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NBA - Celtics-Scout Benas Matkevicius im Interview: "Es gibt keine Giannis Antetokounmpos mehr"

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© getty

Benas Matkevicius ist International Scout bei den Boston Celtics und war über Jahre im Trainerstab der litauischen Nationalmannschaft. Im Interview mit SPOX spricht der Litauer über seine Anfänge in Cuxhaven, die Kunst des Scoutings und er erklärt, was deutschen Talenten im Vergleich zu anderen Nationen fehlt.

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Außerdem verrät Matkevicius, wie man einen Superstar wie Luka Doncic aus seiner Komfortzone bringen kann, wie der Kontakt mit den Celtics zustande kam und was im Draft Room passiert.

Es gibt Biografien und es gibt Biografien wie die von Benas Matkevicius. Gebürtig in Litauen, aufgewachsen in Cuxhaven, High School in Louisiana, College in Arkansas und dann wieder Cuxhaven, bevor es über Moskau zu den Boston Celtics ging. Matkevicius hat sich im Welt-Basketball nach oben gearbeitet, nun arbeitet er seit bald acht Jahren Danny Ainge und inzwischen Brad Stevens als International Scout zu. Im Interview mit SPOX spricht Matkevicius über seinen Karriereweg, seine tägliche Arbeit und darüber, was deutschen Talenten oft fehlt.

Herr Matkevicius, vor gut zehn Jahren waren Sie noch Co-Trainer in Cuxhaven, nun sind Sie International Scout der Boston Celtics und haben einen Podcast, The Benas Podcast, in welchem Sie Gäste wie Andrea Trinchieri, Andrew Bogut, J.R. Holden und viele andere begrüßen. Wie um alles in der Welt funktioniert das?

Benas Matkevicius: Mein Ziel war es nie, bei einem NBA-Team angestellt zu sein. Ich habe als Basketballer das Spiel geliebt, musste aber verletzungsbedingt früh aufhören und habe dann mit Herz und Seele in Cuxhaven an der Seitenlinie gearbeitet. Der Verein hat mir damals die Gelegenheit gegeben, dass ich einen Job im Coaching Staff bekam, sowohl als Jugendtrainer als auch als Assistent bei der ProA-Mannschaft. Wir haben dabei Erfolg gehabt, sind zweimal sportlich in die BBL aufgestiegen, durften dort aber wegen verschiedener Regularien nicht teilnehmen. Das hat mich frustriert, weil ich das Gefühl hatte, dass ich nicht weiterkomme - in meiner Karriere und meinem Leben. Ich war zu diesem Zeitpunkt kurz davor, mit Basketball aufzuhören und stattdessen als Personal Trainer weiter zu machen. Ich hatte schon einige Lizenzen eingesammelt und die ersten Athleten trainiert. Für mich war das Teil der Entwicklung. Als Mensch willst du besser werden, neue Dinge erlernen. So hat es die Natur für den Menschen vorgesehen.

Und dann kam der Anruf aus Moskau.

Matkevicius: Genau, dort wurde gerade Jonas Kazlauskas neuer Coach von ZSKA. Der hat früher zusammen mit meinem Vater in Litauen gespielt und die zwei sind über all die Jahre Freunde geblieben. So wusste er auch, dass ich existierte. (lacht) Und dass ich als Coach arbeitete und gleichzeitig die Scouting Reports für die Mannschaft machte. Er brauchte einen Scout und nahm mich, obwohl ich nicht die erste Wahl war. Ein anderer Coach lehnte die Stelle als Scout ab und so übernahm eben ich die komplette Scouting-Abteilung.

Celtics-Scout Matkevicius: "Ich war ein naiver, norddeutscher Junge"

Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Matkevicius: Es war alles komplettes Neuland für mich. Das war Russland und das Niveau war um ein Vielfaches höher als in Cuxhaven. Damals spielten dort noch J.R. Holden, Trajan Langdon oder Matjaz Smodis. Das war eine riesige Herausforderung für mich. Ich brauchte plötzlich viel mehr Verständnis für das Spiel, weil es so viel mehr Nuancen hatte. Ich wurde mit Dingen konfrontiert, die ich so gar nicht erwartet hatte. Ich war damals ein naiver norddeutscher Junge, der zunächst einmal leise vor sich hin gearbeitet hat, um diesen Job zu behalten. Ich habe diese ersten drei Monate alles gegeben, weil ich wusste, dass mein Vertrag dann entweder verlängert wird und ich mich dann auf die folgende Saison vorbereiten kann oder eben nicht. Es hieß, dass wir irgendwie die Saison mit Erfolg zu Ende bringen sollen. Das gelang und es folgte der Umbruch, es kamen Andrei Kirilenko, Nenad Krstic und Milos Teodosic und wir sind bis ins Finale marschiert, wo wir in Istanbul gegen Olympiakos unglücklich verloren.

Hatten Sie jemals Sorgen, dass dieser Sprung zu groß war?

Matkevicius: Hin und wieder, aber ich habe mich intensiv vorbereitet und alle meine Freunde oder Spieler, mit denen ich gearbeitet habe, haben mich ermutigt. Ich will mich da gar nicht selbst loben, aber sie haben gesehen, wie viel Zeit ich investiert habe. Ich mag freie Zeit nicht und versuche stattdessen, sie mit Arbeit zu füllen. Früher waren das Jugendarbeit oder zusätzliche Trainingseinheiten und so habe ich mich unbewusst auf das nächste Level vorbereitet. Ich musste mein Arbeitspensum also nur auf diesem Level halten und für mich war es der Türöffner, obwohl ich die Tür eher eingetreten habe.

Wird man da nicht von Informationen erschlagen? In der ProA spielten teilweise Feierabend-Basketballer und vom einen auf den anderen Tag beschäftigt man sich mit der Elite Europas.

Matkevicius: In Cuxhaven hatten wir fast nur Profis, nur ein, zwei Spieler hatten noch einen anderen Job. Aber natürlich, bei ZSKA sind die Möglichkeiten unendlich. Wenn du etwas willst oder brauchst, dann bekommst du es. Es gibt da keine Ausreden, weil alles da ist, um deine Arbeit zu erledigen. In Cuxhaven hatte ich schon als verletzter Spieler begonnen, die Scouting Reports anzufertigen, weil ich einfach etwas beisteuern wollte. Ich habe das damals so gemacht, wie ich es aus dem College kannte. Manche Spieler in Cuxhaven meinten damals, dass sie gar nicht so viel brauchen, aber wenn ich weiß, dass es besser geht, dann will ich es auch entsprechend machen. Es ist wie im Restaurant: Das Auge isst mit. Ich versuche immer, einen Schritt vorauszudenken, was auf mich zukommen könnte.

Benas Matkevicius: Seine Stationen

ZeitraumFunktionTeam
2008-2011Assistant CoachCuxhaven BasCats
2011-2014Scout & Assistant CoachCSKA Moskau
2013-2021Assistant CoachLitauen
2014-International ScoutBoston Celtics

Celitcs-Scout Matkevicius: Wusste nicht, was Messina gefallen würde

Aber alles lässt sich doch im Voraus nicht planen?

Matkevicius: Das stimmt. Ein Beispiel: Als Ettore Messina ZSKA übernommen hat, wusste ich zunächst nicht, was er erwartet, welche Sachen ihm gefallen oder nicht. Welche Clips möchte er haben? Welche Situationen bevorzugt er? Ich habe dann einfach sechs, sieben Dinge vorbereitet, die er fragen könnte. Ich habe also viel zu viel vorbereitet, einfach nur, um abgesichert zu sein und nicht möglicherweise im Regen zu stehen. Je länger du aber mit jemandem arbeitest, desto besser weißt du, was er will. Dann kann so ein Report deutlich schmaler werden. Wobei die Arbeit für mich nicht umsonst war, wenn ein Coach sie nicht wollte. Du lernst immer dazu und Praxis ist der beste Lehrer.

Kann man das die Arbeit bei einem solchen Topklub auch genießen oder überwiegt eher der Druck? In Moskau ist der Geduldsfaden bekanntlich nicht unbedingt dick.

Matkevicius: In Moskau gibt es nur schwarz und weiß, Top oder Flop. Die Erwartungen sind riesig, aber du musst damit umgehen. So ist das Leben auf dem höchsten Level, sei es als Spieler, Coach oder als Scout. Wenn dir das nicht gefällt, dann gehörst du da nicht hin, so einfach ist das. Nach Siegen in der VTB League (die vorwiegend aus russischen Teams besteht, Anm. d. Red.) oder "normalen" EuroLeauge-Erfolgen verspürte ich eher Erleichterung denn Freude. Das war zum Beispiel ein Unterschied zu Cuxhaven, wo du dich über jeden Sieg freust. Die pure Freude kann schon einmal verloren gehen. Darüber habe ich auch mit Nikos Zisis in meinem Podcast gesprochen. Er meinte auch, dass man als Sportler die Wahl hat. Du kannst bei einem kleineren Team spielen und einfach nur Spaß haben, aber wenn du auf dem höchsten Level spielen willst, musst du damit leben.

Wo Sie den Podcast ansprechen. Die Gästeliste ist ja durchaus illustrer mit Trinchieri, Messina, Dimitris Itoudis, Sarunas Jasikevicius, Daniele Baiesi, Andrew Bogut oder J.R. Holden. Was erwartet den Hörer?

Matkevicius: Das Fundament ist Basketball, aber es kann auch Ausnahmen geben, wie zuletzt mit dem Boxer Noel Mikaelian. Meine Gäste sind da, um Hintergrundgeschichten zu erzählen, die es vielleicht woanders nicht in dieser Form gibt. Es geht um die Nuancen von Coaching, vom Dasein als Sportdirektor oder wie ein Spieler nach seiner Karriere lebt. Ein Ratgeber von Profis für Profis. Es soll ein wenig das Tagesgeschäft von Sportlern und den Menschen dahinter dargestellt werden. Unter anderem habe ich auch mit Stefan Weißenböck aus Bamberg darüber gesprochen, was Individualtraining mit Spielern ausmacht oder wie man aus einem Shooting Slump herauskommt. Es deckt also ein großes Spektrum ab und soll auch ein bisschen einen Vergleich zum alltäglichen Leben ziehen.

Bei allem Podcasting bleibt Ihr Hauptjob aber das Scouting für die Celtics. Wie ist da der Kontakt zustande gekommen?

Matkevicius: Auch hier durch viel Glück. In meiner Kindheit habe ich mal in einem Theaterstück auf Borkum mitgespielt und ich durfte als Hauptrolle den glücklichen Löwen spielen, der bin ich womöglich bis heute. Der Kontakt mit Boston kam schon 2011 zustande, als ich im Sommer zu den ganzen FIBA-Turnieren gefahren bin, obwohl wir bei ZSKA eigentlich kein Interesse hatten, irgendwelche Talente unter Vertrag zu nehmen. Für mich war das aber wichtig. Ich war unter anderem in Polen bei der U18-EM. Da hat auch ein gewisser Dennis Schröder gespielt. Dort habe ich meinen jetzigen Chef, Austin Ainge, kennengelernt.