Nicolo Melli von den Dallas Mavericks im Interview: "Ich habe gezittert, als mir Michael Jordan den Preis überreichte"

Florian Regelmann
29. April 202109:56
Nicolo Melli wurde in dieser Saison von New Orleans nach Dallas getradet.getty
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Nicolo Melli wurde zur Trade-Deadline Ende März von den New Orleans Pelicans zu den Dallas Mavericks geschickt. Im Interview mit SPOX verrät der 30-Jährige, wie er den ersten Trade seines Lebens erlebte. Außerdem spricht Melli über Luka Doncic, Zion Williamson und ein Treffen mit Michael Jordan.

Dazu erklärt Inter-Fan Melli, was ihn an der Diskussion um die Super League am meisten aufgeregt hat und warum Ronaldo immer sein Lieblingsspieler bleiben wird.

Nicolo, Sie sind bekanntermaßen großer Inter-Fan. Der Vorsprung auf Atalanta auf Rang zwei beträgt elf Punkte in der Serie A, da kann ja nichts mehr schiefgehen.

Nicolo Melli: (lacht) Stopp, hören Sie auf. Wir sprechen bitte nicht über die laufende Saison. Wir sind fast am Ziel, aber ich will mich nicht zu früh freuen.

Okay, dann sprechen wir über die Inter-Vergangenheit.

Melli: Das können wir gerne tun. Am liebsten über Ronaldo. Ronaldo war mein Lieblingsspieler. Ronaldo war mein Held. Wegen ihm und wegen meiner Mutter (ehemalige Volleyballnationalspielerin, Anm. d. Red.) hatte ich am Anfang meiner Karriere auch die Rückennummer 9. Einmal hatte ich das Glück, Ronaldo live im Stadion zu sehen. Daran werde ich mich immer erinnern. Ihn live spielen zu sehen, war ein unglaubliches Erlebnis.

Mit Romelu Lukaku hat Inter aktuell jetzt wieder einen ganz besonderen Stürmer.

Melli: Das stimmt. Lukaku ist auch nicht so schlecht, aber Ronaldo ist Ronaldo. Er ist für mich einfach der Beste, an ihn kommt niemand heran.

Inter war kurzzeitig auch Teil der jetzt schon legendären Super League. Wie viel haben Sie von dem fußballerischen Erdbeben in den USA mitbekommen?

Melli: Ich habe es verfolgt. Ich fand die Art und Weise, wie die Nachricht herausgekommen und wie es alles abgelaufen ist, sehr merkwürdig. Sie waren extrem schlecht vorbereitet auf den Widerstand der Fans, Trainer und Spieler. Ich verstehe, dass die Besitzer der Fußballklubs in Europa neidisch auf die NFL und die NBA in den USA schauen. Dort wird das meiste Geld verdient, das wollen sie auch. Und der Fußball in Europa ist eben kein gesundes Business mehr. Die Besitzer verlieren extrem viel Geld. Deshalb kann ich es nachvollziehen, dass sie etwas ändern wollen. Aber der Weg ist natürlich der völlig falsche. Was mich am meisten daran aufregt, ist aber etwas anderes.

Melli über Super-League-Erfahrungen im Basketball

Sie denken wahrscheinlich an die Parallelen zum Basketball mit dem jahrelangen Streit zwischen der FIBA und der EuroLeague.

Melli: Genau. Ich hasse diesen Streit. Ich hasse Streit zwischen verschiedenen Organisationen, der uns Spieler in eine schwierige Lage bringt. Wir sitzen dann zwischen den Stühlen und sind da gefangen. Ich habe es vor einigen Jahren persönlich selbst erlebt, dass der Streit zwischen der FIBA und der EuroLeague dafür gesorgt hat, dass ich nicht für die Nationalmannschaft spielen konnte. Das war schlimm für mich. Und jetzt hätte der Streit zwischen der UEFA und der Super League dafür gesorgt, dass Spieler nicht bei der EM dabei sein können. Was soll das? Wir sind die Spieler. Wir wollen für unseren Klub und für unsere Nationalmannschaft spielen. Wir wollen kein Spielball in einem solchen Streit sein. Das geht so nicht. Aber ich will auch sagen, dass ich grundsätzlich immer bereit bin für eine Diskussion um Veränderungen. Wir brauchen diese Diskussion.

In der NBA gibt es in dieser Saison zum ersten Mal ein Play-In-Turnier für die Playoffs. Finden Sie das gut?

Melli: Ich finde es gut, dass wir etwas Neues ausprobieren, ja. Ich habe den Aufschrei und den Protest der Fans gegen die Super League natürlich verstanden, aber wir müssen auch aufpassen, dass wir uns nicht grundsätzlich Innovationen verschließen. Ja, die Super League war nicht die richtige Lösung, aber es braucht ja dennoch eine Lösung. Es kann nicht alles so bleiben, wie es ist. Das wird nicht funktionieren. Egal, ob es der Fußball oder die NBA ist: Wir müssen mit der Zeit gehen. Wir müssen natürlich an die jüngeren Fans denken. An Plattformen wie TikTok. Alles wird immer schneller und wir müssen attraktiv bleiben. Sie haben das Play-In-Turnier angesprochen. Ich finde es eine spannende Idee, jetzt schauen wir, wie es läuft. Und dann kann man es ja für die nächste Saison nochmal optimieren, wenn es nötig ist.

Für Inter-Fan Melli wird Ronaldo immer der Größte bleiben.getty

Melli über den Trade: "Von Dallas war nie die Rede gewesen"

Im Moment liegen die Mavs im Westen auf Rang sechs. Sie sind seit dem Trade aus New Orleans noch recht kurz bei der Mannschaft. Was ist Ihr Eindruck bislang?

Melli: Ich muss ehrlich zugeben, dass ich noch nicht genau verstanden habe, wie die Mannschaft funktioniert und tickt. Es scheint so, dass wir uns gegen die Top-Teams der Liga deutlich einfacher tun als gegen die schwächeren Teams, die wir eigentlich schlagen sollten. Das ist mein Eindruck. Ich weiß nicht, warum das so ist. Ich weiß aber, dass wir extrem viel Potenzial haben.

Sie sind zum ersten Mal in Ihrem Leben getradet worden. Was war das für eine Erfahrung?

Melli: Es war auf jeden Fall eine spannende Erfahrung. Die zwei Stunden, als der Trade passiert ist, waren ziemlich intensiv und aufregend. Mein Agent hat mich angerufen und von einem möglichen Trade erzählt, da ging es aber um eine ganz andere Mannschaft als die Mavs. Plötzlich ruft er ein paar Minuten später wieder an und erklärt mir, dass es mit diesem Trade doch nichts wird. Dafür war plötzlich Dallas im Spiel. Und davor war von Dallas nie die Rede gewesen. Das war alles ziemlich verrückt. Meine Frau und ich mussten innerhalb von zwei Tagen unsere Sachen packen und dann sind wir nach Dallas gekommen. Aber ich muss sagen, dass ich hier sehr glücklich bin. Die Mavs sind eine Top-Organisation, wir haben einen Top-Trainer, die Mannschaft ist top, Dallas ist eine schöne Stadt, eine nette Wohnung haben wir auch schon - ich bin zufrieden. Und jetzt kann ich mich darauf konzentrieren, in der Mannschaft meine Rolle zu finden.

Sie sind nach so erfolgreichen Jahren in Europa vor der letzten Saison in die NBA nach New Orleans gewechselt. In dieser Saison lief es aber für Sie schlecht. Was war los?

Melli: Das ist eine gute Frage, ich weiß es nicht. Normalerweise ist es ja so, dass man ein etwas schwierigeres erstes Jahr mit weniger Spielzeit erlebt und es im zweiten Jahr besser wird. Bei mir war es aber genau andersherum. Im ersten Jahr habe ich, nachdem ich mich in den ersten Monaten zurechtfinden musste, am Ende 25 Minuten pro Spiel auf dem Feld gestanden. Es lief echt gut für mich. Mir war ja klar, dass ich eine ganz andere und viel kleinere Rolle haben würde als in Europa, aber das hat alles gepasst. Aber in dieser Saison habe ich in New Orleans gar nicht mehr gespielt. Das habe ich nicht erwartet. Das war auch komisch für mich. Als Spieler willst du einfach spielen, das wird jeder verstehen. Und wenn du unregelmäßig oder gar nicht spielst, kommst du natürlich auch ganz schwierig in einen Rhythmus.

Nicolo Melli und Luka Doncic trafen im EuroLeague-Finale 2018 aufeinander.imago images

Melli: "Das ist krass. Luka ist einfach krass"

Sie spielen jetzt mit Luka Doncic in einem Team. Fans des europäischen Basketballs werden sich an das EuroLeague-Finale 2018 erinnern, als Sie für Fenerbahce groß aufspielten (28 Punkte), Doncic aber mit Real dennoch das Finale gewann.

Melli: Vielen Dank, dass Sie mich daran erinnern. Das macht Luka auch die ganze Zeit. (lacht) Diese Niederlage ist bis heute eine offene Wunde bei mir, aber es ist, wie es ist. Real war damals im Finale die bessere Mannschaft, sie haben verdient gewonnen. Damit muss ich leben. Ich bin auf jeden Fall sehr glücklich, Luka jetzt mal auf meiner Seite zu haben, das können Sie mir glauben. Luka ist ein atemberaubender Spieler.

Wir denken an seinen Zirkus-Buzzer-Beater vor kurzem in Memphis.

Melli: Das Krasse daran ist, dass ich solche Dinger jetzt schon häufiger im Training gesehen habe, seitdem ich in Dallas bin. Luka trifft diese Würfe regelmäßig. Das ist krass. Luka ist einfach krass.

Was fasziniert Sie besonders an ihm?

Melli: Mich beeindrucken vor allem zwei Punkte. Zum einen seine Leichtigkeit. Luka lässt alles immer so einfach aussehen. Da sieht man sein brutales Naturtalent. Und der zweite Punkt ist, dass man in jeder Sekunde sieht und spürt, wie sehr er sein Leben genießt. Wie sehr Spaß es ihm macht, Luka zu sein. Er liebt das so sehr, was er macht. Das ist abgesehen von seinen Fähigkeiten echt cool zu sehen. Ob er eines Tages als der beste Europäer in die Geschichte eingehen wird, weiß ich nicht. Dafür hatten wir zu viele großartige Spieler. Aber er wird sicherlich einer der Besten sein. Gut möglich, dass er aktuell schon einer der fünf besten Spieler der NBA ist.

Sie sehen jetzt jeden Tag Luka Doncic im Training, davor haben Sie jeden Tag Zion Williamson gesehen. Was haben Sie bei ihm gedacht, wenn Sie ihn beobachtet haben?

Melli: Ich glaube, für ihn wurde das Wort Freak erfunden. Es trifft einfach so gut auf ihn zu. Was er macht, wie er seinen Körper unter Kontrolle hat, ist unglaublich. Vor allem weiß Zion noch gar nicht, wie gut er eigentlich ist. Er hat sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Wenn er das erstmal tut, wird er nochmal dominanter werden. Er wird seinen Weg gehen, weil er ein guter Junge ist. Zion ist nicht ansatzweise arrogant, manchmal ist er sogar eher ein bisschen schüchtern. Ein richtig cooler witziger Typ.

In der NBA sind in vielen Arenen wieder eine begrenzte Anzahl an Zuschauern zugelassen. Generell sind die USA beim Thema Impfen viel weiter als Europa. Sie selbst sind auch schon geimpft, oder?

Melli: Ja, ich habe schon meine zweite Dosis bekommen und bin natürlich sehr glücklich und dankbar darüber. Für mich war es nie eine Frage, ob ich mich impfen lassen würde. Impfen ist der einzige Weg raus aus der Pandemie, den wir haben. Und ich bin Basketballer. Natürlich vertraue ich da der Wissenschaft. Sie versuchen, uns zu retten, sie versuchen nicht, uns zu töten.

Melli über die Pandemie: "Persönlich hatte ich viel Glück"

Wie haben Sie die Corona-Zeit generell überstanden?

Melli: Gerade am Anfang war es schwierig für mich, aber da ging es uns allen wohl ähnlich. Ich war zwar in den USA, aber ich habe natürlich auch die Bilder und Videos aus Bergamo gesehen. Ich hatte Kontakt zu meiner Familie. Da kriegt man Angst. Ich hatte vor allem große Angst um meine Oma. Persönlich habe ich ziemlich viel Glück gehabt. Am Anfang der Pandemie, als es in Europa so schlimm war, habe ich in den USA gelebt. Als es dann in den USA schlimmer wurde, war ich in der NBA-Bubble. Danach war ich im Sommer in Europa, als wir dort eine gute Phase in der Pandemie hatten. Und als ich dann wieder in die USA zurückgekehrt bin, waren wir hier wieder weiter mit den Impfungen, dazu werden wir jeden Tag getestet. Persönlich hatte ich wirklich viel Glück. Aber die Sorge um meine Familien in Italien und Deutschland besteht natürlich weiterhin.

Sie haben über Ihre Quarantäne-Zeit am Anfang der Pandemie gesagt, Sie hätten dort "gefressen wie ein Bulle".

Melli: (lacht) Da habe ich etwas übertrieben, ich bin nicht dick geworden. Aber es war keine produktive Zeit, das stimmt. Ich habe relativ viel gegessen und relativ wenig trainiert. Für mich war das eine total ungewohnte Situation, weil ich normalerweise ein Mensch bin, der ständig auf Achse ist. Und plötzlich lag ich nur zuhause auf der Couch und habe den ganzen Tag Netflix geschaut.

Zum Glück für alle Basketball-Fans lief ja im letzten Jahr "The Last Dance". Was fanden Sie am spannendsten an der Doku?

Melli: Erstmal war ich froh, dass wir durch die Doku überhaupt etwas Basketball schauen konnten. Das alleine war schon gut. Für mich war es faszinierend zu sehen, wie viele Probleme so eine erfolgreiche Mannschaft haben kann. Alle denken immer, dass alles perfekt sein muss innerhalb eines Teams, um am Ende Titel zu gewinnen. Das stimmt aber gar nicht. Das fand ich interessant. Und dazu war ich einfach schon immer ein großer Bulls- und Michael Jordan-Fan. Als ich 15 war, habe ich einmal beim Classic Jordan Camp den MVP-Titel gewonnen. MJ war dafür extra nach Italien gekommen. Das war unglaublich für mich. Ich habe am ganzen Körper gezittert, als er mir den Preis überreichte.

Melli über seine Zukunft und den Olympia-Traum

Stimmt es, dass Sie sich schon als Kind NBA-Videokassetten reingezogen haben?

Melli: Ja, mein Vater hatte drei oder vier VHS-Kassetten, die ich bestimmt 100.000 Mal angeschaut habe. Auf einer Kassette ging es um den ersten Three-Peat der Bulls, auf den anderen waren ganz viele Highlights von Magic Johnson und Larry Bird. Ich habe fast jeden Tag da reingeschaut.

Den Traum von der NBA haben Sie sich erfüllt. Wie sehen Ihre Pläne für die kommende Saison aus? Soll es wieder zurück nach Europa gehen?

Melli: Das ist vollkommen offen. Ich konzentriere mich jetzt ganz auf die restliche Saison mit Dallas und dann werde ich im August ganz in Ruhe schauen, welche Optionen auf dem Tisch liegen. Ich kann mir alles vorstellen. Nach der NBA-Saison kommt dann auch erstmal noch die Nationalmannschaft und das Olympia-Quali-Turnier, abhängig davon, wie weit wir mit den Mavs kommen.

Ihre Mutter war als Volleyballerin bei Olympischen Spielen dabei und gewann 1984 sogar Silber für die USA, Sie könnten sich in Tokio jetzt auch diesen Traum erfüllen, wenn alles gut läuft.

Melli: Tokio ist ein großer Traum für mich, auch weil wir vor fünf Jahren die Qualifikation durch eine Niederlage im Finale des Quali-Turniers gegen Kroatien verpassten. Jetzt haben wir wieder eine schwierige Gruppe erwischt, viele sagen, dass Serbien unser großer Gegner wird, aber wir müssen jeden Gegner respektieren. Wir haben das nötige Talent in der Mannschaft. Ich hoffe, wir können im Sommer ein gutes Team mit einer guten Kultur zusammenstellen, dann ist für uns alles möglich.