen einfach noch nicht", meinte zum Beispiel Spurs-Coach Gregg Popovich. "Damit will ich aber nicht sagen, dass er unvorbereitet ist. Man kann noch so viel Film schauen, aber auf dem Feld ist es dann komplett anders."

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© getty

Victor Wembanyama: Auf die Länge kommt es an

Dafür schlägt sich Wemby erstaunlich gut. Gerade im Pick'n'Roll ist er als Verteidiger schon jetzt schwer zu schlagen. Eine Spannweite von 2,43 Meter macht es möglich. Man schaue nur, wie er Trae Young, einem der besten PnR-Guards der NBA, jegliche Optionen wegnimmt. Der präferierte Floater ist für den Hawks-Guard nicht da, stattdessen fischt Wemby im Rückwärtslaufen den Lob-Versuch mal eben aus der Luft (und ist schnell genug, um einen weiteren Versuch von Young zu blocken).

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© nba.com/stats

Es ist ein Paradebeispiel der Mischung aus gottgegebenen Attributen (Länge) sowie harter Arbeit (eine starke Fußarbeit). Und die Spurs haben inzwischen auch verstanden, dass Wembanyama auf der Fünf deutlich besser aufgehoben ist. Defensiv ist er so ständig in die Aktionen verwickelt, da eben das Pick'n'Roll zwischen Guard und Center das gängigste Play ist. Doch selbst wenn der Gegner es nicht läuft, ist Wemby weiter in Korbnähe, um die Passwege zu spielen, Cuts zu verhindern, Drives zu verteidigen und auch alle anderen defensiven Lücken zu schließen.

Davon gibt es genug. Außer Wemby darf man lediglich Jeremy Sochan und Tre Jones als solide bis gute Verteidiger bezeichnen, vor allem die anderen Guards sind in dieser Hinsicht furchtbar, doch Wembanyama kann vieles davon kaschieren. Es ist also nicht abwegig, dass Wemby als erster Rookie seit Tim Duncan ein All-Defensive-Team erreicht, auch weil die Positionen in diesem Jahr keine Rolle mehr spielen.

Was zudem heraussticht: Wembanyama foult für einen Rookie-Big erstaunlich selten. Das liegt am guten Positionsspiel und daran, dass Wemby nach den ersten Wochen gelernt hat, dass er kaum springen muss, um einen Gegner bei dessen Wurf zu beeinträchtigen. Hier ein Beispiel aus dem Kings-Spiel, als Domantas Sabonis mehrere Moves aneinanderreihte, um letztlich doch gnadenlos abgeräumt zu werden.

So sind es in 28 Minuten gerade einmal 2,1 Fouls pro Spiel. Das ist ein unfassbarer Wert für einen Center, der so viele Würfe verteidigen muss und darüber hinaus eben auch in schöner Regelmäßigkeit 5 Blocks verbucht. Für den Award des Defensive Player of the Year wird das nicht reichen (dafür hat Rudy Gobert zu gute Argumente), doch bei Wemby ist es letztlich nur eine Frage der Zeit.

Das sehen auch innerhalb der NBA viele ähnlich: "Ich habe aus einem Front Office gehört, dass er mal der beste Verteidiger aller Zeiten sein wird", berichtete Tim MacMahon (ESPN) in einem Podcast. Schenkt man dieser Grafik Glauben, dann ist das durchaus im Bereich des Möglichen.

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© getty

Victor Wembanyama: Mehr Alien denn Einhorn

Das ist die eine Seite des Feldes, hier ist Wemby elitär - und auch offensiv macht der Franzose Fortschritte, auch wenn er sein Potenzial weiter nicht richtig anzapft. Gewissermaßen erinnert es ein wenig an Joel Embiids Rookie-Saison, als der derzeitige MVP nach zweieinhalb Jahren Pause machen durfte, was er wollte. In nur 31 Spielen verbuchte Embiid eine Usage Rate von 36 Prozent - noch heute ist das ein Rookie-Rekord. Embiid hatte damals für ein ebenfalls schwaches Sixers-Team (28-54, -6,6 NET) ein Net-Rating von +3,5.

Wemby steht bei "nur" 32 Prozent Usage, aber auch er hat im Prinzip alle Freiräume, die er haben möchte, wenn er denn den Ball bekommt. Das ist noch ein Problem in San Antonio, da außer Jones niemand eine NBA-Offense laufen kann. Es gibt auch Argumente dafür, dass Wembanyama möglicherweise der beste Passgeber der Texaner ist. Es wird ohnehin unterschätzt, wie gut die Übersicht des Franzosen schon ist. Das ist das eine, aber auch die Ausführung ist teilweise schon richtig stark.

Vor allem die Bodenpässe stechen hervor. Wir reden hier über einen 2,24-Meter-Mann, der solche Pässe mit Leichtigkeit und schöner Regelmäßigkeit aus dem Handgelenk schüttelt.

Je besser die Spurs werden, desto mehr wird Wemby Double Teams sehen. Umso besser, dass Wembanyama schon jetzt zeigt, dass er in der Lage ist, die richtigen Plays zu machen. Seit er auf der Center-Position spielt, bekommt Wemby auch mehr Abschlüsse am Korb, hier lässt er es mit schöner Regelmäßigkeit ordentlich krachen.

Das sind die Basics, auf die Wemby immer wieder zurückgreifen kann und die ihn auch so zu einem guten Offensiv-Spieler machen. Sein Ballhandling sowie sein Touch sind schließlich die Kirsche auf der Torte. Klar, es gibt noch zu viele Turnover und teils unnötige Würfe, doch wenn sich Wembanyama nicht in dieser Saison ausprobieren kann, wann dann?

Wembanyama deutet Abend für Abend Dinge an, die riesige Menschen wie er nicht machen sollten, sei es ein "Shammgod" wie gegen Mentor Gobert oder dieser Finger-Roll-Dunk gegen Boston, der für 99,99 Prozent aller NBA-Spieler ein Korbleger gewesen wäre.

Victor Wembanyama: Auch LeBron James schwärmt

Die Anzeichen sind alle da, sodass es keine Rolle spielt, dass die Spurs offensiv derzeit sogar besser ohne Wemby auf dem Feld sind. Sein Spiel wird mit den Jahren seriöser, reifer und auch effizienter werden. Für die großen Stars des Spiels ist ohnehin klar, dass Wembanyama eher früher als später die Zukunft gehören wird.

"Jeder war in den vergangenen Jahren ein Einhorn, aber er ist eher ein Alien", meinte LeBron James nach einem Spiel gegen die Spurs im Dezember. "Er kann offensiv einfach alles und ist ohne Zweifel ein Jahrhunderttalent." Und als Wemby dann gegen die Lakers vor einigen Tagen sein erstes 5x5-Spiel verbuchte, wurde LeBron noch einmal deutlicher: "Für ihn gibt es keine Grenzen. Er kann in seiner Karriere alles erreichen, was er möchte."

Noch sind die Spurs im Keller des Westens, doch die Texaner haben alle Tools, um ihr Team schon recht bald adäquat um Wembanyama aufzupimpen. Es wäre der logische Schritt, denn Wembanyama ist bereit zu Größerem und niemand sollte sich wundern, wenn die Spurs in nur kurzer Zeit wieder ein ernstzunehmendes Playoff-Team sind. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, aber Wemby ist der ultimative Turbo-Knopf für einen Rebuild.

Victor Wembanyama: Alle 5x5-Spiele in der NBA seit 2000

Spieler (Team)DatumGegnerPTSREBASTSTLBLK
Jamaal Tinsley (Pacers)16.11.2001Wolves1291565
Andrei Kirilenko (Jazz)3.12.2003Rockets195785
Andrei Kirilenko (Jazz)10.12.2003Knicks1012665
Marcus Camby (Nuggets)9.1.2004Jazz811558
Andrei Kirilenko (Jazz)3.1.2006Lakers148967
Nicolas Batum (Blazers)16.12.2012Hornets1151055
Draymond Green (Warriors)11.12.2015Celtics2411855
Anthony Davis (Pelicans)21.11.2018Sixers1216655
Jusuf Nurkic (Blazers)1.1.2019Kings2423755
Victor Wembanyama (Spurs)23.2.2024Lakers2710855