NBA Finals - 5 Fragen zu den Milwaukee Bucks: Das beste Team waren sie nicht

Robert Arndt
22. Juli 202108:54
Giannis Antetokounmpo wurde nach den Finals einstimmig zum Finals MVP gekürt.getty
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Die Milwaukee Bucks haben sich im dritten Anlauf endlich zum NBA-Champion gekrönt. Das gelang, obwohl sie nicht das beste Team der Saison stellten, dafür aber den konstantesten Spieler. Der Kern der Mannschaft steht, doch bei der Rotation gibt es in der Free Agency einige Fragezeichen.

Waren die Bucks das beste Team der Saison?

Vorneweg: Die Bucks sind ein verdienter Champion, sie stehen nach einer chaotischen und von Verletzungen geprägten Saison ganz oben. Es ist auch eine Qualität, verfügbar zu sein, die Spieler der Bucks waren es zu großen Teilen. Auch Giannis Antetokounmpo hatte seinen Schockmoment in den Conference Finals, als er sich das Knie überdehnte. Letztlich spielte es keine Rolle, der Grieche zementierte kurz darauf seinen Status als bester Spieler der Finals-Serie eindrucksvoll.

Dieser Titel ist kein Zufallsprodukt. Die Bucks traten in der Regular Season nicht mehr so überzeugend auf wie noch in den Jahren zuvor und wurden diesmal nur Dritter im Osten. Dennoch war Milwaukee eines von vier Teams, welche eine Top-10-Offense und eine Top-10-Defense stellten (dazu Suns, Clippers, Jazz) - in der Vergangenheit war dies ein guter Indikator für gute Chancen im Titelkampf.

In den Playoffs waren die Bucks dann das mit Abstand beste Defensiv-Team, das war der Grundstein für den ersten Titel seit 50 Jahren. Vorne haperte es hin und wieder, gerade aus der Distanz. 32,1 Prozent Dreierquote ist so schlecht, dass es beinahe ein Wunder ist, dass Milwaukee in diesen Zeiten damit tatsächlich Meister werden konnte.

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Es spricht für die Bucks, dass sie andere Wege fanden und sich anpassten. Die beste Mannschaft dieser Playoffs waren sie jedoch nicht. Nicht ohne Grund prasselte in der zweiten Runde der Postseason gegen die Brooklyn Nets jede Menge Kritik auf das Team ein. Hätte Kevin Durant kleinere Füße gehabt, wären die Bucks schon lange beim Angeln gewesen und würden jetzt nicht die Parade durch Milwaukee planen.

Brooklyn brachte die Bucks an den Rand einer Niederlage, obwohl sie über drei Spiele auf Kyrie Irving und fast vier komplette Spiele auf James Harden verzichten mussten, der in den folgenden Partien gefühlt nur noch auf einem Bein spielte. In Bestbesetzung wären die Nets vermutlich nicht zu schlagen gewesen.

Ähnliche Gedankenspiele sind auch für die Teams aus L.A. möglich, doch in den Geschichtsbüchern wird das keine Rolle spielen. In den USA wird in solchen Fällen gerne von einem Sternchen hinter der Championship gesprochen, in der Realität gibt es das aber nicht. Verletzungen gehören zum Sport dazu, man kann sich seine Gegner nicht aussuchen.

Milwaukee hat seine Aufgaben erledigt, sie sind der verdiente Meister, alles andere zählt nicht. Dass mindestens ein Team besser war, kann ihnen völlig egal sein.

NBA Finals: Die Serie im Überblick

SpielDatumHeimAuswärtsResultat
17. JuliSunsBucks118:105
29. JuliSunsBucks118:108
312. JuliBucksSuns120:100
415. JuliBucksSuns109:103
518. JuliSunsBucks119:123
621. JuliBucksSuns105:98

Ist Giannis Antetokounmpo der beste Spieler der NBA?

Zugegeben, dies ist eher eine Frage für den Stammtisch, aber Antetokounmpo hat in dieser Serie durchaus Argumente gesammelt. 35,2 Punkte, 13,2 Rebounds, dazu 5 Assists - das war der Schnitt des Griechen, der ähnlich dominant wie Shaquille O'Neal (2000) oder Michael Jordan (1993) in ihren besten Zeiten auftrat.

Das alles geschah, nachdem sogenannte Experten das Spiel des 26-Jährigen immer wieder kritisierten, Kendrick Perkins sah in Antetokounmpo nur einen "Robin", keinen Batman. Hauptkritikpunkt war oft, dass Antetokounmpo nicht als Closer der Bucks auftrat, diese Rolle übernahm meist Khris Middleton. Dass Giannis die 45, 46, 47 Minuten zuvor sein Team überhaupt erst in diese Position verschafft hatte, wurde dabei gerne vergessen.

Es ist ein Produkt unserer Zeit, nur wer am lautesten schreit, wird auch gehört. Wie hätte es wohl ausgesehen, wenn Shaq heutzutage gespielt hätte, reihenweise Freiwürfe auf den Ring gesetzt hätte und in der Crunchtime nicht erste Option gewesen wäre?

Antetokounmpo hat offensichtliche Schwächen (Sprungwurf, Freiwurf), aber eben auch Stärken, die ihn Basketball-Spiele nach Belieben dominieren lassen. Zwei MVP-Awards kommen nicht von ungefähr und auch ein Dritter wäre in dieser Saison möglich gewesen, auch wenn dies schon aus historischen Gründen für viele Voter ein No-Go war.

Ist Giannis nun der beste Spieler der Welt? Er selbst sah das vor einem Monat nicht so, als er während der Nets-Serie Kevin Durant diesen Titel andichtete. Es gibt sicherlich komplettere Spieler wie eben Durant, LeBron James oder Kawhi Leonard, aber keiner aus diesem Trio ist eine Naturgewalt wie Antetokounmpo.

In diesen Playoffs hat Antetokounmpo gelernt, wie er seine Ressourcen bestmöglich einsetzt. Er war häufiger Blocksteller, positionierte sich unter dem Korb und ließ dort einfach seine Muskeln spielen. Das Spiel ist für ihn simpler geworden, er scheint akzeptiert zu haben, dass er nicht der Perimeter-Spieler ist, wie es die meisten anderen Stars sind.

Antetokounmpo ist vielmehr ein Spieler in seiner eigenen Kategorie, eben ein echter Freak, der so gar nicht in irgendeine Schublade passen will. Mit 26 Jahren ist er nun zweifacher MVP, dazu gewann er den Finals-MVP und im Vorjahr den Award des besten Verteidigers. Nur Michael Jordan und Hakeem Olajuwon können Ähnliches in ihrer Vita vorweisen.

Können die Bucks den Repeat schaffen?

Auszuschließen ist das nicht, allerdings werden andere als Favoriten in die Saison gehen. Khris Middleton (29) und Jrue Holiday (31) sind in ihrer Prime, Antetokounmpo erreicht diese gerade - der Kern steht also für die kommenden Jahre, dazu hat das Trio noch Vertragslaufzeiten zwischen drei und fünf Jahren.

Die Last des Gewinnenmüssens ist nun erst einmal weg, doch Antetokounmpo wäre nicht Antetokounmpo, wenn er nicht schon neue Ziele setzen würde. "Es ist ein Gefühl, welches süchtig macht", sagte Giannis über den Titel-Gewinn. "Diese Momente willst du jagen. Ich hoffe, dass wir als Team darauf aufbauen können und es im kommenden Jahr wieder schaffen."

Die Weichen sind dafür gestellt, allerdings wartet im kommenden Jahr auch größere Konkurrenz. Vor allem mit Brooklyn wird im Osten zu rechnen sein, auch Philadelphia könnte durch einen Trade von Ben Simmons ein ernstzunehmender Konkurrent sein, vom Westen mit den L.A.-Teams oder Denver ganz zu schweigen.

Aber auch die Bucks haben noch Luft nach oben. Mit Donte DiVincenzo fehlte ein wichtiger Rotationsspieler fast die kompletten Playoffs, mit ihm kommt noch einmal eine weitere dynamische Komponente ins Spiel, die ein Jeff Teague mit seinen 33 Jahren nie sein konnte.

Durch die finanzielle Situation wird es aber schwierig, den Kader weiter zu verbessern, dazu aber gleich mehr.

Milwaukee Bucks: Die Verträge der Stars

Spieler21/2222/2323/2424/2525/26
Giannis Antetokounmpo39,342,545,648,851,9 (Spieler-Option)
Khris Middleton35,537,940,4 (Spieler-Option)Free Agent
Jrue Holiday32,234,836,239,9 (Spieler-Option)Free Agent
Brook Lopez13,313,9Free Agent

Welche Entscheidungen stehen in der Free Agency an?

Alle fünf potenziellen Starter sind gebunden, wenn man DiVincenzo als einen solchen ansieht. Dafür gibt es einige Free Agents aus der hinteren Reihe - mit P.J. Tucker als wichtigste Personalie. Mit 36 Jahren ist Tucker inzwischen eher ein 16-Game-Player, wie es Draymond Green ausdrücken würde.

Übersetzt heißt das, dass Tuckers Wert in den Playoffs steigt. Er legte zwar keine 5 Punkte und 5 Rebounds im Schnitt auf, aber allein der Umstand, dass der Oldie in diesen Playoffs Chris Paul, Devin Booker und Kevin Durant ordentlich verteidigte, darf nicht unter den Tisch fallen. Es gibt vielleicht eine Handvoll Spieler, die dazu in der Lage sind.

Mit 36 Jahren wird Tucker sicherlich nicht mehr besser und die Bucks werden in die Luxussteuer abdriften, wenn sie Tucker im Bereich von 10 Millionen jährlich zahlen müssen. Durch den Titel müssen die Bucks bereits in diesem Jahr zusätzliche Luxussteuer blechen, Grund ist ein Vertragsbonus von Holiday für den Titel, sodass die Bucks nun knapp 200.000 Dollar über der Grenze liegen.

Eine Verlängerung mit Tucker ist aber beinahe alternativlos, weil Milwaukee ansonsten keinen gleichwertigen Ersatz finden wird. Womöglich wird das dazu führen, dass sie Tucker überzahlen, um diesen zum Bleiben zu bewegen.

Dazu könnten auch Bobby Portis und Bryn Forbes auf den freien Markt kommen, beide halten eine Option über 3,7 bzw. 2,4 Millionen Dollar. Gerade Portis dürfte sich durch seine überraschend starken Playoffs ein schönes Sümmchen erspielt haben. Ziehen beide die Option nicht, stehen dennoch bereits rund 126 Millionen Dollar in der Büchern.

Großen Raum für Free Agents lässt das nicht, stattdessen werden die Bucks ihren Kader wieder mit einigen No-Names auffüllen müssen, dazu halten sie den 31. Pick. Gleichzeitig könnte auch der eine oder andere Ringjäger sich in Milwaukee versuchen, mal sehen, wie groß die Strahlkraft von Antetokounmpo inzwischen ist.

Milwaukee Bucks: Diese Spieler können Free Agent werden

SpielerAlterPositionGehalt 20/21Anmerkung
P.J. Tucker36Forward8
Bobby Portis26Center3,7Spieler-Option
Bryn Forbes28Guard2,4Spieler-Option
Thanasis Antetokounmpo29Forward1,6
Jeff Teague33Guard0,8

Ist Mike Budenholzer nun ein anerkannter Head Coach?

Noch mehr Prügel als Giannis musste wohl nur Mike Budenholzer einstecken, teilweise auch zurecht. Nach Spiel 2 der Nets-Serie hätten die Fans der Bucks den 51-Jährigen wohl am liebsten umgehend gefeuert, erste Gerüchte um den gerade in Dallas zurückgetretenen Rick Carlisle machten die Runde.

Hätten die Bucks die Segel streichen müssen, wäre es das für Budenholzer gewesen, der schon 2020 nach dem Bubble-Aus gegen Miami bedenklich wackelte. Stattdessen darf sich Budenholzer einen Ring an den Finger stecken und dürfte erst einmal fest im Sattel sitzen.

Auch er hat seinen Anteil an der Championship. Über Jahre galt Budenholzer als stur, ein Coach, der manchmal ohnmächtig wirkte, weil er auf seine Prinzipien vertraute. Er hat sich gewandelt, es ist auch ihm anzurechnen, dass Milwaukee trotz mehrerer Rückstände am Ende alle Serien gewann.

Vor allem gegen Atlanta und Phoenix wählte er die richtigen Maßnahmen, indem er endlich bemerkte, dass Milwaukee unter den Brettern nicht zu stoppen ist. Er implementierte unterschiedliche Defensiv-Strategien und war nicht scheu, diese während der Spiele mehrfach zu verändern. 2020 schien das noch undenkbar.

Budenholzer hat es endlich geschafft, über große Teile seine Spieler gewinnbringend einzusetzen, ihre Stärken zu maximieren. Er geht nun in sein letztes Vertragsjahr als Coach, vermutlich wird der 51-Jährige mit dem Rückenwind des Titels ein neues Arbeitspapier bei den Bucks bekommen.

Coaching ist ohnehin aus der Distanz schwer zu beurteilen, es ist viel mehr gefragt als Xs and Os. Beispielsweise darf die tägliche Führung nicht unterschätzt werden und spielt eine gewichtige Rolle, was als Außenstehender kaum zu bewerten ist.

Die Unterstützung von Antetokounmpo hat der Coach in jedem Fall sicher. "Er hat an mich geglaubt. Er hat mir klar gemacht, dass ich dem Team vertrauen muss, damit wir Erfolg haben können", sagte Giannis nach dem Triumph.