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NBA - Die Startschwierigkeiten der Brooklyn Nets und Ben Simmons: Motor ohne PS

Ben Simmons konnte bei den Nets bisher noch nicht überzeugen.
© getty

Der Saisonstart der Brooklyn Nets verlief durchwachsen, von Euphorie fehlt nicht allein aufgrund des turbulenten Sommers jede Spur. Hoffnungsträger Ben Simmons ist nach 18 Monaten Pause noch lange nicht in Brooklyn angekommen, doch das ist nicht das einzige Problem.

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Es passt überhaupt nicht zum Image einer Glitzer-Franchise, was die New York Post vor wenigen Tagen berichtete. Die Nets würden sich selbst gerne zur Elite der Association zählen, vielleicht sogar am stadtinternen Thron des Lokalrivalen aus Manhattan sägen, nicht nur sportlich, sondern auch auf Business-Ebene. Die Realität sieht anders aus.

Abgeschlagen auf dem letzten Platz liege Brooklyn in Sachen Dauerkartenverkäufe, will die Post aus vertraulichen Liga-Reportings erfahren haben. Im Vergleich zur Vorsaison, als Besitzer Joe Tsai aufgrund des teuren Kaders bereits herbe finanzielle Verluste hinnehmen musste (angeblich zwischen 50 und 100 Millionen Dollar), sei die Nachfrage um 30 Prozent abgestürzt.

Der Grund: Signifikante Preiserhöhungen einerseits - für manche Plätze sogar um bis zu 50 Prozent -, das Drama um die Zukunft von Kevin Durant und Kyrie Irving andererseits. Zwar versuchten Teamverantwortliche, die Zahlen mit dem Verweis auf die vielen Verkäufe an der Tageskasse herunterzuspielen, und tatsächlich waren die ersten beiden Heimspiele ausverkauft.

Dennoch ist offensichtlich: Euphorie ist unter den (eigentlich) Treuesten der Nets-Anhänger Mangelware. Wer mag es ihnen nach diesem Sommer auch verübeln? Die erste Saisonwoche hat auch nicht zu einem Euphorieschub beigetragen, stattdessen stottert der Motor gewaltig, vor allem bei Ben Simmons. Wo liegen aktuell die Probleme der Nets?

Ben Simmons im Nets-Trikot: Fast so viele Fouls wie Punkte

Schlimmer hätte die Saison eigentlich nicht starten können als mit dem 108:130-Debakel vor eigenem Publikum gegen die Pelicans vergangene Woche. Aus einer Achterbahnfahrt gegen Toronto ging Brooklyn immerhin als Sieger hervor, bevor das Offensiv-Spektakel gegen Memphis verloren ging. Drei Spiele, zwei Niederlagen. Trotz Kevin Durant und Kyrie Irving.

74 Punkte des Star-Duos reichten gegen die Grizzlies nicht, doch darum kümmerte sich nach dem Spiel kaum jemand. Vielmehr lag das Scheinwerferlicht auf Simmons. Dessen Bilanz nach drei Partien im Nets-Jersey ist ernüchternd. In 84 Minuten warf er nur 13-mal auf den Korb und generierte daraus 17 Zähler. Auf der anderen Seite stehen bereits 14 Fouls, 11 Turnover (bei immerhin 21 Assists) sowie eine Freiwurfquote von 43 Prozent (3/7).

In zwei der drei Spielen foulte Simmons aus, vor allem in Memphis war es fast schon tölpelhaft, wie der Mann mit der Nummer 10 sich von Morant narren ließ - auch wenn gerade das sechste Foul umstritten war. Oder "Bullshit", wie Simmons befand. Morant berief sich dagegen auf eine kluge List. Er habe gewusst, wie sich Simmons in einer ähnlichen Situation vor ein paar Jahren verhalten habe, und ihn nun einfach ausgetrickst.

So oder so, einen guten Eindruck hinterließ Simmons nicht. "Ich denke, der Rost spielt eine große Rolle", wiederholte Head Coach Steve Nash nach dem Grizzlies-Spiel Worte, die er auch schon vergangene Woche zur Beurteilung von Simmons' Leistung nutzte. "Er hat im Prinzip seit 18 Monaten keinen Basketball gespielt. Er muss erst noch sein Spiel wiederfinden, sein Selbstvertrauen."

NBA: Die Statistiken von Ben Simmons im Nets-Trikot

MinutenPunkteFGFTReboundsAssistsStealsTurnoverFouls
vs. Pelicans2342/30/255036
vs. Raptors3263/50/0108032
@ Grizzlies2872/53/538156

Brooklyn Nets mit Ben Simmons: Alarmierende Zahlen

Gleichzeitig nahm Nash seinen quasi-Neuzugang in die Pflicht, forderte erneut ein aggressiveres Auftreten in der Offensive. Das Toronto-Spiel zum Beispiel sei da schon "ein Schritt nach vorne" gewesen. "Jedes Mal, wenn er in die Zone kommt, verursacht er Probleme." Das ist bislang allerdings viel zu selten der Fall.

Es ist frappierend und wenig überraschend zugleich, wie sehr die gegnerischen Defenses den Australier ignorieren, wohlwissend, dass er kaum den eigenen Abschluss sucht. Teils wirkt Simmons wie ein Fremdkörper. Er vermeidet Kontakt, schreckt vor Drives zurück, lässt Layups für Pässe nach draußen liegen. Ist die fehlende Aggressivität eine Nachwehe seiner Rückenverletzung oder der mentalen Probleme? Das ist nur Spekulation, aber all das sind Indikatoren, dass er nicht gefoult werden möchte - nie ein gutes Zeichen.

"Ich muss Druck machen. Ich muss aggressiver spielen, bestimmter", gab Simmons zu. In seinen bisherigen 84 Minuten auf dem Court steht Brooklyn bei -45, dabei hilft allerdings nicht, dass er oft gemeinsam mit Nic Claxton auf dem Feld steht. Die zwei Non-Shooter machen es gegnerischen Verteidigungen relativ leicht. Das Lineup mit Irving, KD, Royce O'Neale sowie Simmons und Claxton bekommt von Coach Nash mit großem Abstand die meisten Minuten - und steht bei einem Net-Rating von -30,4, wohlgemerkt in einer bislang sehr geringen Stichprobe.

Die Anlaufschwierigkeiten sind offensichtlich, dabei zeigte Brooklyn bereits in Ansätzen, wie es funktionieren kann. Beispielsweise hier beim Drive-and-Kick von Simmons zum freistehenden KD gegen Toronto. In dieser Szene gegen New Orleans agierte Simmons als Screener und steckte dann gegen die kollabierende Defense mustergültig auf Claxton im Dunker-Spot durch.

Ein Positivbeispiel, wie Simmons als Screener und Claxton im Dunker-Spot Gefahr ausstrahlen können.
© nba.com/stats
Ein Positivbeispiel, wie Simmons als Screener und Claxton im Dunker-Spot Gefahr ausstrahlen können.

Brooklyn Nets: Interne Lösung für die Offense?

Claxton lieferte bislang im Übrigen starke Auftritte ab, überzeugte teils auch mit dem Ball in der Hand. Die Offensive sollte für Brooklyn zudem einfacher werden, wenn Seth Curry und T.J. Warren ihre Comebacks feiern und damit dem Shooting (aktuell 33 Prozent Dreierquote, Platz 22) ein Upgrade verpassen. Bei Curry könnte es nach seiner Knöchel-OP im Sommer wohl gegen Ende der Woche soweit sein.

Ob dann auch öfters Lineups mit Simmons als nominellem Center mit vier Shootern um ihn herum auflaufen werden, bleibt abzuwarten. Bislang war das kaum der Fall, weil sich dadurch andere Probleme ergeben, vor allem beim Thema Rebounding. Dass die Arbeit an den Brettern, auch bedingt durch die fehlende Tiefe auf der Fünf und fehlende Physis im restlichen Kader, keine Stärke ist, wurde bereits beim Auftakt gegen die Pelicans deutlich.

NOLA entschied das Rebounding-Duell mit 61:39 für sich, darunter 21 Offensiv-Rebounds. Womöglich sollte sich Brooklyn im Free-Agency-Teich nochmal unter den Centern umschauen. Insbesondere Zion Williamson machte in der Zone, was er wollte, Simmons war in diesem Matchup chancenlos. Der ehemalige Runner-Up im Rennen um den Award des besten Verteidigers ist auch an diesem Ende des Courts noch nicht in Brooklyn angekommen.

Memphis schenkte den Nets 39 Zähler im ersten und 45 im dritten Viertel ein, was Simmons unter anderem an der fehlerhaften Abstimmung festmachte. Durant sah sein Team in der Defense "in Panik" verfallen. Die Nets werden in dieser Zusammenstellung nie ein elitäres Defensiv-Team werden, die Hoffnung ist, dass Simmons zumindest einen Teil davon auffangen kann. Es wird aber noch Zeit benötigen, bis alle Zahnrädchen ineinandergreifen.

Ben Simmons bei den Nets: Motor ohne PS

Das gilt für die Verteidigung genauso wie für den Angriff. "Wir müssen uns anpassen, denn Ben kann so viel machen. Er kann den Ballvortrag übernehmen, Screens setzen, am Perimeter verteidigen. Man muss sich auch als Mitspieler noch aneinander gewöhnen", sagte Durant zuletzt seinem Podcast The ETCs.

KD berichtete von einem Vorfall im Training, als er von Simmons in Transition einen Pass an den Kopf bekam - er hatte einfach nicht mit dem Anspiel gerechnet. An diesen Stellschrauben gilt es als Team zu feilen. Der in die Kritik geratene Coach Nash muss zudem beweisen, dass er ein funktionierendes System mit seiner neuen Big Three aufbauen kann. Und nicht zuletzt muss sich Simmons gewaltig steigern.

Wie wichtig dies für die Nets ist, lässt sich an den Aussagen von Nash ablesen. Simmons sei der "Motor" des Teams, er müsse defensiv Druck aufbauen, in Transition aufs Gaspedal drücken und im Halbfeld mit seinen Attacken in die Zone Freiräume für die Kollegen schaffen. In der Theorie liest sich das vielversprechend. In der Praxis sind die Nets dank Durant und Irving ein gefährliches Team, doch für den Schritt zum Titelanwärter brauchen sie Simmons.

Zur Wahrheit gehört auch, dass es der Spielplan zu Saisonbeginn nicht gut mit Brooklyn meinte. Nach den Pelicans, Raptors und Grizzlies warten in der Nacht auf Donnerstag die Bucks in Milwaukee (ab 1.30 Uhr live auf DAZN), bevor es zuhause am Tag darauf gegen die Mavs geht. Anschließend wird es für die Nets einfacher (unter anderem zweimal Indiana und Charlotte), in dieser Phase müssen es Simmons, Durant und Co. schaffen, sich besser einzuspielen. Vielleicht sogar etwas Euphorie in New York City zu entfachen. Spätestens dann gehen aber auch die Ausreden aus.

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