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NBA - Boston Celtics als heimlicher Free-Agency-Gewinner: Krawall machen nur die anderen

Von Robert Arndt
Malcolm Brogdon spielte zuletzt drei Jahre für die Indiana Pacers.
© getty

Die Boston Celtics zählen bisher zu den Gewinnern der Offseason. Der Finalist des Vorjahres hat abseits des Lärms um Kevin Durant und dem Gobert-Blockbuster seinen Kader erneut sinnvoll verstärkt. Der Trade für Malcolm Brogdon zeigt vor allem eines: Die Celtics greifen nach Titel Nummer 18.

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Am Ende ging den Celtics die Luft aus - das war gegen die Golden State Warriors mehr als deutlich. Knapp 1.000 Minuten stand Jayson Tatum in den kürzlich zu Ende gegangenen Playoffs auf dem Feld, nur 16 Spieler spulten in der Geschichte der Playoffs mehr Minuten ab als der Forward (Rekordhalter ist Rip Hamilton 2004 mit Detroit: 1.079 Minuten).

Jaylen Brown (920) und der 36-jährige Al Horford (815) komplettieren das Trio an der Spitze, erst an Platz vier (Klay Thompson, 792 Minuten) kommt ein Spieler des Meisters. Boston hatte eine Playoff-Rotation von neun Spielern, die aber im Laufe der Postseason immer weiter schrumpfte. Von der Bank kam kaum mehr Entlastung, es war neben einer immer schlechter werdenden Offense der Hauptgrund, dass Golden State in den Finals in sechs Spielen triumphierte.

Derrick White, Payton Pritchard und Grant Williams erzielten in den Spielen 5 und 6 zusammengerechnet nur noch 9 Punkte (!), offensichtlicher kann man die fehlende Tiefe der Celtics in den entscheidenden Momenten der Saison nicht erklären. Und genau hier setzte Celtics-Boss Brad Stevens an und machte Boston in den ersten Tagen der Free Agency zu einem der großen Gewinner.

Im Schatten des Dramas in Brooklyn und dem Blockbuster-Trade von Rudy Gobert nach Minnesota fädelten die Celtics einen Deal mit Indiana ein, der ihnen einen wichtigen Rotationspieler bringt und sie selbst in Sachen Kaderstruktur wenig kostet. Hier ist der Deal:

Der Trade zwischen den Celtics und Pacers um Theis in der Übersicht

Celtics erhaltenPacers erhalten
Malcolm BrogdonDaniel Theis
Aaron Nesmith
Nik Stauskas
Malik Fitts
Juwan Morgan
2023er Erstrundenpick (Top-12-geschützt)

Boston Celtics: Brogdon ist der benötigte Spielmacher

Mit Malcolm Brogdon bekommen die Celtics genau das, was Stevens in seinem Exit Interview als mögliche Baustelle identifiziert hatte. "Wir brauchen etwas mehr Playmaking, weil wir in einigen Phasen stagnierten und nicht mit Tempo gespielt haben (...) Ich hätte auch gerne mehr Scoring und konstantes Shooting von der Bank."

Nun ist Brogdon nicht der dynamischste Spieler, aber eben ein Spielmacher, der bewiesen hat, auch ein Starter in der NBA zu sein. In Boston wird man sich vermutlich den Luxus erlauben und den 29-Jährigen von der Bank bringen. 18,9 Punkte und 6,3 Assists legte der frühere Rookie of the Year in seinen drei Jahren in Indiana im Schnitt auf und traf dabei 35,2 Prozent seiner Versuche von Downtown.

Das klingt zunächst einmal überschaubar, hier muss aber einschränkend erwähnt werden, dass Brogdon bei den Pacers jede Menge Versuche aus dem Dribbling nahm. Effizienter war der Guard eher aus dem Catch-and-Shoot, knapp 42 Prozent bei rund 800 Versuchen in der Karriere sind ein guter Richtwert. In Boston wird Brogdon natürlich auch den Wilson halten, aber genauso Phasen haben, in denen er abseits des Balls spielt, wenn Brown oder Tatum eben jenen in ihren Händen halten.

Dazu passt Brogdon mit seinen 1,96 Metern perfekt in das defensive System der Celtics. Der frühere Zweitrundenpick ist enorm physisch und zumindest ein weiterer solider Verteidiger. Kleinere Guards können ihn zwar vor Schwierigkeiten stellen, aber im Switching-System der Celtics sollte das weniger ein Problem sein. Kurzum: Brogdon ergänzt eine mögliche Playoff-Rotation sinnvoll und macht sie besser.

Malcolm Brogdon wird von den Indiana Pacers zu den Boston Celtics getradet.
© getty
Malcolm Brogdon wird von den Indiana Pacers zu den Boston Celtics getradet.

Boston Celtics: Das wird richtig teuer

Problematischer ist hingegen die Krankenakte, was wohl auch einer der Gründe war, wieso die Milwaukee Bucks ihn 2019 nicht bezahlen wollten und stattdessen ihn in einem Sign-and-Trade-Deal nach Indiana schickten. Mit Ausnahme seiner Rookie-Saison verpasste Brogdon stets mindestens 16 Partien, 21/22 stand der Spielmacher sogar nur 36 Spiele auf dem Feld (wobei Indy ihn am Ende auch raushielt).

Das ist durchaus ein Risiko, vor allem weil Brogdon noch drei Jahre Vertrag hat und bis 2025 67,6 Millionen Dollar einstreichen wird. Nun wird der Guard nicht die gleiche Last wie in Indiana schultern, es bleibt aber ein Risiko und gleichzeitig ein Hinweis, darauf dass Boston Blut geleckt hat. Dieses Team ist nun noch einmal teurer geworden - doch der Fokus liegt eindeutig auf einer weiteren Championship.

Für zehn fest unter Vertrag stehende Spieler zahlen die Celtics bereits über 163 Millionen Dollar und werden somit auch Luxussteuer abdrücken müssen (derzeit rund 32 Millionen). Darin inkludiert ist bereits Danilo Gallinari, der sich für die Mini-MLE (rund 6,5 Mio) für zwei Jahre den Celtics anschließen wird.

Boston Celtics: Gallinari soll Scoring von der Bank bringen

Der Italiener spielte für Atlanta eine solide Saison und legte dabei als Bankspieler knapp 12 Punkte pro Partie auf, fiel jedoch dem Trade für Dejounte Murray zum Opfer und wurde von San Antonio sofort entlassen. Der 34-Jährige ließ angeblich sogar Geld auf dem Tisch, um in Boston zu unterschreiben. Einerseits weil die Celtics sein Lieblingsteam sind, andererseits weil Gallo hier eine Gelegenheit für seinen ersten Ring sieht.

Zumindest in der Regular Season sollte Gallinari Minuten absorbieren können. Auch im Spätherbst seiner Karriere ist der Forward ein cleverer Scorer mit einem guten Wurf. Man weiß, was man von ihm bekommt. Seine defensiven Limitationen sind ebenfalls bekannt, hier wird Coach Ime Udoka Lösungen finden müssen, um den schwerfälligen Flügelspieler zu verstecken.

Dazu ist auch er anfällig für kleinere Verletzungen, allerdings waren die 66 Partien im Vorjahr die zweitmeisten seit seiner Kreuzbandverletzung, die ihn die komplette Saison 2014/15 kostete. Die Idee hinter seiner Verpflichtung ist aber klar: Gallinari soll die Stars entlasten und gegebenenfalls das Feld breit machen. Das kann er, eine ähnliche Rolle hatte er bereits in Atlanta. Dazu fehlte Boston im Vorjahr ein so langer Forward, der mal für sich selbst kreieren kann.

Auf dem Papier haben sich die Celtics also noch einmal deutlich verstärkt. Insbesondere Brogdon sollte dem Team als weiterer Ballhandler und Organisator sehr guttun. Es ist verschmerzbar, dass dafür Daniel Theis, Aaron Nesmith und der Erstrundenpick 2023 geopfert wurden.

Boston Celtics: Eine Baustelle bleibt noch

Was bleibt, ist eine kleinere Lücke im Frontcourt. Al Horford sollte in der Regular Season wieder seine Pausen bekommen, hinter Robert Williams' Gesundheit steht immer ein Fragezeichen. Mit Grant Williams oder eben Gallinari haben die Celtics zwar Small-Ball-Optionen, ein weiterer Big Man würde dem Team aber gut zu Gesicht stehen.

Ohnehin haben die Celtics noch mindestens drei Kaderplätze frei (sollte Zweitrundenpick J.D. Davison gehalten werden, Sam Hauser hat bereits am Sonntag verlängert). Aus den Trades von Evan Fournier, Juancho Hernangomez oder auch Dennis Schröder gibt es noch Trade Exceptions, mit denen die Celtics Spieler holen könnten. Das ist aber angesichts der drohenden Luxussteuerrechnung eher unwahrscheinlich.

Stattdessen werden sich die Celtics eher auf der Resterampe bedienen müssen. Gerade auf den großen Positionen sieht es aber eher dünn aus, nach Deandre Ayton (der kein Thema in Boston ist) sind noch Namen wie Montrezl Harrell, Gorgui Dieng, Dwight Howard, Serge Ibaka, Hassan Whiteside oder Thomas Bryant ohne Vertrag.

So oder so darf die bisherige Offseason der Celtics als erstaunlich angesehen werden. Ohne echte finanzielle Flexibilität hat Boston für nur einen Erstrundenpick sowie einige Ersatzspieler einen potenziellen Starting-Point-Guard und einen scorenden Forward für die Bench Units geholt. Das ist aller Ehren wert, eröffnet Udoka neue Lineup-Optionen und sollte Stand jetzt gut genug sein, um die Celtics auch im kommenden Jahr als heißen Titelkandidaten einzustufen.

Das sieht übrigens auch Brogdon so, der sich mit diesem Twitter-Post bei Celtics-Fans sofort beliebt machte. Jayson Tatum würde es sicherlich auch freuen, wenn er nicht mehr gefühlt 44 Minuten pro Spiel in den Playoffs ackern muss.

Boston Celtics: Der Kader für 2022/23

Point GuardShooting GuardSmall ForwardPower ForwardCenter
Marcus SmartJaylen BrownJayson TatumAl HorfordRobert Williams III
Malcolm BrogdonDerrick WhiteSam HauserDanilo GallinariGrant Williams
Payton PritchardJ.D. Davidson---

kursiv: Noch ohne Vertrag

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