NBA - Der Offseason Outlook der Orlando Magic: Ab in den Urlaub

Philipp Schmidt
09. September 202010:27
Vucevic hat seinen 100-Millionen-Dollar-Vertrag in der vergangenen Saison gerechtfertigt.getty
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Nachdem die Orlando Magic die Regular Season auf dem achten Platz der Eastern Conference beendet hatten, mussten sie sich in Runde eins der Playoffs gegen die hoch favorisierten Milwaukee Bucks geschlagen geben. Während die Spieler sich in den Urlaub verabschieden, stehen dem Front Office in Orlando einige wegweisende Entscheidungen bevor.

Obwohl die Nets extrem dezimiert in die Bubble in Disney World reisten, schaffte es Orlando nicht, Platz sieben in der Eastern Conference zu übernehmen. Die Seeding Games beendeten sie mit einer Bilanz von 3-5 - trotz durchaus machbarem Schedule.

So kam es in den Playoffs zum Duell mit den topgesetzten Bucks, welches sogar mit einer dicken Überraschung in Spiel eins begann. Dank eines überragenden Nikola Vucevic und 16 versenkten Dreiern (eigentlich ganz und gar keine Stärke der Magic) holte sich Orlando den Sieg. Es folgte die Ernüchterung in Form von vier Pleiten in Serie - mit einem Rückstand von jeweils mindestens 14 Punkten!

Orlando Magic: So lief die Saison 19/20

Es war ein enttäuschendes Ende einer insgesamt enttäuschenden Saison. Die Magic beendeten die Regular Season mit 33 Siegen und waren auf dem Weg, die Spielzeit mit weniger Erfolgen als in der vergangenen zu beenden. Die erneute Playoff-Teilnahme muss vielmehr der schwachen Konkurrenz im Osten als eigenen Glanzleistungen zugeschrieben werden. Nach dem Sieg im Eröffnungsspiel gegen die Cavs wiesen die Magic zum ersten und letzten Mal eine positive Bilanz auf.

"Wir haben große Teile der Saison ohne Jonathan und Al gespielt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir mit ihnen eine Top-5-Defense gehabt hätten", sieht Magic-Coach Steve Clifford in den Verletzungen von Isaac und Aminu einen Grund für die Bilanz. Der Plan mit der Top 5 ging auch aufgrund der widrigen Begleitumstände zwar nicht auf, ein Defensiv-Rating von 109,5 reichte dennoch für einen passablen zehnten Platz. Die Probleme lagen eindeutig am anderen Ende des Courts.

Die ernüchternden Zahlen: Offensiv-Rating 108,5 (Platz 23), Punkte pro Spiel 107,3 (Platz 24), Pace 98,6 (Platz 25). Sowohl die Quote aus dem Feld (44,4 Prozent, Platz 27) als auch aus der Distanz (34,3 Prozent, Platz 25) reichte nur für Platzierungen im Tabellenkeller.

Das niedrige Tempo führte zu wenigen Punkten in Transition, in der Halbfeld-Offense war ersichtlich, dass den Magic ein Go-to-Guy fehlt, der übernehmen und als Scoring-Option gesucht werden kann. 3,3 Possessions mit Isolations pro Spiel sind der mit großen Abstand niedrigste Wert in der Association (Houston: 22,6!).

Orlando Magic: Die Offseason-Fragen

Nikola Vucevic: Baustein der Zukunft oder Trade-Chip?

Vor der Saison unterschrieb der Montenegriner, der schon seit 2012 für Orlando aufläuft, einen Vierjahresvertrag über 100 Millionen Dollar und stieg damit zu einem der Topverdiener unter den Centern auf. Nicht wenige hatten für diesen Kontrakt nur wenig Verständnis, aber in den Playoffs war Vuc zur Stelle.

Zunächst bestätigte er in der regulären Saison mit 19,6 Punkten sowie 10,9 Rebounds die starke Vorsaison und war in der Serie gegen die Bucks klar bester Mann seines Teams. Beim Sieg in Spiel 1 legte er 35 Punkte auf und traf 5 Dreier. Dreimal erreichte er ein Double-Double, nie unterbot er die Marke von 20 Punkten.

Zweifel an seiner (verbesserten) Defense sind weiterhin berechtigt, wenngleich er zumindest als Teamdefender durchaus kompetent ist. Gefühlt ist er schon ewig dabei, wird aber im Oktober gerade einmal 30 Jahre alt. Doch lassen sich mit Vucevic als Nummer 1 wirklich große Playoff-Erfolge einfahren?

Wohl eher nicht, Immerhin hat der All-Star sein Spiel der heutigen NBA angepasst und nahm in dieser Saison mit 4,7 Dreiern pro Partie die bei weitem meisten in seiner bisherigen Karriere - bei einer passablen Quote von 33,9 Prozent. Seine Zukunft in Orlando hängt allerdings auch mit einer anderen offenen Frage zusammen ...

Muss Orlando die Frontcourt-Rotation um Vucevic, Gordon, Bamba und Isaac auflösen?

Jonathan Isaac an Position sechs im Jahr 2017, Mo Bamba an gleicher Stelle ein Jahr später: Die Magic haben in den vergangenen Jahren viel Draftkapital in Big Men investiert - durchschlagender Erfolg blieb allerdings aus. Im vergangenen Draft zogen sie Power Forward Chuma Okeke an 16. Stelle, der aufgrund eines Kreuzbandrisses noch gar nicht im Aufgebot stand.

Die Probleme im Frontcourt haben vielfältige Gründe, angefangen mit Aaron Gordon: Gordon, selbst ein Top-5-Pick vor sechs Jahren, kam bis heute nicht über die Rolle des hoch veranlagten Hyper-Athleten hinaus, was neben der fehlenden spielerischen Weiterentwicklung (nur 14,4 Punkte und 30,8 Prozent Dreierquote in der Saison 2019/20) auch mit Verletzungsproblemen zusammenhing.

Bamba geht ins dritte Jahr seines Rookie-Vertrags, schaffte es bisher aber nur zu sporadischer Einsatzzeit (14,2 Minuten im Schnitt), ist weiterhin auf der Suche nach seiner optimalen Rolle und fiel zuletzt nach einem positiven Coronatest aus. Isaacs Entwicklung stimmte zu Beginn der Saison deutlich zuversichtlicher, ehe auf eine Knochenquetschung im Knie ein Kreuzbandriss folgte. Neben seiner bereits elitären Defense zeigte er zuvor auch in der Offense vielversprechende Ansätze. Nun droht er sogar, die komplette Saison 2020/21 zu verpassen.

Sollte Gordon seine Distanzwurf weiterhin nicht stabil treffen, ist er auf der 3 nur schwer einsetzbar, sodass sich die restlichen Spieler die Minuten hinter ihm sowie auf der 5 teilen müssten. Durch die Isaac-Verletzung hat sich der Stau bei den Big Men vorübergehend aufgelöst. Das Qulaitäts-Problem wird dadurch aber nicht gelöst. Hinzu kommt: Nach einer ernüchternden Saison ist der Trade-Wert der genannten Spieler zumindest nicht gestiegen (wenn auch Gordon immer noch ein fraglos interessanter Spieler ist). Selbst wenn Orlando also einen Trade suchen möchte, viel Gegenwert dürfen sie wohl nicht erwarten.

Wie beheben die Magic ihre Probleme im Backcourt?

D.J. Augustin, Markelle Fultz, Evan Fournier, Michael Carter-Williams, Terrence Ross - das klingt nicht unbedingt nach der Guard-Rotation eines ambitionierten Teams. In Anbetracht der Vorgeschichte muss aber zumindest die Leistung von Fultz hervorgehoben werden, der erstmals verletzungsfrei durch die Saison kam und in 72 Spielen 12,1 Punkte und 5,1 Assists auflegte.

Dabei zeigte er sein ausgeprägtes Spielverständnis und seine Athletik, während der Dreier weiter kaum vorhanden ist (26,7 Prozent bei 1,9 Versuchen pro Spiel). Auch in der Zone fehlt ihm noch der Mut und die Robustheit, sich häufiger an die Linie zu kämpfen (2,2 Freiwürfe pro Spiel bei verbesserten 73 Prozent). Die Tasache, dass Fultz mit seinen gut 5 Assists bereits bester Vorlagengeber Orlandos war, zeigt jedoch, wo der Schuh drückt.

Zu Vucevic fehlt ein Komplementärspieler im Backcourt, der in den entscheidenden Momenten den Ball in den Händen hat. Fournier und Ross definieren sich primär als Scorer, kassieren allerdings in der kommenden Saison gemeinsam über 30 Millionen Euro (Fournier verfügt über eine Spieleroption). Der Franzose hinterließ zumindest über große Teile der Saison einen passablen Eindruck (18,5 Punkte, 39,9 Prozent Dreier).

Von einem Elite-Guard oder dem gesuchten Go-to-Guy ist er jedoch in etwa so weit entfernt wie Orlando von der Spitze der Eastern Conference. Die Entscheidung, ob er seine Option zieht, wird darüber entscheiden, ob die Magic abseits von Exceptions und Minimal-Verträgen Cap Room zur Verfügung haben. Immerhin: Im kommenden Draft verfügt Orlando über seine beiden Picks und werden an den Positionen 15 und 45 ziehen.

Fultz spielte die erste verletzungsfreie und gleichzeitig beste Saison seiner Karriere.getty

Orlando Magic in der Free Agency: Welche Deals sind möglich?

  • Restricted Free Agents: Gary Clark, Wesley Iwundu, B.J. Johnson, Vic Law
  • Unrestricted Free Agents: D.J. Augustin, Michael Carter-Williams
  • Spieleroptionen: James Ennis, Evan Fournier
  • Teamoptionen: Melvin Frazier Jr.
  • Gehälter 2020/21: 116,8 Millionen Dollar inkl. aller Optionen (Salary Cap 19/20: 109,1 Mio.)

Routinier Augustin wusste in der Bubble als Backup-Guard zu überzeugen und könnte auch in der Saison 2020/21 für einen schmalen Taler in Florida auflaufen. Gleich viermal knackte er gegen die Bucks die Marke von 10 Punkten und verteilte durchschnittlich 6 Assists. Ennis' Spieleroption beläuft sich auf 2 Millionen, Al-Farouq Aminu, der nur 18 Spiele in der abgelaufenen Spielzeit bestritt (4,3 Punkte), kassiert bis 2022 noch 20 Millionen, sodass der finanzielle Spielraum arg beschränkt ist.

Diese Spieler stehen kommende Saison unter Vertrag

Point GuardShooting GuardSmall ForwardPower ForwardCenter
Markelle FultzTerrence RossJames Ennis*Aaron GordonNikola Vucevic
Evan Fournier*Melvin Frazier Jr.**Al-Farouq AminuMohamed Bamba
Jonathan IsaacKhem Birch

*Spieleroption

**Teamoption

Ausblick: So geht es für die Magic 2020/21 weiter

Solange Gordon keinen Quantensprung in seiner Entwicklung hinlegt oder Isaac überraschend schnell wieder fit wird und seine Leistungen bestätigt, kommen die Magic so weit, wie sie Vucevic führt. Und das ist leider keine besonders vielversprechende Prognose.

Die Hoffnungen müssen darauf liegen, dass Fultz seine Entwicklung weiter fortsetzt und zum klar besten Spieler im Backcourt wird, Vucevic erneut starke Zahlen auflegt und an Position 15 im Draft ein Glücksgriff gelingt (wie wäre es mit einem Scorer auf dem Flügel?). Das Problem: Die Magic sind weiter zu gut, um in die Nähe eines Top-Picks zu kommen, sodass die Wahrscheinlichkeit auf einen Franchise verändernden Spieler überschaubar ist. Und zu schlecht, um in der Postseason für Furore zu sorgen.

"Wir sind enttäuscht, dass wir keine Playoff-Runde gewonnen haben. Das ist es, worum es in dieser Liga geht", offenbarte Clifford nach dem Playoff-Aus die Ambitionen, was erneut zur Frage führt: Schnüren die Magic tatsächlich ein Tradepaket um Gordon, Vucevic, einen Erstrundenpick und/oder Ross, um einen Neuaufbau zu starten oder für einen Star-Spieler zu traden? Oder geht es weiter wie zuvor - gefangen im Mittelmaß mit der Aussicht auf (maximal) einen kurzen Aufenthalt in den Playoffs.